„Schreiben Sie uns!“ – Wie können Medien es schaffen, dass alle mitreden?

Viele Redaktionen sammeln täglich tausende Kommentare von Nutzerinnen und Nutzern ein – auf ihren eigenen Webseiten und in sozialen Netzwerken. Doch oft dominieren die Lauten die Diskussion und geben ihre Richtung vor. Die Stillen lesen oder hören mit, bringen sich aber nicht ein – aus Bescheidenheit oder Angst vor Öffentlichkeit.

So geht es uns auch bei „Nach Redaktionsschluss“. Dabei sollten auch die Stimmen derjenigen gehört werden, die sich nicht nach vorne drängen. Wie schaffen Redaktionen das?

Darüber haben wir live auf der re:publica 2022 gesprochen: Sören Brinkmann (@mediasres) mit Sina Laubenstein (Gesellschaft für Freiheitsrechte), Frida Kammerer (Community Management der Tagesschau) und Romy Mlinzk (Bundesvereinigung Community Management). Die Produktion habe ich besorgt.

Einspruch!

Verschwörungserzählungen und Fake News spielen im öffentlichen Diskurs mittlerweile eine viel größere Rolle als noch vor vielen Jahren – und manchmal auch beim Kontakt mit Familie und Freunden. Wie soll man damit umgehen? Die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig hat dazu jetzt eine Handreichung geschrieben. Der Titel: „Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online“. Für „Andruck“ im Deutschlandfunk habe ich sie vorgestellt (Audio-Link).

Die Macht der Bilder: „Bilder unterstützen den Hass“

Bombastische Filmszenen, die einem Hollywood zur Ehre gereichen, Wirtschaftsbosse, die Menschen wie Marionetten dirigieren. „Hass wird durch Bilder ästhetisiert“, sagt der Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff im Deutschlandfunk. Vor kurzem ist sein Buch „Hassbilder“ erschienen. Darüber habe ich mit Daniel Hornuff im Deutschlandfunk gesprochen.

Schützt die Pressefreiheit!

Gegen die freien Journalisten Julian Feldmann, David Janzen und André Aden wollen Hunderte Neonazis am 23.11.2019 in Hannover demonstrieren. Als Journalist*innen und Medienschaffende verurteilen wir die Drohungen und Anschläge auf unsere Kollegen. Wir rufen mit dazu auf, sich an den Protesten gegen die Demonstration zu beteiligen und fordern Maßnahmen zum Schutz der Pressefreiheit. 450 Einzelpersonen, 20 Verbände und 17 Redaktionen haben den Aufruf bereits unterzeichnet.

Darunter auch ich.

Angriffe sind trauriger Alltag

Rechtsextreme hassen Menschen, die über ihre Veranstaltungen, Vereine, Parteien und Straftaten berichten. Die Kollegen Julian Feldmann, David Janzen und André Aden arbeiten seit über zehn Jahren als freie Journalisten und sind, wie so viele, ins Fadenkreuz der braunen Szene geraten.

Der Hass auf die Kollegen geht so weit, dass sie regelmäßig Morddrohungen erhalten. Ein hochrangiger Neonazi-Kader sprach auf mehreren Veranstaltungen über Julian Feldmann und erwähnte dabei einen Revolver, der schon bereit liege.

David Janzen wurde von einem bekannten Braunschweiger Neonazi mit den Worten “Heute Walter [Lübcke, Anm. d. V.], morgen Janzen” bedroht. Diesen Drohungen folgen Taten, auf Janzens Privatwohnung gab es dieses Jahr bereits mehrere Anschläge.

Von zahlreichen Rechtsextremismus-Expert*innen sammeln Neonazis derzeit Bilder, öffentliche sowie private Daten. In Telegram-Gruppen der Szene wurde ein entsprechender Aufruf verbreitet. Offenbar wird ein breit angelegtes Doxxing vorbereitet, zum Schaden der Kolleg*innen.

Wir als Journalist*innen und Medienschaffende verurteilen die geplante Demonstration in Hannover, die Drohungen und Angriffe gegen unsere Kollegen. Wir rufen dazu auf, sich an den Protesten gegen die pressefeindliche Demonstration zu beteiligen.

Angriffe auf Journalist*innen und Eingriffe in deren Privatleben sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Bei Szene-Veranstaltungen werden Journalist*innen regelmäßig Opfer rechter Gewalt. Die NPD-Demonstration in Hannover ist der nächste Schritt, um Kollegen das Leben zur Hölle zu machen.

Auch neurechte Kleinstgruppen organisieren Angriffe auf die freie Berichterstattung. In zahlreichen Texten werden Journalist*innen verächtlich gemacht und denunziert. Kritische Journalist*innen werden mit kostenintensiven Unterlassungserklärungen, Klagen und Anzeigen überzogen. Fotos von Kolleg*innen werden über Szene-Medien gezielt verbreitet und zur Markierung potentieller Angriffsziele benutzt.

Mit Falschinformationen wird zusätzlich versucht, den Ruf der Kolleg*innen zu schädigen. Redaktionen sollen davon abgehalten werden, denunzierten Journalist*innen Aufträge zu geben. Innerhalb der Szene sind die Texte dafür da, Informant*innen von Gesprächen mit szenekundigen Reporter*innen abzuhalten.

Der Rechtsweg gegen solche Veröffentlichungen ist häufig aussichtslos, mit hohen Kosten verbunden und zeitraubend. Ziel der extremen Rechten ist es, Journalist*innen fertig zu machen, bis sie ihre Arbeit aufgeben.

Maßnahmen ergreifen!

Vom Presserat, allen demokratischen Verleger*innen und Redaktionen sowie den Landesmedienanstalten erwarten wir, dass sie sich mit den von Hass und Drohungen betroffenen Kolleg*innen solidarisch zeigen und ihnen ihre Unterstützung anbieten.

