In Düsseldorf steht seit gestern eine Internet-Persönlichkeit wegen Betrugs vor Gericht. Der 34-Jährige Abdelhamid war ein salafistischer Prediger und sammelte zum Beispiel über Instagram und TikTok Spenden – angeblich für humanitäre Hilfsprojekte. Aber einen Großteil der Gelder zweigte er für sich selbst ab – laut Anklage 500.000 Euro. Das hat er gestern grundsätzlich auch zugegeben. Mit Abdelhamid ist seine Lebensgefährtin angeklagt.
An der Berufung von Thilo Mischke als ttt-Moderator gab es zum Jahreswechsel viel Kritik. Nach zwei Wochen öffentlichen Drucks trennte sich die ARD von Mischke und kündigte an, die Vorgänge journalistisch aufzuarbeiten. Doch jetzt verzichtet sie darauf, sagte mir MDR-Kulturchefin Jana Cebulla im Deutschlandfunk. Man wolle nicht, dass allen Beteiligten noch mal geschadet wird.
Bild: ARD/Marc Rehbeck
Dlf: Sechs Monate ist der Fall Thilo Mischke jetzt her. Der preisgekrönte Investigativjournalist sollte neuer Moderator des Kulturmagazins „Titel, Thesen, Temperamente“ im Ersten werden. Dann gab es Sexismusvorwürfe gegen ihn. Nach öffentlichem Druck verzichtete die ARD zwei Wochen später auf Mischke als Moderator. Die ARD teilte mit, die Diskussion habe dem Ansehen der ARD geschadet. Jetzt haben die Intendantinnen und Intendanten entschieden, neue Strukturen zu schaffen, damit so was nicht noch mal passieren kann. Sie bündeln die Verantwortung für ttt beim Mitteldeutschen Rundfunk und bei seiner Kulturchefin Jana Cebulla. Frau Cebulla, was bedeutet das, dass Sie jetzt die Federführung übernehmen?
Jana Cebulla: Die Federführung bedeutet, dass wir Prozesse besser bündeln. Wir haben ja sechs ARD-Anstalten, die an ttt beteiligt sind und das auch schon viele Jahre. Aber es hat sich gezeigt, dass es gut ist, wenn einer ein bisschen das Heft in die Hand nimmt und das betrifft natürlich die Kommunikation, aber es betrifft auch das Gestalten der Marke. Weil, wir müssen uns in Zukunft ja auch ein Stück weit aufstellen. Wir wissen, dass sich das Mediennutzungsverhalten ändert und wir wollen die Marke ttt liebevoll auch für andere Zielgruppen verlängern. Und diesen Prozess zu gestalten, das ist eine der Aufgaben, die die Federführung innehat, genauso wie das Thema Kommunikation.
Dlf: Dazu muss man sagen, „titel, thesen, temperamente“ wird von sechs Redaktionen in sechs ARD-Anstalten gemacht. Das heißt, jede Sendung kommt von einer unterschiedlichen Anstalt, tritt aber unter derselben Marke auf. Sie sagen jetzt selber, dass auch die Kommunikation gebündelt werden soll. In der Diskussion Anfang des Jahres gab es ja kaum Beteiligung der ARD. Und nach zwei Wochen Klagen von der Programmdirektorin Christine Strobl, dass man die Diskussion gar nicht richtig führen könnte. Stellen Sie sich künftig so einer Diskussion?
Jana Cebulla: Das wäre dann meine Aufgabe, gemeinsam mit der MDR-Kommunikation und darum ging es ja auch. Ich stolpere ein bisschen über dieses, es wurde gar nicht kommuniziert, weil das entspricht überhaupt nicht meinem Leben…
Dlf: …es gab Statements, aber es gab keinen Austausch von Argumenten.
Jana Cebulla: Es gab keinen Austausch von Argumenten und das ist auch ein Fehler, der passiert ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass in der Zeit um Weihnachten und Neujahr wir viel kommuniziert haben in der ARD. Nur am Ende gab es eben diese eine Verantwortung, die gefehlt hat, zu sagen, da gehe ich jetzt raus. Und aus diesen Fehlern hat die ARD gelernt und hat gesagt, das müssen wir künftig besser aufstellen, denn das schadet dem Ansehen aller Beteiligten und das wollen wir nicht. Und deswegen haben wir ganz klar eine Federführung aufgesetzt. Die Intendantinnen und Intendanten haben gesagt, wir wollen das. Und der MDR hat sich hier angeboten und übernimmt das auch gern.
