Der Fall Thilo Mischke: Wie eine Debatte „unmöglich“ wurde – eine Chronologie

Wie angesichts der ARD-Reaktion zu erwarten war, geht die Diskussion über den Fall Thilo Mischke weiter. Harald Staun hat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufgeschrieben, wie Mischke überhaupt zu seinem Job gekommen ist, den er mittlerweile wieder verloren hat.

Ich will noch mal nachzeichnen, wie die Beteiligung der ARD und Thilo Mischkes an der Debatte aussah. Vor allem deshalb, weil ARD-Programmdirektorin Christine Strobl am Wochenende der Deutschen Presse-Agentur gegenüber den Stil der Debatte beklagt hat. Zitat:

„Ich wünsche mir, dass wir wieder zu einer Form zurückkommen, die nicht eine Debatte unmöglich macht.“

Und weiter:

„Die Entscheidung der Kulturchefinnen und -chefs ((gegen Mischke)) beruht auf der Erkenntnis, dass eine Diskussion nicht mehr möglich ist.“

Das kann man aus ihrer Sicht so sehen, aber man muss auch sagen, dass sich weder die ARD insgesamt noch Christine Strobl noch Thilo Mischke in den vergangenen zweieinhalb Wochen wirklich an der Debatte beteiligt haben, obwohl sie darauf ja hätten Einfluss haben können. Die einzigen Debattenbeiträge bestanden in Stellungnahmen in Form von Insta-Posts und Pressemitteilungen sowie einem Statement per E-Mail.

Die Bekanntgabe

Am 19. Dezember verkündete die ARD-Programmdirektion per Pressemitteilung und der Account von „titel thesen temperamente“ bei Instagram die Personalie.

Die erste Reaktion

Daraufhin kritisierten in vielen Kommentaren Nutzerinnen und Nutzer die Entscheidung. Einige Tage geschah nichts, bis die Redaktion antwortete:

Liebe Userinnen und User,

wir verstehen, dass die Besetzung von Thilo Mischke als neuen Moderator von ttt vor dem Hintergrund seines vor 15 Jahren veröffentlichten Buches Fragen aufwirft, zu denen wir uns hiermit äußern wollen.

Seit Erscheinen des Buches „In 80 Frauen um die Welt“ im Jahr 2010 hat sich Thilo Mischke vielfach mit den Vorwürfen, darin ein sexistisches Frauenbild vermittelt und stellenweise rassistische Sprache verwendet zu haben, selbstkritisch auseinandergesetzt, sich öffentlich der Kritik gestellt und für seine Ausdrucksweise entschuldigt. Unter anderem in einem Podcast, den er im März 2021 veröffentlichte.

Wir, die Redaktion von ttt, haben ihn selbst hierzu befragt. Mischke distanziert sich bis heute vom Titel und Inhalt des Buches und hat den Druck einer Neuauflage untersagt.

Das Zitat, in dem sich Mischke in einem Podcast zu Vergewaltigungen äußert und das hier vielfach kritisiert wird, kommentiert Mischke so:

„Das Zitat stammt aus einem Podcast-Gespräch mit der Autorin Caroline Rosalis, in dem wir beide über einen Text (und Feminismus) von ihr sprechen. Es ist aus dem Zusammenhang gerissen. Wir sprechen kurz über den evolutionsbiologischen Grund, warum es überhaupt Vergewaltigungen in urmenschlichen Gesellschaften gab, kurz nach dieser Aussage, betone ich, wie beschämend das fürs männliche Geschlecht ist. Und betone im Gespräch, ich meine nicht meine Sexualität, sondern die von Urgesellschaften.“

ttt stellt sich gegen jede Form von Sexismus und Rassismus, wir stehen für Meinungsvielfalt und Toleranz. Wer unsere Sendung und unsere Social-Kanäle kennt, weiß das. Daran wird sich auch nichts ändern. Thilo Mischke hat seine Kompetenz als Journalist und Reporter vielfach unter Beweis gestellt. Wir freuen uns auf ihn und auf seine Sicht auf Kultur.

Genauere Quellen für die genannten Verweise gab die Redaktion nicht.

