Zwischen Professionalität und Emotion: Journalismus im Ukraine-Krieg

Täglich bemühen sich Reporterinnen und Reporter in der Ukraine, in Russland und von Deutschland aus, einen Überblick über die militärische Lage und die Situation der Menschen zu vermitteln. Wie behalten Journalisten den Überblick, welche Herausforderungen gibt es, wie schaffen sie den Spagat zwischen Hoffnung und Alarmismus und welche Rolle spielen eigene Ängste?

Darüber habe ich im Deutschlandfunk-Medienpodcast „Nach Redaktionsschluss“ diskutiert – mit der freien Reporterin Rebecca Barth in der Ukraine, dem ehemalige Moskau-Korrespondenten des Deutschlandfunks, Thielko Grieß, und der Medienwissenschaftlerin Marlis Prinzing von der Macromedia-Hochschule Köln.

Zu hören unter anderem hier, in der Dlf-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Lockdown und Homeoffice: Wie englische Begriffe ihre Bedeutung wandeln, wenn sie im Deutschen verwendet werden

Der Begriff „Lockdown“ in Zeiten der Pandemie ist schillernd. Er wird oft benutzt, aber selten sagt jemand dazu, was er oder sie sich darunter vorstellt.

Ich hatte mir den Begriff schon im April für unseren Sprachcheck „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk mal angesehen. Damals schien er vor allem im Hinblick auf seine Herkunft aus den USA und im Vergleich mit Ländern wie Italien und Spanien nicht treffend. Mein Fazit damals:

Wir hatten also keinen Shutdown, geschweige denn seine Steigerung: den totalen Lockdown. Wenn Politiker, Medien oder Wirtschaftsexperten von Ausgangssperre, Shutdown oder Lockdown sprechen, stellen sie die Situation extremer dar, als sie ist – und verfolgen damit womöglich Interessen.

Für den Faktenfinder der Tagesschau hat sich Patrick Gensing jetzt noch mal angesehen, ob wir im Frühjahr einen Lockdown hatten, dessen Wiederholung jetzt befürchtet wird. Seine Schlussfolgerung:

Mittlerweile hat sich zumindest im Kontext der Corona-Maßnahmen der Begriff Lockdown im Deutschen offenkundig etabliert – für drastische Einschränkungen von Grundrechten und der weitestgehenden Stilllegung des öffentlichen Lebens. Und zwar hatte es im Frühjahr keine flächendeckende Ausgangssperre in Deutschland gegeben – aber regionale Beschränkungen.

Es ist ein interessanter Begriff, dessen Bedeutung bzw. dessen Auswirkungen einerseits vage sind, weil man nie weiß, was der Sprecher/die Sprecherin gerade meint. Andererseits wandelt sich die Bedeutung auch je nach Kontext (das hatte ich hier schon mal vertieft aufgeschrieben).

Gerade bei englischen Begriffen, von denen wir in der Pandemie viele benutzen, zeigt sich, dass sie sich von ihrer Bedeutung in der englischen Sprache lösen, wenn sie im Deutschen verwendet werden.

Ein Lockdown oder Shutdown ist hier etwas anderes als in den USA. Homeoffice ist in Großbritannien u.a. das Innenministerium, hier meint es das häusliche Arbeiten statt im Büro. Social Distancing meint eigentlich keine soziale Distanzierung, sondern eine physische bzw. räumliche (das ist schon im Englischen teils falsch verwendet). Als Homeschooling bezeichnen wir es, wenn Schüler*innen daheim statt in der Schule lernen, aber immer noch angeleitet von Lehrern, dabei meint es eigentlich die Beschulung durch Eltern oder private Lehrer zu Hause.

Da sind ja die „Terroristinnen und Terroristen“

Im Juli haben wir in einer Episode des @mediasres-Sprachchecks „Sagen und Meinen“ darauf hingewiesen, dass geschlechtergerechte Sprache sich zwar immer mehr durchsetzt, aber nicht ganz konsequent genutzt wird.

Bei eher negativ besetzten Begriffen wie „Straftäter“ und „Terroristen“ bleiben Medien oft bei der rein männlichen Form und vernachlässigen die weibliche – auch, wenn man über eine unbestimmte Gruppe spricht, also gar nicht weiß, ob Männer und/oder Frauen dabei sind.