„Wir arbeiten es nicht journalistisch auf, weil einfach nicht klar ist, wie das ausgehen kann“
Dlf: Sie sprechen die Fehler schon an. In einem ARD-Statement im April, wo Sie das jetzt angekündigt haben, was jetzt entschieden wurde, heißt es, es seien Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Wer hat welche Fehler gemacht?
Jana Cebulla: Am Ende sind es sechs beteiligte ARD-Anstalten und wer welchen Fehler gemacht hat, das ist wirklich schwer zu sagen. Am Ende war es leider die Situation, die dazu geführt hat, dass es so ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist. Dieses Thema, wer kommuniziert an welcher Stelle, war natürlich mit Schwierigkeiten behaftet. Und so wirkte es, als würden wir uns wegducken, was wir aber nicht getan haben. Und wir haben das Thema aufgearbeitet in einem Bericht und haben daraus die Konsequenzen gezogen. Diese eine Person, sehen Sie es mir nach, die ist nicht zu benennen und das wird es auch nicht geben.
Dlf: Es muss ja nicht eine Person sein, aber vielleicht können Sie mehrere Personen benennen.
Jana Cebulla: Auch das nicht. Es ist ja eine gemeinschaftliche Entscheidung gewesen und das ist auch eben in der föderalen ARD so. Am Ende wollen wir uns gemeinschaftlich einer Sache widmen und dann müssen wir auch gemeinschaftlich kommunizieren. Und da hakte es an dieser Stelle zu sagen: Okay, was heißt denn diese gemeinschaftliche Kommunikation, wer geht denn jetzt nach vorne? Und diese, etwas ungenaue Verantwortung hat dazu geführt, dass es eben zu lange gedauert hat und das war ein großer Fehler und der wird in Zukunft nicht mehr passieren.
Dlf: Als Konsequenz hatte die ARD im Januar auch angekündigt, den Fall journalistisch aufzuarbeiten. Gibt es diese Aufarbeitung? Öffentlich?
Jana Cebulla: Wir haben das lange diskutiert. Also ich kann Ihnen vielleicht mal einen kurzen Einblick in den Prozess geben, den ich jetzt gestalte als MDR-Federführung. Wir haben uns zusammengesetzt in einem Workshop mit den Redaktionen und den beteiligten Redakteurinnen und Redakteuren und haben genau diese Frage diskutiert: Was wollen wir an dieser Stelle journalistisch aufarbeiten? Und wir haben uns gefragt, können wir an dieser Stelle etwas journalistisch aufarbeiten, ohne dass alle Beteiligten am Ende nicht noch mehr wieder im Schussfeld stehen oder vielleicht falsch dargestellt werden? Und deswegen haben wir uns entschieden, an dieser Stelle, heute, erstmal zu sagen, wir arbeiten es nicht weiter journalistisch auf, weil einfach nicht klar ist, wie das ausgehen kann.
ARD will Mitte 2026 neuen Moderator verkünden
Dlf: Das wurde damals angekündigt, damals beim ARD-Vorsitzenden Florian Hager auch nochmal nachgefragt, wie der Stand der Dinge ist vor ein paar Monaten, das heißt, daraus wird jetzt gar nichts. Das haben Sie bisher nicht so verkündet.
Jana Cebulla: Genau. Also jetzt sind ja sechs Monate seitdem vergangen, und natürlich, mit Abstand betrachtet, schaut man da drauf. Der erste Impuls ist natürlich zu sagen, wir von ttt sind Journalistinnen und Journalisten. Und es liegt ja nahe zu sagen: Können wir das journalistisch aufarbeiten? Und die Idee war auch da. Nur wenn man jetzt sechs Monate auf die vergangene Zeit zurückschaut, muss man sich fragen, an welcher Stelle ergibt etwas Sinn. Und was wir nicht wollen, ist, dass nochmal allen Beteiligten geschadet wird. Und deswegen sind wir an diesem Punkt so, dass wir sagen: Heute gibt es keine journalistische Aufarbeitung. Wenn wir eine Idee haben, etwas zu tun, dann würden wir darauf zurückkommen.
Dlf: Also Transparenz schadet.
Jana Cebulla: Transparenz schadet, inwiefern?
Dlf: Ja, wenn Sie sagen, Sie wollen nicht, dass nochmal alles diskutiert wird. Aber Transparenz über die Vorgänge damals könnte ja auch Vertrauen schaffen.
Jana Cebulla: Nein, das glaube ich eben nicht, weil es ist auch wirklich ein sehr, sehr interner Prozess, der da schiefgelaufen ist. Und an dieser Stelle würde man tatsächlich wieder etwas aufmachen, wo wir sagen, wir schauen jetzt nach vorne. Und das ist in diesem Fall keine fehlende Transparenz, sondern eine Weitsichtigkeit, zu sagen, wie gehen wir jetzt mit der Marke ttt weiter um?
