bild.de korrigiert klammheimlich falschen Artikel

Am Dienstag habe ich für den Deutschlandfunk aufgeschrieben, wie bild.de und welt.de falsch (teilweise mindestens irreführend) über die Fake-Vorwürfe gegen Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf berichten. Auch zwei Tage später hatte bild.de noch nicht auf die Kritik reagiert. Mittlerweile hat sie – zu erkennen unter anderem an der neuen Überschrift:

Fake-Vorwürfe gegen TV-Moderatoren: Was bei Joko und Klaas alles schief lief

Zuvor hieß es da:

Nach Fake-Vorwürfen gegen Joko und Klaas: Kein Grimmepreis für „Late Night Berlin“

Der Artikel wurde gestern komplett überarbeitet, es gibt allerdings keinen Hinweis auf die Überarbeitung und die ursprüngliche Falschberichterstattung, und sogar das Datum wurde gefälscht. Dort ist die Rede vom 03.03.2020 Uhr um 19.30 Uhr, dabei war die Seite bis zum 05.03.2020 auf dem ursprünglichen Stand von vor der Änderung.

Inhaltlich wird jetzt zutreffend kein Zusammenhang mehr hergestellt zwischen dem Grimme-Preis für „15 Minuten“ und den Fake-Vorwürfen gegen zwei andere Sendungen der beiden Unterhalter. Der Preis wird jetzt das erste Mal in den letzten beiden Abstätzen erwähnt:

Nicht unter Fake-Verdacht steht dagegen ihre Pro7-Sendung „Joko und Klaas LIVE – 15 Minuten“. Deshalb sollen sie dafür auch mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet werden.

Wie geht das Grimme-Institut jetzt weiter mit den Vorwürfen um? Institutsleiterin Dr. Frauke Gerlach zu BILD: „Die Vorwürfe gegenüber Joko und Klaas sind genereller Natur, da wird man erstmal genau prüfen müssen, was davon zutrifft und was nicht. Wir zeichnen die beiden Entertainer sowie Thomas Martens und Thomas Schmitt (für Idee und Redaktion) für das Format ‚Joko und Klaas LIVE – 15 Minuten‘ aus.“

Jetzt könnte man noch darüber streiten, ob sie „dafür“ mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet werden sollen, dass sie in „15 Minuten“ nicht gefaket haben. Aber das würde zu weit führen.

Dass bild.de seinen falschen Artikel aber erst so spät korrigiert hat, obwohl es schon früh Hinweise auf die falsche Berichterstattung gab, zu einem Zeitpunkt, als der Artikel über die Startseite schon gar nicht mehr auffindbar war, es also mutmaßlich kaum noch Zugriffe gegeben haben könnte, das auch noch intransparent getan hat, weil es nirgendwo einen Hinweis auf die Überarbeitung gibt, der Artikel aber noch unter der alten URL erreichbar ist, und dafür auch ein falsches Datum angegeben hat, spricht für die journalistische Ethik der Redaktion.

Für Chefredakteur Julian Reichelt wäre es übrigens kein Problem, sich für so was zu entschuldigen, wie er mal dem Tagesspiegel gesagt hat:

Es fällt mir grundsätzlich leicht, mich zu entschuldigen, wenn wir Fehler gemacht haben.

Ich hab allerdings nicht mitbekommen, dass er es für diesen Artikel getan hat.

„Bild“ und „Welt“ berichten falsch über Joko und Klaas

Grimme-Preis für Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf – und gleichzeitig Vorwürfe, in ihren Sendungen sei betrogen worden. Obwohl beides nichts miteinander zu tun hat, verknüpfen bild.de und welt.de es miteinander.

Das habe ich für @mediasres im Deutschlandfunk aufgeschrieben.

Warum das Gute-Kita-Gesetz teilweise ein Billigere-Kita-Gesetz ist

Das „Gute-Kita-Gesetz“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie Politiker, in diesem Fall Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, gute PR für sich selbst machen. Es ist schon an verschiedenen Stellen diskutiert worden, warum Journalisten den Begriff nicht übernehmen sollten – weder direkt noch in einer distanzierten Form wie etwa in Anführungszeichen oder als „sogenanntes Gute-Kita-Gesetz“. Wie wir aus der Forschung wissen, sind Anführungszeichen oder ein „sogenanntes“ nicht stark genug, um den positiven Frame von der guten Kita zu überstrahlen.