Von den demokratischen Parteien und ihren Abgeordneten erwarten wir, dass sie Gesetze auf den Weg bringen, um Journalist*innen bei ihrer Arbeit besser zu schützen.

Wir fordern:

  • Vereinfachte Verfahren für Auskunftssperren beim Einwohnermeldeamt für Journalist*innen
  • Neuregelung der Impressumspflicht, um Privatadressen von Journalist*innen und Blogger*innen besser zu schützen
  • Bundesweit verpflichtende Schulungen von Polizist*innen für den Umgang mit Medienvertreter*innen
  • Ein Bekenntnis aller Polizeibehörden zu den Verhaltensgrundsätzen für Presse/Rundfunk und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen
  • bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung von 1993
  • Sensibilisierung von Staatsanwaltschaften und Gerichten für Angriffe auf Journalist*innen und konsequente Anwendung aller rechtlichen Möglichkeiten
  • Die Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten durch die Versammlungsbehörde, um Hass und Hetze gegen unsere Kollegen am 23.11.2019 in Hannover zu verhindern

Den Aufruf inklusive aller Unterzeichnenden finden Sie hier (PDF).

„Zu 99,9 Prozent eine PR-Offensive“

Dass Facebook zu viel Macht hat, sieht inzwischen selbst Mark Zuckerberg so. Sagt er. Der Facebook-Chef fordert deswegen nun auch, sein Unternehmen stärker zu regulieren. Dieser Vorstoß sei allerdings vor allem eine Marketing-Maßnahme, meinte Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller im Dlf. Er hat mir erzählt:

Für mich ist das zu 99,9 Prozent eine PR-Offensive von einem Unternehmen, was es nötig hat, was in den USA unter Druck ist, was in Australien, Neuseeland unter erheblichem Druck ist, und dem auch in Europa mit viel Misstrauen begegnet wird.

Was aus Hasskampagnen entstehen kann

Ich hab mich hier immer wieder mit Hass und Hetze beschäftigt. Wer mal eine andere Herangehensweise als eine journalistische haben will, kann sich das Hörspiel „Die Kommentare sind frei“ von James Fritz anhören, das der WDR inszeniert hat. Darum geht’s laut Klappentext:

Alistair Cooper ist Kolumnist und politischer Kommentator. Mit seinen aufpeitschenden Statements dominiert er hochkochende gesellschaftliche Debatten. Zunehmend gerät die Spirale der Emotionen in den sozialen Netzwerken außer Kontrolle. Cooper erntet Hass, vielstimmigen Hass. Bis alles eskaliert und die öffentliche Meinung kippt.

Das Hörspiel setzt Dynamiken medialer Ereiferung in Szene, schreibt der Sender dazu, und stellt die Frage nach unserer Verantwortung für das, was aus Kommentarfeldern erwachsen kann.

Das Hörspiel kann man hier nachhören und downloaden.

Tutzinger Radiotage: Herausfordernde Zeiten fürs Radio

(Foto: Stefan Fries)

In Tutzing haben Radiomacher aus ganz Deutschland über die Zukunft der Branche diskutiert. Wie umgehen mit Hass, wie mit der AfD und welche sind die Hörgewohnheiten der Zukunft? Ich habe im WDR5-Medienmagazin „Töne, Texte, Bilder“ über die Tagung erzählt.

Tutzinger Radiotage: Rezepte für die Zukunft

(Foto: Stefan Fries)

Dass viele Menschen morgens vom Radio geweckt werden, ist Alltag in Deutschland. Genauso selbstverständlich könnte es werden, dass man sich mit seinem Radiogerät unterhält. Bei den Tutzinger Radiotagen wurde über aktuelle Trends diskutiert. Mein Beitrag über #tura18 in @mediasres im Deutschlandfunk.

Bedrohte Journalisten vermissen Solidarität gegen Hass und Hetze

Journalisten sind Ziel von Hetze und Drohungen – weil sie nicht so berichten, wie sich manche das wünschen. Eigentlich müssten sie zusammenstehen. Doch Betroffene fühlen sich teils von Kollegen und Chefs im Stich gelassen. Mein Beitrag für @mediasres im Deutschlandfunk.

Warum sind die Rechten so hip im Netz?

Darüber hat die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig auf der Republica gesprochen. Sie erklärt, warum Hass und Hetze im Netz besonders stark verbreitet sind und warum rechtspopulistische Parteien wie AfD und FPÖ besonders erfolgreich sind.

Brodnig schlägt auch Lösungen vor, wie man Hass und Hetze im Netz begegnen kann. Sie verweist auf die sogenannten Reactions bei Facebook, bei denen man auf „Like“ klicken kann oder auf Emojis wie Wut. Sie fordert, zum Beispiel einen Knopf mit „Respekt“ einzuführen. Damit könne man eine fremde Meinung anerkennen, ohne sie sich zu eigen zu machen. Das verändere die Diskussionskultur. Sie wirft die Frage auf, wie Technik designet sein kann, wenn wir das Beste des Menschen sichtbar machen wollen.

Rechte sind nach Brodnigs Ansicht im Netz besonders fleißig. Die Gegner von Rechtsextremismus vertrauten allerdings sehr oft darauf, dass sich das bessere Argument durchsetzen werde. „Mit Fakten alleine gewinnt man leider keine politischen Diskussionen“, hat Brodnig festgestellt. Selbst wenn man eine emotionale Behauptung mit Fakten konfrontiere und diese Fakten geglaubt würden, wirke das emotionale Narrativ dennoch weiter. Neben Fakten brauche man also auch eine überzeugende Erzählung, die die etablierten Parteien eher nicht lieferten.