Dlf: Angekündigt waren auch verbindliche Kriterien für Casting-Prozesse für ARD-Sendungen. Wie sehen die in Zukunft aus?
Jana Cebulla: Da sind wir gerade im Prozess tatsächlich. Also wichtig ist zu wissen, dass wir mit Siham El-Maimouni eine sehr, sehr gute Moderatorin haben, mit der wir in der Vergangenheit sehr happy waren und auch jetzt sehr happy sind. Aber natürlich ist es so, dass auch Siham El-Maimouni eine gut gebuchte Moderatorin ist. Und wir müssen uns fragen, wer kann mindestens im Vertretungsfall dann dort die Sendung übernehmen. Und ja, es ist ein Prozess, den wir jetzt gestartet haben. Gestern haben die Intendantinnen und Intendanten die Verwaltungsvereinbarung final unterschrieben. Wir haben verschiedene Gruppen gegründet, wo eine Gruppe sich auch „Casting“ nennt. Und wir werden jetzt diese verbindlichen Kriterien finden. Und wir nehmen uns schon ein bisschen Zeit für den Prozess, denn was nicht passieren darf, ist, dass es wieder so ausgeht, wie es ausgegangen ist. Das wollen wir definitiv verhindern. Und deswegen werden wir voraussichtlich Mitte 2026 eine neue Moderatorin oder einen neuen Moderator verkünden.
Dlf: Aber wir wissen noch nicht, wie der gefunden wird.
Jana Cebulla: Nein, das wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass wir unser Anforderungsprofil ein Stück weit ergänzt haben zu dem, was wir damals schon hatten, und haben es nochmal ergänzt um das Thema journalistische Expertise und Glaubwürdigkeit im Kulturbetrieb, denn das war ja etwas, was sozusagen auch wichtig war in der Rückschau und wie es auch öffentlich diskutiert wurde.
„Das möchten wir nicht nochmal“
Dlf: Also es war ein Vorwurf gegen Thilo Mischke, er sei kein Kulturjournalist und hätte einen unterkomplexen Kulturbegriff, das hat er selber ja auch so formuliert, das war damals der Vorwurf. Das wollen Sie nicht nochmal?
Jana Cebulla: Das möchten wir nicht nochmal.
Dlf: Die F.A.Z. hat damals im Januar berichtet, dass Thilo Mischke das Casting eigentlich gar nicht gewonnen hatte. Bei den Redaktionen soll ein Konkurrent vorne gelegen haben mit vier zu zwei Stimmen und trotzdem haben sich dann die Kulturchefs für Mischke entschieden. Sie auch?
Jana Cebulla: Am Ende ist es eine konsensuale Entscheidung und ich war Teil des Ganzen, das muss man sagen. Und gerade weil es eben keinen Kandidaten gab, der hervorgestochen hat, wurde eine Zuschauerbefragung gemacht. Es wurde also ein Nutzer-Testing gemacht. Und in diesem Nutzer-Testing punktete Thilo Mischke eben in Sachen Vertrauen und Glaubwürdigkeit und punktete ein bisschen besser in diesen Punkten – und nicht im Thema Kultur, das ist im Nachgang vielleicht nicht die richtige Entscheidung gewesen – punktete er besser. Und am Ende haben die Kulturchefs und Kulturchefinnen der ARD gesagt, dann trauen wir dem Zuschauervoting oder dem Zuschauertest und gehen mit Thilo Mischke ins Rennen.
Dlf: Machen Sie das künftig auch? Zuschauertests?
Jana Cebulla: Ja, das tun wir auch. Aber vielleicht bewerten wir es dann anders.
Anmerkung: In der Transkription des Interviews sind einige sinnwahrende Glättungen vorgenommen worden, um es lesbar zu machen.
Auf einem Video von den Demonstrationen in Los Angeles gegen das Vorgehen der Regierung von US-Präsident Trump sieht man, wie ein Polizist mit Gummigeschossen auf eine Journalistin schießt.
Watch the slow motion: it appears to me that the officers discuss the photographer and reporter before the one on the end fires on them (it looks to me like he's aiming at the camera, not the reporter, but you decide)
Im Jahr 2024 ist die Zahl der offiziellen Programmbeschwerden gegen ARD, ZDF und das Deutschlandradio stark gestiegen. Die Sender und ihre Rundfunkräte, die sie beaufsichtigen, haben rund 60 Prozent mehr davon registriert. Insgesamt waren es 1.129, die Räte haben fünf davon stattgegeben.
