Über 1100 Programmbeschwerden sind bei den Rundfunkräten von ARD, ZDF und Deutschlandradio im Jahr 2024 eingegangen, das sind sechzig Prozent mehr als 2023. Ein aktueller Fall um Jan Böhmermann hat das Thema erneut angefacht. Diesmal war ich im Podcast „Medien cross & quer“ vom Saarländischen Rundfunk – mit Thomas Bimesdörfer und Michael Meyer.
Videos von Flüchtenden und Toten: Kritik an Berichterstattung über Amoklauf in Graz
Die Amoktat in Graz in Österreich hat für Bestürzung gesorgt. Dabei hat der Täter an einer Schule zehn Menschen erschossen und elf verletzt. Anschließend erschoss er sich selbst. Kritik ausgelöst hat, wie Medien darüber berichtet haben. Über die Kritik wiederum habe ich im Deutschlandfunk berichtet.
Mehr dazu:
- Die Medienethikerin Claudia Paganini von der Universität Innsbruck nennt im „Standard“ Videos in Medien „inakzeptabel“
- Wie der extrem rechte Verschwörungssender AUF1.TV ein „Geschäft mit dem Amoklauf“ macht, berichtet die Tagespresse
- Das von mir erwähnte Interview mit dem Psychiater Paul Plener, der sich wünscht, möglichst wenig über den Attentäter zu berichten, lief in der ORF-Sendung ZiB 2 (und ist m.W. nur bis kommenden Dienstag abrufbar)
- Wie jemand im Internet verhetzt wird, weil er einen ähnlichen Namen wie der Attentäter hat, berichten die Faktenchecker von Mimikama
- Harald Fidler berichtet im „Standard“, dass es gegen AUF1 Beschwerden bei der Medienbehörde gibt
- Fidler hat die Kritik an der Berichterstattung mancher Medien auch im Deutschlandfunk-Medienmagazin @mediasres zusammengefasst
- Der österreichische Presserat befasst sich mit der Berichterstattung, berichtet der „Standard“
Nachtrag (13.06.2025, 19 Uhr): Boris Rosenkranz hat für Übermedien noch mehr Verfehlungen aufgeschrieben und sie kommentiert.
Bei Demos in Los Angeles: Journalisten von Einsatzkräften angeschossen
Auf einem Video von den Demonstrationen in Los Angeles gegen das Vorgehen der Regierung von US-Präsident Trump sieht man, wie ein Polizist mit Gummigeschossen auf eine Journalistin schießt.
Zwei weitere Journalisten sind am Wochenende durch Geschosse verletzt worden. Darüber habe ich kurz für den Deutschlandfunk berichtet.
Nein, es gibt in den Niederlanden keine Grenzkontrollen durch Bürger – es ist eine verbotene Aktion

Egal, was die Täter an der niederländisch-deutschen Grenze mit ihren angeblichen Kontrollen erreicht haben – medial ist es ein voller Erfolg. Denn zumindest in Deutschland haben sehr viele Medien ihr Framing übernommen, sie würden selbst Personenkontrollen durchführen, um angeblich illegale Einreisen in die Niederlande zu verhindern.
Denn dahinter steckt ja die verbreitete und irrige Vorstellung, die Sicherheitslage verschlechtere sich zunehmend, der Staat habe die Migration (die oft ebenfalls falsch als illegal bezeichnet wird) nicht im Griff, es gebe einen Kontrollverlust, der nur durch die Bürger selbst zu beheben sei.
Niederländische Bürger führen Grenzkontrollen selbst durch – Minister reagiert: „Frustration verständlich“
Niederländische Bürger führen eigene Grenzkontrollen durch
Niederlande: Bürger kontrollieren Grenze selbst
Dabei sind das keine Grenzkontrollen. Die dürfen nur von offiziell dafür Bevollmächtigen durchgeführt werden. In Deutschland wären das Beamte der Bundespolizei. Die Rechtslage in den Niederlanden kenne ich nicht, aber auch dort hat die Regierung bereits darauf hingewiesen, dass die Aktion rechtswidrig ist.
Deutsche Medien aber verschleiern das in ihren Überschriften und Texten und verbreiten damit das rechtsextreme Framing, die Kontrollen seien irgendwie okay. Anstatt deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich hier wohl um Straftaten handelt.
Zum Glück tun das nicht alle Medien. Hier ein paar positive Beispiele, wie man gleichzeitig objektiv berichten und einordnen kann:
Niederländer führen illegale Kontrollen durch
schreibt die österreichische Kronen-Zeitung. Wenngleich man das auch so missverstehen könnte, dass es niederländische Behörden sind, aber gut. Da ist die ZEIT schon präziser:
Niederländische Bürger kontrollieren eigenmächtig an deutscher Grenze
Und eigentlich machen sie den Artikel damit sogar spannender als alle anderen – weil da der Regelverstoß gleich mitgenannt wird. Also selbst wenn man auf der Suche nach Klicks ist, kriegt man es hier mit Präzision und unter Vermeidung von rechtsextremem Framing gut unter.