Der Podcast

Die Kritik riss aber nicht ab. Am 23. Dezember veröffentlichten Annika Brockschmidt und Rebekka Endler eine Sonderausgabe ihres Podcasts „Feminist Shelf Control“, in dem sie mit der Hilfe Dutzender anderer Autor*innen und Journalist*innen die Belege noch mal zentral zusammentrugen und kommentierten. Dabei präsentierten sie noch mehr Belege als die, auf die die ttt-Redaktion eingegangen war.

Die zweite Reaktion

An Heiligabend reagierte der ttt-Account bei Instragram, diesmal mit einem eigenen Post:

Auf drei Kacheln stand der Text:

„Liebe Community,

vergangene Woche haben wir Thilo Mischke als neuen Moderator für „ttt“ vorgestellt. WIr haben daraufhin nicht nur Unterstützung, sondern auch kritische Rückmeldungen von euch erhalten. Eins vorweg: Wir hören euch.

„ttt“ versteht sich als Magazin und Social-Media-Marke, die sich konsequent mit Themen wie Sexismus und toxischer Männlichkeit auseinandersetzen. Ein Blick in unseren Feed zeigt das. Feministische Perspektiven prägen unsere Arbeit und werden es auch weiterhin tun. Diese Werte sind nicht verhandelbar.

Wir nehmen eure Kritik ernst. Deswegen gibt es bereits seit Tagen intensive Gespräche, um die Vorwürfe zu prüfen.

Wir bitten euch an dieser Stelle um eines: Zeit. Wir wollen das Thema aufarbeiten und uns gründlich mit den geäußerten Sorgen auseinandersetzen. Wir sitzen das nicht aus.

Vielen Dank für euer Engagement und eure ehrlichen Rückmeldungen.

Euer ttt_social Team“

Dann passierte zunächst wieder einige Tage nichts.

Die dritte Reaktion

Ich hatte schon vor Weihnachten für eine Berichterstattung danach im Deutschlandfunk auch Thilo Mischke um eine Stellungnahme gebeten. Entweder bin ich der einzige, der das überhaupt je gemacht hat, oder ich bin der einzige, dem er geantwortet hat. Darin schrieb er unter anderem:

„Meine Person und mein Wirken belegen, dass ich weder Sexist, Rassist, homophob noch ableistisch bin. Soweit es um die von Ihnen genannten Buch-Veröffentlichungen geht, die bald 15 Jahre zurückliegen, so habe ich mich hiervon schon seit vielen Jahren öffentlich distanziert und auch eine Neuauflage und die weitere Verwertung dieser Veröffentlichungen verhindert. All das ist hinlänglich bekannt und dokumentiert, und es ist schlicht überflüssig, dass Sie mich nun noch einmal fragen, wie ich heute zu diesen Büchern stehe.

Was meinen Podcast von 2019 angeht, stelle ich anheim, dass Sie mich auf konkrete Passagen ansprechen, die eine Vergewaltigung „rechtfertigen“ sollen.

Gegen diesen völlig aus der Luft gegriffenen Vorwurf, ebenso wie den Vorwurf, dass ich Gewaltphantasien gegenüber Frauen geäußert hätte, setze ich mich entschieden zur Wehr.

Mit sachlicher Kritik setze ich mich gerne auseinander. Mit Diffamierung und Rufmord nicht.“

Daraus zitierte ich auch am 27. Dezember im Deutschlandfunk. Am Abend kommentierte ich die Kommunikationsstrategie ebenfalls dort und in Deutschlandfunk Kultur.

Die vierte Reaktion

Später am Tag berichteten dann mehrere Zeitungen (z.B. das RND) plötzlich über eine Stellungnahme der ARD-Programmdirektion, die diese diesmal nicht selbst veröffentlicht hatte, sondern den Redaktionen hatte zukommen lassen. Ich habe mir das dann auch noch mal schicken lassen, weil ich stutzte: Am 24. Dezember wird eine Prüfung angekündigt, die am 27. Dezember bereits vollzogen ist?

Es stellte sich heraus, dass gar nicht geprüft worden war. Bei der Prüfung sollte es nie um den Job an sich gehen, nur um die Frage, wie man mit den Vorwürfen umgeht und mit der Community darüber diskutiert.

