Naiv auf Fake-Video reagiert

Schlechte Nachrichten für die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Erst hat sie bei ihrer Wiederwahl als SPD-Landesvorsitzende relativ schlecht abgeschnitten, seit dem Wochenende muss sie sich damit rumschlagen, dass sie betrogen worden ist. Sie glaubte, in einer Videokonferenz mit dem Kiewer Bürgermeister Vitalo Klitschko verbunden zu sein, aber das stellte sich als Fälschung heraus.

Eine Erfahrung, die zuvor auch die Bürgermeister von Madrid, Wien, Budapest und Warschau gemacht haben. Aber nicht nur die Politik hat die Gefahren des Informationskriegs noch nicht ausreichend im Blick, sondern auch Medien. Meine Medienkolumne für Politikum in WDR5.

Rewatching re:publica: Lehren aus dem Informationskrieg

Die Vorträge des Tübinger Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen auf der Republica sind eigentlich immer sehens- und hörenswert. Nicht nur, weil er sie vollständig frei hält, sondern auch, weil er sich immer kluge Gedanken zu aktuellen Medienthemen gemacht hat.

In diesem Jahr sprach er darüber, welche Lehren wir aus dem Informationskrieg zwischen Russland und der Ukraine ziehen können. Er nimmt Bezug auf einen Mann in der Ukraine, der versucht hat, seinem Vater in Russland klarzumachen, dass dort tatsächlich ein Angriffskrieg durch Russland stattfindet. Was dieser nicht glauben will, weil ihm die Propaganda im Staatsfernsehen etwas anderes weisgemacht hat – erfolgreich.

Pörksen erklärt, wie es dem Mann gelungen ist, seinen Vater doch noch zu überzeugen – und welche Angriffe auf Informationsebene schiefgegangen sind und warum.

ARD stellt Berichterstattung aus Moskau ein

Wer aus Russland über den Angriffskrieg gegen die Ukraine berichten will, muss mit harten Strafen rechnen. Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Freitag mehrere Gesetze unterzeichnet, mit denen die freie Meinungsäußerung beschnitten wird. Unter anderem für angebliche Falschinformationen über den Krieg drohen bis zu 15 Jahre Haft – auch für ausländische Korrespondenten. ARD, ZDF und das Deutschlandradio haben daraufhin am Wochenende beschlossen, ihre Berichterstattung aus Russland selbst einzustellen. Mein Bericht für die ARD-Radiosender.

Medienaufsicht droht RT DE Bußgeld an

Eigentlich hatte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg dem staatlichen russischen Propagandasender RT DE schon Anfang Februar verboten, weiter live zu senden. Er hatte nicht mal eine Sendelizenz beantragt.

RT sendet trotzdem weiter – weil er gegen das Verbot klagt. Nur ein Eilantrag sorgt eigentlich dafür, dass weiter gesendet werden darf, den hat RT aber gar nicht gestellt, die Medienanstalt aber erwartet. Deswegen sendete er einfach weiter – ohne Konsequenzen.

Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat die Anstalt nun RT DE ein Bußgeld in Höhe von 25.000 Euro angedroht, falls RT am Samstag noch auf Sendung ist – oder einen Eilantrag stellt.

Darüber habe ich für @mediasres im Deutschlandfunk berichtet.

YouTube gegen RT DE – gut und schlecht zugleich

YouTube ist vorige Woche verstärkt gegen Desinformation rund um das Coronavirus und die Corona-Impfung vorgegangen. Die Google-Tochter hat deswegen unter anderem die Kanäle des russischen Propagandasenders RT DE zunächst gesperrt und dann gelöscht: RT DE selbst und die Sendung „Der fehlende Part“. Die Löschung ist einerseits zu begrüßen, andererseits aber auch problematisch, habe ich im Deutschlandfunk kommentiert (Dlf-Audiothek).

Einspruch!

Verschwörungserzählungen und Fake News spielen im öffentlichen Diskurs mittlerweile eine viel größere Rolle als noch vor vielen Jahren – und manchmal auch beim Kontakt mit Familie und Freunden. Wie soll man damit umgehen? Die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig hat dazu jetzt eine Handreichung geschrieben. Der Titel: „Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online“. Für „Andruck“ im Deutschlandfunk habe ich sie vorgestellt (Audio-Link).

Falschnachrichten nach Hanau und Volkmarsen: „Sie wollen Menschen beeinflussen“

Nach besonderen Ereignissen wie dem in Volkmarsen kursieren oft sehr schnell Falschnachrichten im Netz. Ihre Verbreiter würden damit ein Informationsvakuum nutzen, sagte Kommunikationsforscherin Katharina Kleinen-von Königslöw im Dlf. Denn etablierte Medien seien auf gesicherte Quellen angewiesen.

Mein Interview mit Katharina Kleinen-von Königslöw in @mediasres im Deutschlandfunk.