„Aber es geht doch darum, die Kitas gut zu machen“ – so das Argument derjenigen, die finden, dass man den Begriff durchaus verwenden kann, und die ihn selbst verwenden. Schließlich schreiben wir auch sonst in Meldungen, dass Giffey mit dem Gesetz die Betreuung in Kitas verbessern will. Welchen Unterschied gibt es noch zwischen „Gute-Kita-Gesetz“ und „will Kitas verbessern“?

Das liegt vor allem daran, was man unter eine Verbesserung von Kitas versteht. Denn laut Familienministerium ist eine Kita auch dann gut, „wenn der Eintritt frei ist“, wie es auf seiner Webseite schreibt. Das allein aber macht noch nicht die Kita an sich gut. Es kann sie sogar verschlechtern. Denn wenn die Millionengelder dazu verwendet werden, die Gebühren zu senken, verbessert das in den Kitas genau gar nichts. Und tatsächlich haben die ersten Bundesländer bereits beschlossen, die Gebühren zu senken.

Das macht nicht das Gesetz an sich obsolet oder schlecht. Aber es bewirkt eben auch nicht das, was man sich unter einem Gute-Kita-Gesetz vorstellt. Schon deswegen sollten Journalisten den Begriff nicht benutzen – und wenn sie es tun, dann nicht unkritisch, etwa indem sie ihn hinterfragen, einordnen und erklären.

Warum Talkshows nicht der Bundestag sind

Mitte Dezember hat das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) eine Bilanz der vier größten politischen Talkshows des Jahres 2019 gezogen. Erst mal rein quantiativ, indem es ausgewertet hat, welche Politiker*innen in diesem Jahr zu Besuch waren und von welchen Parteien sie stammen.

Kann man machen.

Problematisch ist aber die Art und Weise, in der die Kolleg*innen das tun. Indem sie versuchen, einzuordnen, inwiefern die Einladungen legitim sind, legen sie einen fragwürdigen Maßstab an.

An mehreren Stellen im Text wird die Zahl der Einladungen in eine Talkshow verglichen mit dem Anteil der Sitze, den die Partei der eingeladenen Gäste im Bundestag haben. So heißt es etwa:

Der erste AfD-Politiker in der Statistik ist Alexander Gauland mit vier Auftritten. Gemessen an der Sitzverteilung im Bundestag ist die AfD in den Sendungen stark unterrepräsentiert.

Und:

Neben der AfD sind auch die Linkspartei und die Union leicht unterrepräsentiert.

Warum die Sitzverteilung im Bundestag relevant sein soll dafür, wen Journalisten in Talkshows eingeladen werden, lässt das RND offen. Würde man sich auf die Logik einlassen, hieße das, dass letztlich die Wähler darüber entscheiden, welche Parteien mit ihren Repräsentanten besonders häufig in Talkshows auftauchen. Es ist aber nicht die Aufgabe von Journalisten, in ihren Sendungen Bundestag nachzuspielen. Sie sollen vielmehr besonders in der Darstellungsform Talkshow eine Debatte über ein Thema führen und dazu Gäste einladen, die zum Thema etwas zu sagen haben. Dabei ergibt es keinen Sinn, jemanden einzuladen, der über ein Thema nichts sagen kann, nur weil er dran ist.

Es gibt kein Recht auf Sendezeit, kommentiert Talkshow-Beobachter Arno Frank zurecht im Deutschlandfunk. Und er schreibt:

Den Ort, an dem in aller Öffentlichkeit ausgewogen und ausdauernd debattiert wird, gibt es nämlich schon. Es ist der deutsche Bundestag.

Häppchenjournalismus bleibt nicht ohne Folgen

Jeden Tag lesen wir Nachrichten: auf dem Smartphone, elektronischen Werbetafeln oder in den Sozialen Netzwerken. Die Formate dafür werden immer kürzer. Immer öfter fehlt der Kontext, mitunter auch das journalistische Handwerk. Das zeigt sich besonders beim Umgang der Journalisten mit Zitaten. Mein Beitrag fürs WDR5-Medienmagazin „Töne, Texte, Bilder“.