Die ARD schrieb:

„Die Verkündung, dass Thilo Mischke ab 2025 neben Siham El-Maimouni das ARD-Kulturmagazin „ttt – titel thesen themperamente“ moderieren wird, hat neben viel Zustimmung auch einige kritische Äußerungen hervorgerufen.

Dabei ist uns wichtig: ‚ttt‘ stellt sich gegen jede Form von Sexismus und Rassismus und steht, genauso wie Thilo Mischke, für Meinungsvielfalt und Toleranz. Seit der Veröffentlichung seines Buches ‚In 80 Frauen um die Welt‘ (2010) hat sich Thilo Mischke deshalb u.a. intensiv und selbstkritisch mit Vorwürfen zu Sexismus und rassistischer Sprache in dieser lang zurück liegenden Veröffentlichung, deren Nachdruck er verhindert hat, auseinandergesetzt.

Als vielfach ausgezeichneter Journalist gelingt es Thilo Mischke kraft seiner authentischen Neugier an den drängenden Fragen der Gegenwart, kulturelle Debatten und Fragestellungen einem breiteren und jüngeren Publikum zugänglich zu machen. Damit werden sich Thilo Mischke und Siham El-Maimouni als Moderatoren von ‚ttt‘ 2025 hervorragend ergänzen.“

Doch auch dieses Festhalten war nicht von Dauer.

Der Offene Brief

Am 2. Januar und nachdem die Kritikerinnen und Kritiker im Netz weitere Belege vorgelegt hatten, erschien dann im Tagesspiegel ein offener Brief. Es ist unklar, ob innerhalb der ARD ohnehin weiter über die Personalie gesprochen wurde oder ob der Brief noch mal eine neue Dynamik ausgelöst hat. Am Tag selbst jedenfalls wollte aus der ARD-Programmdirektion niemand mit uns im Deutschlandfunk darüber reden. Für den 3. Januar wurde ein Statement angekündigt.

Die fünfte Reaktion

Das kam dann aber an dem Tag gar nicht. Offenbar zogen sich die Entscheidungsfindung und Verhandlungen auch mit Thilo Mischke länger hin als gedacht. Am 4. Januar berichtete dann die Süddeutsche Zeitung vorab über die Trennung, die dann kurze Zeit später von der ARD-Programmdirektion bestätigt wurde:

Thilo Mischke und ARD erklären gemeinsam: Die Kulturchefinnen und Kulturchefs der an der ARD-Gemeinschaftsproduktion „ttt – titel thesen temperamente“ beteiligten Landesrundfunkanstalten haben entschieden, von Journalist Thilo Mischke als Moderator abzusehen.

Thilo Mischke ist ein anerkannter Journalist und mehrfach preisgekrönter Reporter.Doch die in den vergangenen Tagen entstandene heftige Diskussion um die Personalie Thilo Mischke überschattet die für uns zentralen und relevanten Themen, die wir mit der Sendung und Marke „ttt“ transportieren und gemeinsam mit der Community diskutieren möchten so, dass dies nicht mehr möglich ist. Thilo Mischke und die ARD sind sich einig darin, dass es nun vor allem darum geht, einen weiteren Rufschaden von „ttt“ und Thilo Mischke abzuwenden. Daher haben die Kulturchefinnen und Kulturchefs der ARD-Gemeinschaftsproduktion „ttt – titel thesen temperamente“ heute entschieden, Thilo Mischke nicht mehr im Zusammenhang mit „ttt“ einzusetzen. Thilo Mischke befindet sich in einem noch andauernden Prozess der Auseinandersetzung mit den Ereignissen und wird sich zu gegebener Zeit selbst zur Sache äußern.

Christine Strobl, ARD-Programmdirektorin: „Wir setzen auf einen respektvollen, menschlichen Umgang – das gilt auch bei aller Kritik. Daher haben wir in den vergangenen Tagen viele Gespräche geführt, auch mit Thilo Mischke, den wir schätzen. Diese setzen wir in den nächsten Tagen fort und werden gemeinsam mit Thilo Mischke die Thematik journalistisch aufarbeiten.“

Die Sendung „ttt – titel thesen temperamente“ wird 2025 von Siham El-Maimouni moderiert. „ttt“ wird im wöchentlichen Wechsel von sechs Redaktionen der ARD-Landesrundfunkanstalten verantwortet: BR, hr, MDR, NDR, WDR, rbb.