„Zu 99,9 Prozent eine PR-Offensive“

Dass Facebook zu viel Macht hat, sieht inzwischen selbst Mark Zuckerberg so. Sagt er. Der Facebook-Chef fordert deswegen nun auch, sein Unternehmen stärker zu regulieren. Dieser Vorstoß sei allerdings vor allem eine Marketing-Maßnahme, meinte Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller im Dlf. Er hat mir erzählt:

Für mich ist das zu 99,9 Prozent eine PR-Offensive von einem Unternehmen, was es nötig hat, was in den USA unter Druck ist, was in Australien, Neuseeland unter erheblichem Druck ist, und dem auch in Europa mit viel Misstrauen begegnet wird.

Vorgetäuschte Ermordung Akardi Babtschenkos: „Es war sehr schwer, Zweifel zu haben“

Im Fall des vorgetäuschten Mordes am russischen Journalisten Arkadi Babtschenko in der Ukraine erkennt Journalismus-Forscher Tanjev Schultz kein Versagen der Medien. Alles habe für eine Ermordung des Journalisten gesprochen, sagte Schultz im Dlf. Wenn sich mehrere Quellen miteinander absprächen, komme man als Journalist nicht dazwischen. Gleichwohl müsse man in einem Konflikt wie dem zwischen Russland und der Ukraine stets vor Propaganda gewappnet sein. Ich habe für @mediasres im Deutschlandfunk mit Schultz gesprochen.

Warum Aprilscherze in Medien gerade wenig angebracht sind

Bezahlen für Wahlen?

tagesschau.de schreibt heute:

Die Milliardenumsätze bei den Sportrechten haben offenbar Begehrlichkeiten geweckt: In einer Machbarkeitsstudie für den Bundeswahlleiter spielt eine Agentur die Möglichkeit durch, die Übertragungsrechte für die Bundestagswahl zu vermarkten.

Das klingt skandalös. Und nachfolgend bedient Autor Wulf Rohwedder ein paar Vorurteile: die raffgierige Unternehmensagentur, die die Studie angefertigt haben soll, der Bundeswahlleiter, für den die Studie sein sollte, von dem aber unklar ist, ob er sie selbst in Auftrag gegeben hat, der ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke, der das Modell zwar ablehnt, aber trotzdem mitmachen würde.

Am Ende des Textes gibt es einen Link, der angeblich zur Studie führt, tatsächlich aber auf das Tagesschau-Dossier „Aprilscherze“.

Ich bin nicht humorlos, aber ich halte solche Aprilscherze in Zeiten von Vorwürfen sogenannter „Fake News“ und „Lügenpresse“ für gefährlich. Auch wenn nur ein kleiner Teil der Nutzer diese Begriffe benutzen würde, so finden sich doch in einem größeren Teil der Zuschauerschaft Menschen, die mit einem bestimmten Misstrauen mit Medien umgehen. Dieses Misstrauen ist prinzipiell wichtig, denn wir brauchen kritische Nutzer, keine, die uns blind vertrauen. Aber es gilt auch, dieses Vertrauen nicht zu verspielen.

Schließlich ist bekannt, wie schnell die Erregungsmaschine heute läuft, und wie wenige Nutzer tatsächlich einen Beitrag (bis zum Ende) lesen. Und nur am Ende gibt es den Hinweis auf den April-Scherz – und nur durch einen weiteren Klick. Wer den Artikel in sozialen Netzwerken findet, wo er nur Foto, Überschrift und Teaser findet, wer Kommentare nicht liest, in denen andere Nutzer den Charakter der Meldung schon offengelet haben, wer den Artikel nur überfliegt und durch die echten Links und die gesamte Aufmachung auf einen regulären Beitrag schließen muss, wer am Ende nicht auf den Link zur Studie klickt (mal ehrlich: wie viele Leute machen das?), dem entgeht die Auflösung.

Natürlich würde er dann noch nicht auf eine Falschmeldung schließen können, aber Vorurteile wurden bereits bedient. Trägt er aber im Bewusstsein, die Meldung sei richtig, dieses Wissen mit sich herum, und bringt es an späterer Stelle an, bis er wiederlegt ist, fühlt er sich zurecht getäuscht. Und das von einer Quelle, die er bisher noch für seriös hielt. Wir wissen schließlich auch, dass die Auflösung einer Propagandameldung oder Falschnachricht nur noch einen Bruchteil derjenigen erreicht, die diese Meldung für wahr halten.

Die Tagesschau hat sich mit diesem Aprilscherz keinen Gefallen getan. Und andere Medien tun es auch nicht. Gerade jetzt gilt mehr denn je, für Vertrauen zu sorgen anstatt – auch am 1. April – dieses aufs Spiel zu setzen. Zeitungen in Norwegen und Schweden verzichten deshalb dieses Jahr darauf.