Hin und wieder berücksichtigen Medien oder das aber mittlerweile (wahrscheinlich ohne dass sie von unserer Episode wüssten). So schreibt etwa Watson die Doppelform:

Die Ziele von Bundesrat und Parlament mögen zwar gut gemeint sein. Die Geheimnistuerei bei Ermittlungen gegen Terroristinnen und Terroristen erscheint verständlich. Das neue Anti-Terror-Gesetz wurde aber während seiner Entstehung von Menschenrechts-Organisationen und gar Uno-Expertinnen und -Experten kritisiert.

Auch Gala nutzte die Doppelform jüngst:

1998 wechselte Kamala Harris zur Staatsanwaltschaft San Francisco, 2003 wurde sie zur Bezirksstaatsanwältin von San Francisco und 2010 zur ersten Schwarzen Generalstaatsanwältin Kaliforniens gewählt. In ihrer Position setzte sie sich für striktere Waffengesetze und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen ein, gegen Straftäterinnen und Straftäter ging sie außergewöhnlich hart vor. Trotzdem initiierte sie ein Resozialisierungsprogramm und sprach sich gegen die Todesstrafe aus.

Gendersternchen: Wollen die Medien die Gesellschaft umerziehen?

Wenn Journalist*innen dieses Sternchen nutzen, dann, um alle Geschlechter anzusprechen. Andere halten das für den Versuch, Nutzer zu geschlechtergerechter Sprache zu verdonnern. Ein Vorwurf unseres Hörers Wolfgang Ziegler, über den wir mit ihm im Podcast sprechen. Brigitte Baetz und Mirjam Kid haben dazu außerdem die Sprachwissenschaftlerin Gabriele Diewald eingeladen.

Die zweite Folge unseres neuen Medienpodcasts „Nach Redaktionsschluss“ durfte ich als Produzent verantworten. Abonnieren kann man den Podcast hier. Die aktuelle Folge gibt es hier in der Audiothek.

Umbenannt wegen Rassismus oder wegen Rassismus-Diskussionen?

Es gibt zwei Perspektiven, die man einnehmen kann, wenn es um die Frage geht, warum Knorr seine „Zigeunersauce“ umbenennt. Die eine ist die hier, die bild.de wählt:

Als Grund für die Umbenennung nennt die Redaktion die „Rassismus-Diskussionen“. Das scheint auch die Perspektive des Konzerns zu sein, der im Text so zitiert wird:

„Da der Begriff ‚Zigeunersauce‘ negativ interpretiert werden kann, haben wir entschieden, unserer Knorr Sauce einen neuen Namen zu geben. In ein paar Wochen finden Sie diese als ‚Paprikasauce Ungarische Art‘ im Regal.“

Da ist zwar nicht ausdrücklich von Diskussionen die Rede, aber der Konzern teilt auch nicht mit, dass er selbst den Begriff für rassistisch hält und ihn deshalb ändert, sondern wegen einer möglichen negativen Interpretation. Indirekt schiebt er damit die Verantwortung von sich selbst als demjenigen, der sich damals für den Begriff entschieden hat, weg, und den Konsumenten zu, die ihn (absichtlich oder unabsichtlich) falsch verstehen (wollen).

Die Überschrift von bild.de scheint also richtig gewählt zu sein.

Täter und Opfer werden gerne mal vertauscht

Möglich gewesen wäre aber auch ein falscher Kausalzusammenhang, wie er gerade im Zusammenhang mit dem Themenfeld immer wieder vorkommt. Da wird nämlich Ursache und Wirkung verwechselt, wie ich hier schon mal geschrieben habe. Es geht dabei auch um eine Täter-Opfer-Umkehr. Schließlich macht es einen Unterschied, ob ich sage, dass ein Mädchen wegen ihres Kopftuchs verprügelt wurde oder weil die Täter muslimfeindlich oder rassistisch sind. Im ersten Fall sucht man die Schuld beim Opfer, im zweiten Fall beim Täter.