Die Debatte

Es ist also durchaus nicht so, dass sich die ARD und Thilo Mischke nicht mit Beiträgen an der Debatte beteiligt hätten. Wenngleich man die Stellungnahmen inhaltlich kritisieren kann, etwa dass sie die Kritikpunkte oft nur streiften, darin Versatzstücke aus vorhergehenden Stellungnahmen wiederholt wurden und auch keine konkreten Verweise genannt wurden.

Einen direkten Austausch zwischen Kritisierenden und Kritisierten gab es jedenfalls nicht, auch keine persönliche öffentliche Stellungnahme, nur die hier zitierten schriftlichen Äußerungen.

Mein Eindruck ist: Eine Diskussion wäre möglich gewesen, aber man hätte früh reagieren müssen, was weder die ARD-Programmdirektion noch Thilo Mischke getan haben. (So ähnlich habe ich schon früh kommentiert.) Man kann aber auch nicht darauf wartet, bis eine Diskussion nicht mehr möglich wird, um das dann zu beklagen.

Umgang mit dem Fall Thilo Mischke: ARD in der Kritik

Es ist viel berichtet worden über die Entscheidung der ARD am Wochenende, dass Thilo Mischke doch nicht neuer Moderator des Kulturmagazins „titel thesen temperamente“ im Ersten wird. Gegen Mischke gab es Sexismusvorwürfe – und nach viel Kritik deswegen dann am Samstag das Aus für ihn. Die Art und Weise, wie die ARD das gemacht hat und wie insgesamt das Auswahlverfahren lief, hat viele Fragen aufgeworfen. Darüber habe ich im Deutschlandfunk berichtet.

Nach Sexismusvorwürfen: Thilo Mischke wird doch nicht ttt-Moderator im Ersten

Der Investigativjournalist Thilo Mischke wird doch nicht neuer Moderator des Kulturmagazins „titel thesen temperamente“ im Ersten. Gegen Mischke gab es massive Sexismusvorwürfe, er hatte sich in Büchern und Podcasts abfällig über Frauen geäußert. Die ARD zieht jetzt Konsequenzen und verzichtet auf die Zusammenarbeit mit ihm. Über Gründe und Hintergründe habe ich im Deutschlandfunk berichtet.

Nachtrag, 5.1.: In meinem Beitrag für Deutschlandfunk Kultur habe ich noch etwas mehr über die Vorwürfe berichtet und O-Töne von Thilo Mischke eingebaut.

Gastbeitrag von Elon Musk: So kam er zustande

Wie und warum hat es ein Text von US-Tech-Milliardär Elon Musk in die „Welt am Sonntag“ geschafft? Bisher war der Hergang unklar.

Die Welt-Redaktion hatte zunächst den Eindruck erweckt, dass die Initiative für den Gastbeitrag von Elon Musk von der Welt-Redaktion ausging. Am Montag erklärte der bisherige Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt in der SZ, „eine Redakteurin“ habe bei Elon Musk angefragt. Gestern erklärte Poschardt-Nachfolger Jan Philipp Burgard, dass Gastautoren Anspruch auf Verschwiegenheit hätten.

Jetzt hat sich ein Mitglied des Aufsichtsrates von Axel Springer gemeldet – Martin Varsavsky – und bei X geschrieben, die Initiative dazu sei von ihm ausgegangen – und er habe dann nach Zustimmung von Welt-Chefredakteurin Jennifer Wilton den Gastbeitrag selbst bei Elon Musk bestellt.

Post bei X

Der Springer-Verlag weist darauf hin, dass er sich nicht dazu äußert, wie Beiträge zustande kommen. Aber wenn Beteiligte wie Martin Varsavsky das täten, sei das ihr gutes Recht.

Darüber hätten wir im Deutschlandfunk gerne mit dem neuen Welt-Chefredakteur Jan Philipp Burgard gesprochen, der aber nicht zugesagt hat – wie der Springer-Verlag insgesamt. Stattdessen hat sich der Journalismusprofessor Tanjev Schultz von der Universität Mainz bereit erklärt, mit uns über den Fall zu sprechen. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie weit es mit der Trennung von Redaktion und Verlag her ist, wenn ein Aufsichtsratsmitglied einen Beitrag vermittelt.

