Dass Trump etwas ankündigt, was er nicht umsetzen kann, gehört schon in Teaser und Tweet

In den USA stirbt ein Schwarzer in Polizeigewahrsam, nachdem ihn mutmaßlich ein Polizist erstickt hat. Daraufhin brechen Unruhen aus. US-Präsident Donald Trump, dem gerade noch sein Kampf mit Twitter wichtiger war, beschuldigt „die Antifa“, für die Unruhen verantwortlich zu sein, und kündigt an, sie als Terrororganisation einzustufen.

„Die Antifa“ ist aber überhaupt keine Organisation, sie besteht allenfalls aus hunderten bis tausenden einzelnen Gruppen, die aber nicht formal organisiert sind. Wer ein Verbot fordert, wird das also vermutlich gar nicht umsetzen können, sondern macht lediglich PR (wenn nicht Propaganda).

Medien müssen diese Information deswegen in jedem Fall dazuliefern und dürfen nicht einfach Trumps absurde Ankündigung weiterreichen, als gehörten sie zu seinem Presseteam. Das tun sie aber immer wieder – oft, indem sie einfach nur einen Tweet zitieren oder paraphrasieren oder darum einen ganzen Artikel bauen.

Im aktuellen Fall liefern Medien diese Einordnung auch, aber nicht an entscheidender Stelle. Diese entscheidende Stelle ist nämlich nicht irgendwo im Text, sondern bereits in Überschrift oder Teaser sowie im Tweet. Fehlt die Einordnung dort, ist beides nicht mehr als PR für Trump. Diese Einordnung ist nämlich der eigentliche Journalismus, nicht das Paraphrasieren oder Zitieren seines Tweets.

Das ist wichtig, weil viele Nutzer gar nicht bis zur Einordnung lesen, sondern nur bei Überschrift und Teaser bzw. beim Tweet bleiben. Die Einordnung gehört aber dorthin, wo die Nachricht verbreitet wird, damit sie wirkt.

Deswegen ist es problematisch, wie es zum Beispiel Tagesspiegel und Mitteldeutsche Zeitung machen, die diese Einordnung nicht in ihren Tweets liefern.

Auch im Teaser des Tagesspiegels fehlt die Information:

Erst im Text kommt sie, dort immerhin im ersten Absatz, in dem es heißt:

Die USA wollen die „Antifa“ als Terrororganisation einstufen. Das kündigte US-Präsident Trump am Sonntagmittag (Ortszeit) auf Twitter mit. Weitere Einzelheiten nannte er nicht. Wie das mangels Organisationsstrukturen des losen Bündnisses funktionieren soll, blieb offen.

Die Mitteldeutsche Zeitung liefert diese Einordnung überhaupt nicht. Sie stellt sogar in der Überschrift noch eine problematische Verknüpfung her, indem sie schreibt:

Als habe der Tod von George Floyd direkt etwas mit Trumps Reaktion zu tun. Man könnte sogar denken, dass „die Antifa“, die hier nicht mal in Anführungszeichen gesetzt ist, für den Tod Floyds verantwortlich gemacht wird.

Beide Meldungen beruhen offenbar auf einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur, in der es heißt:

Die US-Regierung will die Antifa-Bewegung in Amerika als Terrororganisation einstufen. Das kündigte US-Präsident Donald Trump am Sonntag auf Twitter an. Weitere Einzelheiten nannte er nicht. Wie das mangels Organisationsstrukturen des losen Bündnisses funktionieren soll, blieb offen.

Nachtrag (01. Juni 2020, 07.15 Uhr): Dem Tagesspiegel und der Mitteldeutschen Zeitung gesellen sich auch andere Medien hinzu, darunter tagesschau.de und wdr.de.

Update (01.06.2020, 07.30 Uhr): Kollegin Nora Hespers macht noch auf einen Aspekt aufmerksam.

Diskussion unter meinem Tweet:

Disclaimer: Ich arbeite als freier Mitarbeiter für den WDR.

Wie Medien Suizide verhindern können

Medien haben eine große Verantwortung, wenn sie über Suizide berichten. Sie können Nachahmer motivieren, aber auch von einem Versuch abhalten, sagte der Wiener Mediziner Thomas Niederkrotenthaler im Deutschlandfunk. Ausschlaggebend sei die Art und Weise, wie Medien berichten. Mit Thomas Niederkrotenthaler habe ich für @mediasres im Deutschlandfunk gesprochen.