„Kühnert warnt vor GroKo-Ausstieg“

„Kühnert macht Kehrtwende“

„Kühnert warnt vor Bruch mit der Union“

Drei Schlagzeilen Anfang Dezember, kurz vor dem Parteitag der SPD. Sie beruhen auf einem Interview, das Juso-Chef Kevin Kühnert der Rheinischen Post gegeben hatte. Darin sagt er:

„Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der Kontrolle aus der Hand, das ist doch eine ganz nüchterne Feststellung. Auch das sollten die SPD-Delegierten bei ihrer Entscheidung berücksichtigen.“

Kühnert zitiert sich in diesem Twitter-Video selbst, in dem er die angebliche 180-Grad-Wende dementiert, die ihm Zeitungen und Agenturen unterstellen.

„…und da hab ich Sachen zum Thema Große Koalition gesagt, die sag ich ehrlich gesagt schon seit anderthalb Jahren, und die sind jetzt in einer Agenturmeldung aus meiner Sicht falsch dargestellt worden…“

Nicht der einzige Fall in diesem Jahr, in dem eine Interviewäußerung aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Oliver Georgi, Politikredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, beobachtet diese Entwicklung schon seit Längerem:

„Da wird dann ein Zitat, ein Satz oder eine Stellungnahme herausgepickt. Die wird dann bei den sozialen Netzwerken aufgegriffen, und dann wird innerhalb von wenigen Stunden oder sogar Minuten nur noch über einen Satz aus dem Interview debattiert, und der verbreitet sich dann sehr schnell, und die Erregung nimmt mit jeder weiteren Verbreitung noch zu. Und am Ende hat dann die Aufregung über das Interview mit dem eigentlichen Interview gar nichts mehr zu tun.“

Denn nicht nur im Fall Kevin Kühnert folgte dem Interview ein Dementi. Im August gab CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer der Funke-Mediengruppe ein Interview. Die twitterte und titelte anschließend, Kramp-Karrenbauer habe dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen mit einem Parteiausschlussverfahren gedroht. Auch das eine Formulierung, die die CDU-Chefin noch am selben Tag dementierte:

„Ich habe weder im Interview noch an anderer Stelle ein Parteiausschlussverfahren gefordert.“

FAZ-Redakteur Georgi macht vor allem Sorge, dass Journalisten mit solchen Verkürzungen Empörungsspiralen in Gang setzen, die keinerlei Grundlage hätten.

Verbreitet werden sie nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern auch in anderen journalistischen Kurzformaten, die es heute gibt: auf Bildschirmen in Bahnhöfen und Bussen, auf Werbetafeln an der Straße und in Pushnachrichten aufs Handy.

„In der Art der Zuspitzung, da findet diese Differenzierung aber keinen Platz mehr. Das führt dazu, dass wir alle, auch die Medien, die dann über Twitter, Shitstorm und über die Empörung berichten, dass wir den dann noch weiterverbreiten. Und man hat als Politiker es sehr schwer, eine solche Äußerung, die bei Twitter mal läuft oder auch in den traditionellen Medien aufgegriffen wurde, nochmal einzuholen.“

Georgi glaubt, dass diese Art der Berichterstattung langfristig dafür sorgt, dass Bürgerinnen nicht nur das Vertrauen in die Politik verlieren, sondern auch in die Medien. Denn auch wenn Politiker redlich argumentieren würden, könne es doch passieren, dass Journalistinnen ihre Aussagen wiederum verkürzen.

Der FAZ-Journalist hat aber auch beobachtet, dass Politikerinnen ihre Aussagen bewusst vage halten, um nicht auf allzu Konkretes festgelegt zu werden.

Aber auch Politiker der – sagen wir mal – der etablierten Parteien machen das, nicht immer mit Vorsatz, dass sie eine Äußerung bewusst vage formulieren, dann können sie sozusagen darauf nicht festgenagelt werden, weil das ja eben nicht klar und prägnant gesagt haben, aber die Botschaft, die sie damit vermitteln wollen – Kritik allgemein oder einem Kollegen nahezulegen, dass er sein Amt niederlegen muss, ohne ihn hart und klar kritisiert zu haben.“

Dann ist es ein Spiel für die Medien, die mitunter auch bereitwillig mitmachen. Denn auch wenn eine skandalöse Äußerung zurückgenommen wird, sorgt das wieder für neue Schlagzeilen.

Presserat: bild.de als Werkzeug des Attentäters von Halle

Der Deutsche Presserat hat bild.de dafür gerügt, dass sie Ausschnitte aus dem Video des Attentäters von Halle übernommen hat. Die Redaktion habe damit gegen Richtlinie 11.2 des Pressekodex verstoßen, wonach die Presse sich nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen darf.