Fast 140 Kultur- und Medienschaffende fordern Absetzung von ttt-Moderator Thilo Mischke

Eigentlich soll das Kulturmagazin „titel thesen temperamente“ im Ersten einen neuen Moderator bekommen – und zwar den Investigativjournalisten Thilo Mischke. Er hat für Magazine wie GQ und Vice geschrieben und viel beachtete Dokumentationen für ProSieben produziert.

Gegen Thilo Mischke gibt es aber seit zwei Wochen Vorwürfe u.a. wegen Sexismus. Die ttt-Redaktion hatte an Weihnachten angekündigt, die Vorwürfe zu prüfen; nach Weihnachten erklärte die ARD aber, an Mischke festhalten zu wollen – offenbar unabhängig von dieser Prüfung.

Heute fordern fast 140 Kultur- und Medienschaffende in einem Offenen Brief, dass Mischke den Job nicht antritt – andernfalls wollen sie mit ihm dort nicht zusammenarbeiten.

Unterzeichnet haben unter anderem die Publizistin Teresa Bücker, die Schriftsteller Saša Stanišić, Dana Vowinckel, Anne Rabe und Ulrike Draesner, der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, der Kabarettist Jess Jochimsen – und auch Simon Sahner, Autor und Lektor. Mit ihm habe ich im Deutschlandfunk über die Forderungen der Initiative gesprochen.

Sahner hatte zuvor bereits auf 54books.de aus seiner Sicht über den Fall geschrieben.

Die ARD-Programmdirektion wollte sich heute nicht zum Offenen Brief und zum Fall Thilo Mischke äußern, hat das aber für Freitag (3. Januar 2025) angekündigt.

Gastbeitrag von Elon Musk: Wir sollten ihm dankbar sein

Elon Musks Wahlaufruf zugunsten der AfD in der „Welt am Sonntag“ war ein journalistischer Fehler. Trotzdem sollten wir dafür dankbar sein: Der umstrittene Gastbeitrag hat eine Debatte erzeugt, die wir brauchen. Mein Kommentar im Deutschlandfunk.

Neuer ttt-Moderator: ARD prüft Vorwürfe gegen Mischke, hält aber an ihm fest

Bild: ARD/Marc Rehbeck

Am 19. Dezember war sich die ARD noch sicher, dass Thilo Mischke der neue Moderator von „titel thesen temperamente“ im Ersten wird. Bei Instagram kündigte die ttt-Redaktion seine Verpflichtung an. Und Mischke sprach dort selbst über seinen Kulturbegriff, den er „sehr unterkomplex“ nannte – was ihm Kritik einbrachte, er sei mangels kulturjournalistischen Hintergrunds schon fachlich nicht der Richtige für den Posten. (Wenngleich mir diese Kritik eher von Kulturdünkel getrieben erschien.)

Dann wiesen Journalistinnen und Journalisten bei BlueSky darauf hin, dass sich Mischke aus ihrer Sicht in der Vergangenheit sexistisch und rassistisch geäußert hat. Bemängelt wird zum Beispiel schon der Titel seines Buches „In 80 Frauen um die Welt“, in der es um eine Wette geht, möglichst viele Frauen weltweit zu verführen. Ich habe gestern im Deutschlandfunk über die Vorwürfe berichtet.

In einem Kommentar habe ich auch die Kommunikationsstrategie von Mischke und der ARD kritisiert, dass sie sich den Vorwürfen nicht klar genug entgegenstellen (wenn sie sie denn für unberechtigt halten). Stattdessen verweisen sie nur auf frühere Distanzierungen und Entschuldigungen, wollen diese aber nicht wiederholen. Vielleicht auch deshalb nicht, weil vielen Distanzierungen danach wieder Relativierungen folgten.