Was bringen eigentlich Programmbeschwerden?
2024 gab es deutlich mehr Programmbeschwerden bei ARD, ZDF und Deutschlandradio als im Vorjahr. Doch nur wenige hatten Erfolg. Warum? Und wie könnte mehr Transparenz entstehen? Für den Übermedien-Podcast habe ich mit Holger Klein noch mal sehr ausführlich über das Thema gesprochen.
Mehr Programmbeschwerden bei ARD, ZDF und Deutschlandradio
Im Jahr 2024 ist die Zahl der offiziellen Programmbeschwerden gegen ARD, ZDF und das Deutschlandradio stark gestiegen. Die Sender und ihre Rundfunkräte, die sie beaufsichtigen, haben rund 60 Prozent mehr davon registriert. Insgesamt waren es 1.129, die Räte haben fünf davon stattgegeben.
Der Anstieg geht vor allem auf konzertierte Massenbeschwerden zurück, die über das Portal rundfunkalarm.de kamen. Auf diesem Weg gingen bei ARD und ZDF im vergangenen Jahr rund 48.000 Beschwerden ein. Die waren aber hauptsächlich an die Sender selbst gerichtet und konnten dort wie Hörerpost beantwortet werden.
Die Zahl der Beschwerden bei den Rundfunkräten, die offizielle Verfahren einleiten können mit ggf. stärkeren Konsequenzen für die Sender, ist dagegen nur leicht gestiegen. Allerdings hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg einen Teil der Massenbeschwerden als offizielle Programmbeschwerden anerkannt und in die entsprechende Statistik aufgenommen. Das erklärt, warum er für 2024 insgesamt 280 Beschwerden auflistet, während es im Vorjahr nur 23 waren.
Wie die Zahlen aussehen und was dahintersteckt, habe ich im Deutschlandfunk erklärt.
Wie eine Journalistin die „Letzte Verteidigungswelle“ unterwanderte
Die RTL-Reporterin Angelique Geray wollte wissen, was Jugendliche zu rechtsextremen Straftaten bis hin zu Mord führt. Undercover erlangte sie das Vertrauen der Gruppe „Letzte Verteidigungswelle“. Schließlich musste sie die Behörden einschalten. Ich habe über Recherchen mit Angelique Geray gesprochen.
Eurovision Song Contest: Spanien will Publikumsvoting für Israel überprüfen lassen
Der Eurovision Song Contest vom Wochenende hat nicht nur Freude über den Sieger JJ aus Österreich hervorgebracht. Er hatte zwar die meisten Punkte von den nationalen Musikjurys bekommen, die meisten Punkte von den Zuschauerinnen und Zuschauern gingen aber an den Beitrag aus Israel von Sängerin Yuval Raphael, die von den Jurys gar nicht so viele Punkte bekommen hat.
Weil das so auseinanderklafft, hinterfragen mindestens zwei beteiligte Sender jetzt das Abstimmungssystem für den ESC. Darüber habe ich für Deutschlandfunk Kultur und den Deutschlandfunk berichtet.
100 Jahre Hans Rosenthal: Wie Spielshows Geschichte schreiben
Die Spielshow ist eines der ältesten TV-Formate und bis heute beliebt. Ihre Anfänge liegen im Radio – auch dank des Showpioniers Hans Rosenthal, der im April 100 Jahre alt geworden wäre. Michael Borgers und ich blättern zu seinem Geburtstag und zu 75 Jahren ARD durchs Fotoalbum der Spielshow.
Journalist Nico Fried: „Medien sind aufgeregter als die Politik selber“
Medien haben in den letzten Tagen und Wochen über steigende Umfragewerte für die AfD geschrieben – teils in alarmierter Weise. Einige werteten das als Misstrauen gegenüber dem wahrscheinlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz und als Reaktion auf die Zwischenergebnisse aus den Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD.
In der Berichterstattung über den Koalitionsvertrag, der noch von CDU und SPD gebilligt werden muss, bevor er unterzeichnet werden kann, wurden auch kritische Töne laut.
Dabei hielten sich Medien in der Vergangenheit oft an eine ominöse Frist von 100 Tagen, bevor sie eine Bundesregierung bewerteten (zum Ursprung hier die taz). Was ist aus dieser Frist geworden?
Der „Stern“-Chefkorrespondent Nico Fried findet die Frist im Prinzip sinnvoll, hält es aber auch für unerlässlich, dass Medien Zwischenergebnisse bewerten. Was die Dynamik von Umfragen angeht, kritisiert er zwar auch die ständige Veröffentlichung von Sonntagsfragen gerade in der Phase der Regierungsbildung, nennt aber Medien in der Angelegenheit aufgeregter als die Politik selber. Ich habe mit ihm für den Deutschlandfunk darüber gesprochen.