Der Presserat schreibt weiter:

In dem Video unter dem Titel „35 Minuten Vernichtungswahn“ ordnete ein Reporter die gezeigten Sequenzen zwar ausführlich ein. Jedoch übernahm die Redaktion die Dramaturgie des Täters, indem sie seine Vorgehensweise chronologisch vom Laden der Waffen bis hin zu den Sekunden vor und nach den Mordtaten zeigte. Bei beiden Szenen konnten die Zuschauer aus der Perspektive des Täters quasi live dabei sein. Diese Darstellung geht über das öffentliche Interesse hinaus und bedient überwiegend Sensationsinteressen.

Richtlinie 11.2 des Pressekodex besagt:

Bei der Berichterstattung über Gewalttaten, auch angedrohte, wägt die Presse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen sorgsam ab. Sie berichtet über diese Vorgänge unabhängig und authentisch, lässt sich aber dabei nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen. Sie unternimmt keine eigenmächtigen Vermittlungsversuche zwischen Verbrechern und Polizei.

Interviews mit Tätern während des Tatgeschehens darf es nicht geben.

Ich hatte hier schon mal kritisiert, dass Medien sich zu Mittätern von Attentätern machen, wenn sie ihre Tat in unangemessener Weise weiterverbreiten. In dem Zusammenhang will ich auch noch mal auf einen Artikel von Bastian Berbner von 2017 hinweisen, in dem er schreibt:

Terrorismus ist Kommunikation. Attentäter wollen eine Botschaft senden. Nicht so sehr an ihre unmittelbaren Opfer, die drei Nonnen oder Guy Coponet und seine Frau, nicht so sehr an die Menschen vom Breitscheidplatz und die Konzertbesucher im Bataclan. Ihre Botschaft gilt vielmehr: allen anderen.

Deswegen liegt es besonders an Journalisten, aber auch an allen Nutzern von sozialen Netzwerken, ob sie sich daran beteiligen wollen, eine Botschaft von Angst in die Welt zu tragen, die der eigentlichen Bedrohung nicht gerecht wird.

Journalisten als Wahrsager

Nur wenige Journalisten hatten auf Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als neue SPD-Vorsitzende gesetzt. Dabei hätten sie gar keine Prognosen abgeben müssen – die gehören ja sowieso nicht zu ihren Aufgaben, finde ich – und habe ich im Deutschlandfunk kommentiert. Doch die nächsten Prognosen sind leider schon auf dem Markt.

FAZ stellt Rundfunkbeitrag wieder irreführend dar

Dass FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld ein Gegner der Öffentlich-Rechtlichen ist, ist kein Geheimnis. Immer wieder kommentiert er entsprechend, was sein gutes Recht ist. Schlimmer aber finde ich, dass er auch gerne in Berichten tendenziös schreibt und Dinge irreführend darstellt.

Das hat er in einem Kommentar jetzt wieder getan. Das Problem ist nicht seine Meinung, sondern die schiefe Darstellung, die er darin macht. Er schreibt über das Verfahren, mit dem ARD, ZDF und das Deutschlandradio ihren Bedarf für die nächste Beitragsperiode anmelden:

Das Verfahren ist aufwendig: Die Sender melden ihren „Finanzbedarf“ an – in der Regel viel zu viel, aktuell sind es drei Milliarden Euro mehr bei zurzeit rund acht Milliarden Euro Beitragseinnahmen jährlich.

Er vergleich hier allerdings Äpfel mit Birnen. Denn die drei Milliarden Euro beziehen sich auf die gesamte Beitragsperiode von vier Jahren – es sind also 750 Millionen Euro pro Beitragsjahr. Die acht Milliarden Euro beziehen sich aber auf nur ein Beitragsjahr. Innerhalb von vier Jahren sind es also 32 Milliarden Euro.

Mit diesem irreführenden Vergleich werden die Summen in ein falsches Verhältnis gesetzt, unterstützen damit aber Hanfelds Kommentar, dass das „viel zu viel“ sei.

Das kann kein Zufall sein. Denn schon im Januar 2018 hat Hanfeld genau diesen schiefen Vergleich angestellt.