Der Anstieg geht vor allem auf konzertierte Massenbeschwerden zurück, die über das Portal rundfunkalarm.de kamen. Auf diesem Weg gingen bei ARD und ZDF im vergangenen Jahr rund 48.000 Beschwerden ein. Die waren aber hauptsächlich an die Sender selbst gerichtet und konnten dort wie Hörerpost beantwortet werden.
Die Zahl der Beschwerden bei den Rundfunkräten, die offizielle Verfahren einleiten können mit ggf. stärkeren Konsequenzen für die Sender, ist dagegen nur leicht gestiegen. Allerdings hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg einen Teil der Massenbeschwerden als offizielle Programmbeschwerden anerkannt und in die entsprechende Statistik aufgenommen. Das erklärt, warum er für 2024 insgesamt 280 Beschwerden auflistet, während es im Vorjahr nur 23 waren.
Der Eurovision Song Contest vom Wochenende hat nicht nur Freude über den Sieger JJ aus Österreich hervorgebracht. Er hatte zwar die meisten Punkte von den nationalen Musikjurys bekommen, die meisten Punkte von den Zuschauerinnen und Zuschauern gingen aber an den Beitrag aus Israel von Sängerin Yuval Raphael, die von den Jurys gar nicht so viele Punkte bekommen hat.
Weil das so auseinanderklafft, hinterfragen mindestens zwei beteiligte Sender jetzt das Abstimmungssystem für den ESC. Darüber habe ich für Deutschlandfunk Kultur und den Deutschlandfunk berichtet.
Die Spielshow ist eines der ältesten TV-Formate und bis heute beliebt. Ihre Anfänge liegen im Radio – auch dank des Showpioniers Hans Rosenthal, der im April 100 Jahre alt geworden wäre. Michael Borgers und ich blättern zu seinem Geburtstag und zu 75 Jahren ARD durchs Fotoalbum der Spielshow.
Medien haben in den letzten Tagen und Wochen über steigende Umfragewerte für die AfD geschrieben – teils in alarmierter Weise. Einige werteten das als Misstrauen gegenüber dem wahrscheinlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz und als Reaktion auf die Zwischenergebnisse aus den Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD.
In der Berichterstattung über den Koalitionsvertrag, der noch von CDU und SPD gebilligt werden muss, bevor er unterzeichnet werden kann, wurden auch kritische Töne laut.
Dabei hielten sich Medien in der Vergangenheit oft an eine ominöse Frist von 100 Tagen, bevor sie eine Bundesregierung bewerteten (zum Ursprung hier die taz). Was ist aus dieser Frist geworden?
Der „Stern“-Chefkorrespondent Nico Fried findet die Frist im Prinzip sinnvoll, hält es aber auch für unerlässlich, dass Medien Zwischenergebnisse bewerten. Was die Dynamik von Umfragen angeht, kritisiert er zwar auch die ständige Veröffentlichung von Sonntagsfragen gerade in der Phase der Regierungsbildung, nennt aber Medien in der Angelegenheit aufgeregter als die Politik selber. Ich habe mit ihm für den Deutschlandfunk darüber gesprochen.
DIE ZEIT und die Süddeutsche Zeitung haben gestern darüber berichtet, dass der Bundesnachrichtendienst die Vermutung hat, dass das Coronavirus doch aus einem chinesischen Labor stammte. Die Rede ist von einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 95 Prozent.
Doch was bedeutet das? Denn wir reden ja nicht über lange Zeitreihen, aus denen man solch eine Wahrscheinlichkeit errechnen könnte, sondern es ist eine politische Einschätzung auf der Grundlage andersartiger Erkenntnisse.
Wie Medien darüber berichten könnten, habe ich heute im Deutschlandfunk mit Volker Hahn gesprochen, Leiter der Wissenschaftskommunikation beim Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Halle, Jena und Leipzig.
In der Debatte über 500 bis 1.000 Milliarden Euro Sondervermögen geht oft unter, dass das gar kein eigentliches Vermögen ist. Es sind eigentlich Schulden. Aus gegebenem Anlass habe ich eine Episode unseres Sprachchecks „Sagen und Meinen“ aktualisiert.
Im laufenden Jahr 2024 sind laut der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ 54 Journalistinnen und Journalisten getötet worden – bei oder wegen ihrer Arbeit. Mehr als 550 saßen oder sitzen im Gefängnis.
Die Geschäftsführerin der deutschen Sektion, Anja Osterhaus, hat mir im Interview bei @mediasres im Deutschlandfunk erzählt, warum die meisten von ihnen in den palästinensischen Gebieten getötet wurden und welche Länder noch gefährlich waren.