Ähnlich in diesem Fall beim Münchner Merkur:

„Schuld“ daran, dass ein Pilot seinen Job verliert, soll seine Ehefrau gewesen sein, weil sie ihren Mann verpetzt habe. Schuld war er aber ganz allein, wie aus dem Text hervorgeht:

Auch hier wird das Opfer zum Täter gemacht: Die Frau wird mit dem Tod bedroht, ist aber schuld daran, dass der Mann seinen Job verliert. Absurd. Bildblog hat das hier ausführlicher aufgeschrieben.

Oft nur kleine Wörter

Oft sind es nur ein paar kleine Wörter, die einen falschen Zusammenhang herstellen. Wie hier im Beitrag über Homophobie in der Tagesschau vom 17. Mai 2020 (im Video ab Minute 11:46). Dort heißt es:

„Doch stattdessen wurde Detlef Rath an diesem Tag angegriffen – weil er schwul ist.“

Das ist aber nicht die Ursache des Angriffs. Nur, weil jemand schwul ist, wird er nicht angegriffen. Die Ursache liegt in der Schwulenfeindlichkeit des oder der Angreifer.

Ist „Kindesmissbrauch“ ein treffender Begriff?

Beim Begriff „Kindesmissbrauch“ habe einige Hörerinnen und Hörer des Deutschlandfunks das Gefühl, dass daran etwas nicht stimmt. Sie haben uns geschrieben und gefragt: Wenn es möglich ist, Kinder zu missbrauchen – müsste es dann nicht auch möglich sein, sie zu gebrauchen? Das ginge ja nicht. Die Schlussfolgerung ist verständlich. Trotzdem nutzen ihn Menschen, die sich für die Rechte von Kindern eingesetzt. Ich habe gefragt, warum.

Warum Steuern nicht unbedingt eine Last sein müssen

Wenn Medien über Steuern berichten, dann häufig mit Wortkonstruktionen, die das Thema als etwas Negatives erscheinen lassen: „Steuerbelastung“ zum Beispiel. Neutral ist das nicht – denn die positiven Seiten des Themas bleiben so auf der Strecke. Mein Beitrag für den @mediasres-Sprachcheck „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk.

Vier Länder gegen ein höheres EU-Budget: Sparsam oder geizig?

In der Berichterstattung über die Haushaltspolitik der EU sprechen viele Medien derzeit von den „Sparsamen Vier“ – ein Titel, den Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark selbst mitgeprägt haben. Auch deshalb wäre es besser, darauf zu verzichten, habe ich für den Sprach-Check „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk aufgeschrieben.

(Im Tweet ist noch das falsche Foto mit der norwegischen Flagge statt der dänischen, ist im Artikel aber korrigiert.)

Wie Sprache die politische Wirklichkeit formt

Schon lange war nicht mehr so wichtig, wie Politikerinnen und Politiker mit Bürgerinnen und Bürgern sprechen. In der Corona-Krise haben sie wochenlang alle paar Tage über die Maßnahmen gesprochen, die sie ergriffen haben. Wer wissen wollte, welche Regeln gerade gelten, musste ihnen zuhören – wenn auch vermittelt über die Medien.

Wie kommunizieren Politiker in Corona-Zeiten und wie eigentlich grundsätzlich? Darüber habe ich für das Deutschlandfunk-Medienmagazin @mediasres mit dem Sprachwissenschaftler Sascha Michel von der Universität Erfurt gesprochen (Audio-Link).

Zufriedenheit auf Rekordhoch – Unzufriedenheit auf Rekordtief

Es ist schon ein paar Wochen her, aber da es zum Thema Umfragen passt, mit dem ich mich immer wieder beschäftige, will ich noch drauf hinweisen, wie die Bild-Zeitung das Ergebnis einer Umfrage darstellt.

Ich bin diesmal nicht der Frage nachgegangen, ob die Umfrage seriös zustandegekommen ist. Interessant ist in diesem Fall die Darstellung des Ergebnisses. Möglicherweise, weil der Redaktion das Umfrageergebnis nicht passt, dreht sie es in der Darstellung einfach auf den Kopf. Statt zu schreiben, dass die Zufriedenheit mit der Bundesregierung so hoch ist wie nie, schreibt sie einfach, dass die Unzufriedenheit auf einem Rekordtief sei. Das ist schon ein interessanter Spin und eine Frage des Framings.

Die ganze Geschichte hat das Bildblog aufgeschrieben.