Auch wenn die FAZ inzwischen offenbar auf ihre Diffamierung der öffentlich-rechtlichen Sender als „Staatsfunk“ verzichtet, so schafft sie es doch nicht, den Fakten durchgehend gerecht zu werden.

 

Offenlegung: Ich arbeite für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Was Radio alles kann – Geschichten über ein Massenmedium

In den vergangenen vier Wochen haben wir bei @mediasres im Deutschlandfunk gezeigt, was Radio als urdemokratisches Medium alles kann. Vom „Hörfunk als akustisches Lagerfeuer“ bis zum „Hörfunk als Experimentierfeld“. Dazu haben Kolleg*innen und ich sieben Mini-Features recherchiert und geschrieben. Hier ist die Folge, die ich gemeinsam mit Isabelle Klein gemacht habe.

Am Tag der deutschen Einheit läuft nun die Quintessenz der Reihe. In „Radio aktiv – Demokratie auf Empfang“ hat Regisseurin Natia Koukouli-Marx, die schon für die wunderbaren Einzelfolgen verantwortlich war, noch mal das Beste zusammengefügt. Es ist eine intensive Klangcollage geworden – mit Originaldokumenten aus fast 100 Jahren Radio, O-Tönen, Jingles, Musiken, kommentiert von drei Radiomachern: Carmen Thomas, Max von Malotki und Astrid Kuhlmey. Zu hören gibt es das Feature am Donnerstag zwischen 15.30 und 16 Uhr im Deutschlandfunk und jetzt schon online.

Ein paar Morde sind kein Drama

Wenn ein Mann seine aktuelle oder ehemalige Partnerin umbringt und die Kinder gleich mit, so nennen Polizei-Pressestellen und Journalisten das gerne mal ein „Familiendrama“. Das ist ein problematischer Begriff, denn er macht aus einer Straftat zum einen eine private Angelegenheit, die nur die Familie angehe, und zum anderen etwas Theatralisches.

Tatsächlich haben Journalisten immer noch nicht gelernt, auf den Begriff zu verzichten und die Ereignisse mit neutralen Worten zu beschreiben. Die Intiative Gender Equality Media hat sich daran gestört, dass die Deutsche Presse-Agentur (dpa) als wichtige Quelle für die Berichterstattung in deutschen Medien diese Formulierung immer noch nutzt. Sie hat der dpa einen offenen Brief geschrieben (PDF) und auf die problematischen Implikationen hingewiesen. Unter anderem heißt es dort:

Bei Tätern mit muslimischen Hintergrund ist oft von “Ehrenmord” die Rede,während bei “deutschen” Tätern der bagatellisierende Begriff “Familiendrama” oder“Eifersuchtsdrama” verwendet wird. So wird Gewalt von Männern gegenüber Frauen*, bzw.ihren (Ex-)Partnerinnen, auf einzelne Kulturkreise abgewälzt. Dabei handelt es sich um eingesamtgesellschaftliches Problem. Würden wir nicht mehr jedes Mal „Familiendrama“lesen, wenn eine Frau durch ihren (Ex-)Partner ermordet wurde, sondern “Femizid”, so wäresichtbar, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt und nicht um Einzelfälle.

Zu den problematischen Begriffen, von denen die dpa ohnehin viele schon nicht benutze, gehören laut den Aktivist*innen außerdem:

  • „Sex-Sklavin“
  • „Sex-Täter“
  • „Kinderprostituierte“
  • „Familiendrama“
  • „Eifersuchtstragödie“
  • „Kopftuchfrauen“

In einem Anhang beschreiben sie, was sie daran problematisch finden.

Mittlerweile hat ihnen zufolge auch dpa-Nachrichtenchef Froben Homburger reagiert. In seiner Antwort schrieb er demnach:

Den verharmlosenden ‚Sextäter‘ wollen wir eigentlich auch schon seit längerem nicht mehr verwenden, manchmal rutscht diese Formulierung aber noch durch. Hier werden wir Ihr Schreiben gerne zum Anlass nehmen, die Kolleginnen und Kollegen daran zu erinnern.

Die dpa gab den Aktivist*innen an, bei den Begriffen „Familien- bzw. Beziehungsdrama oder –tragödie“ noch in internen Diskussionen zu stecken. Es wäre wünschenswert, wenn sie auch darauf verzichten würde. Erfreulich ist vor allem die Offenheit, auf solche Denkanstöße zu reagieren.