Zudem kann oder will die ARD-Programmdirektion weder inhaltlich begründen, warum Mischke ohne Erfahrung im Kulturjournalismus fachlich der Richtige für den Job ist, noch wollte sie sich zumindest anfangs offenbar überhaupt mit den Vorwürfen beschäftigen. Doch über Weihnachten hatte sich die ttt-Redaktion zumindest kompromissbereit gezeigt. Bei Instagram schrieb sie:

„Wir nehmen eure Kritik ernst. Deswegen gibt es bereits seit Tagen intensive Gespräche, um die Vorwürfe zu prüfen. Wir bitten euch an dieser Stelle um eines: Zeit. Wir wollen das Thema aufarbeiten und uns gründlich mit den geäußerten Sorgen auseinandersetzen. Wir sitzen das nicht aus.“

Auch wenn es nicht ausdrücklich in der Ankündigung der ttt-Redaktion stand: Es geht nicht um die Frage, ob Mischke seinen Job behält oder nicht. In einem Statement der ARD-Programmdirektion heißt es:

Die Verkündung, dass Thilo Mischke ab 2025 neben Siham El-Maimouni das ARD-Kulturmagazin „ttt – titel thesen themperamente“ moderieren wird, hat neben viel Zustimmung auch einige kritische Äußerungen hervorgerufen. Dabei ist uns wichtig: ‚ttt‘ stellt sich gegen jede Form von Sexismus und Rassismus und steht, genauso wie Thilo Mischke, für Meinungsvielfalt und Toleranz. Seit der Veröffentlichung seines Buches ‚In 80 Frauen um die Welt‘ (2010) hat sich Thilo Mischke deshalb u.a. intensiv und selbstkritisch mit Vorwürfen zu Sexismus und rassistischer Sprache in dieser lang zurück liegenden Veröffentlichung, deren Nachdruck er verhindert hat, auseinandergesetzt. Als vielfach ausgezeichneter Journalist gelingt es Thilo Mischke kraft seiner authentischen Neugier an den drängenden Fragen der Gegenwart, kulturelle Debatten und Fragestellungen einem breiteren und jüngeren Publikum zugänglich zu machen. Damit werden sich Thilo Mischke und Siham El-Maimouni als Moderatoren von ‚ttt‘ 2025 hervorragend ergänzen.

Ziel der Prüfung ist also lediglich, wie man die Vorwürfe aufarbeitet und mit der Community diskutiert.

Vorwürfe gegen neuen ttt-Moderator Thilo Mischke

Das Kulturmagazin „titel thesen temperamente“ im Ersten bekommt einen neuen Moderator. Nachfolger von Max Moor soll der Investigativjournalist Thilo Mischke werden. Er hat für Magazine wie GQ und Vice geschrieben und viel beachtete Dokumentationen für ProSieben produziert. Gegen Thilo Mischke gibt es aber seit Tagen Vorwürfe. Ich habe im Deutschlandfunk darüber berichtet – und was Mischke dazu sagt.

Update (18.55 Uhr): Ich habe den Fall für die Dlf-Sendung „Kultur heute“ kommentiert.

2024 war kein gutes Jahr für die Pressefreiheit

Im laufenden Jahr 2024 sind laut der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ 54 Journalistinnen und Journalisten getötet worden – bei oder wegen ihrer Arbeit. Mehr als 550 saßen oder sitzen im Gefängnis.

Die Geschäftsführerin der deutschen Sektion, Anja Osterhaus, hat mir im Interview bei @mediasres im Deutschlandfunk erzählt, warum die meisten von ihnen in den palästinensischen Gebieten getötet wurden und welche Länder noch gefährlich waren.

Den Bericht kann man hier finden. Ein ausführlicheres Dossier ist hier abrufbar (PDF).

US-Medien nach Trump-Wahl unter neuem Druck

Die US-Präsidentschaftswahl ist jetzt eine Woche her – und der Wahlsieg von Donald Trump bereitet auch Journalistinnen und Journalisten Sorgen. Trump hatte sie nicht nur in seiner ersten Amtszeit zu „Feinden des Volkes“ erklärt, er bedroht sie auch jetzt weiter – trotz oder wegen seines Wahlsiegs.

Ich habe im Deutschlandfunk erklärt, um welche Drohungen es geht und ob Trump sie in die Tat umsetzen kann. Außerdem habe ich mir angeschaut, was er im Bereich Medien politisch umsetzen könnte.