Kritik ohne Traute

Zu meinem Kommentar über die Kontroverse zwischen dem Virologen Christian Drosten und der „Bild“-Zeitung habe ich gestern direkt nach Ausstrahlung im Deutschlandfunk einen Kommentar hier im Blog erhalten. Abgelegt auf der Seite „Über mich“. Er lautet:

Hallo Herr Fries,
echt lächerlich, was Sie heute (27.Mai 2020) im DLF über die „Wahrheit“ in Sachen Drohten / BILD vom Stapel gelassen haben.
Peinlich…, einfach nur peinlich, wie man als DLF-Hörer für blöd verkauft wird!

Ciao

Ich diskutiere gerne über meine Beiträge und Kommentare, aber wer so etwas so schreibt und hinterlässt, dabei nicht mal eine Mailadresse angibt und deswegen auch keine Benachrichtigung zu meiner Antwort bekommt, hat offenbar kein Interesse an einer Diskussion. Schade. Denn es gäbe sicher gute Argumente gegen meine Meinung, und möglicherweise habe ich auch Fehler gemacht.

Wer Medien kritisiert, sollte auch in der Lage sein, seine Kritik zu begründen, zu ihr zu stehen und gleichfalls Kritik entgegenzunehmen. So einen unbegründeten Satz hinzuschreiben, sich selbst als blöd verkauft darzustellen, dann aber selbst nicht genug Traute zu haben, in die Diskussion zu gehen, hilft höchstens dabei, mal Dampf abzulassen, aber nicht dabei, inhaltlich weiterzukommen. Schade, es war eine vertane Chance.

Virologe Christian Drosten zeigt der Bild-Zeitung ihre Grenzen auf: Das Ende der Deutungshoheit

In den letzten Tagen haben der Virologe Christian Drosten und die Bild-Zeitung miteinander gestritten. Es ging um die Frage, ob eine Studie Drostens fehlerhaft ist und wegen dieser Studie Schulen und Kindergärten unverhältnismäßig lang geschlossen waren. Die Bild unterstellte das, legte aber keine Argumente vor.

 

Drosten weigerte sich wohl auch deshalb, eine Anfrage der Zeitung zu beantworten. Die hielt an ihrer Linie fest – und landete damit Schiffbruch. Denn mittlerweile können sich Betroffene von Bild-Berichterstattung öffentlich wehren – und dafür liefert die Bild immer wieder Gründe. Mein Kommentar für @mediasres im Deutschlandfunk.

Zufriedenheit auf Rekordhoch – Unzufriedenheit auf Rekordtief

Es ist schon ein paar Wochen her, aber da es zum Thema Umfragen passt, mit dem ich mich immer wieder beschäftige, will ich noch drauf hinweisen, wie die Bild-Zeitung das Ergebnis einer Umfrage darstellt.

Ich bin diesmal nicht der Frage nachgegangen, ob die Umfrage seriös zustandegekommen ist. Interessant ist in diesem Fall die Darstellung des Ergebnisses. Möglicherweise, weil der Redaktion das Umfrageergebnis nicht passt, dreht sie es in der Darstellung einfach auf den Kopf. Statt zu schreiben, dass die Zufriedenheit mit der Bundesregierung so hoch ist wie nie, schreibt sie einfach, dass die Unzufriedenheit auf einem Rekordtief sei. Das ist schon ein interessanter Spin und eine Frage des Framings.

Die ganze Geschichte hat das Bildblog aufgeschrieben.

Die Kunst des guten Interviews – Überblick über alle Folgen

So, jetzt habe ich meine Sendung über „Die Kunst des guten Interviews“ genug ausgeschlachtet, aber es gab einfach so viel schönes Material, das ich nicht verwenden konnte oder das es wert war, noch mal ausführlich angehört und angesehen zu werden.

Hier ein Überblick über die Reihe mit Vertiefungen und Outtakes:

(1) Als Brand Nowottny auflaufen ließ

(2) Als ein BBC-Moderator zwölfmal dieselbe Frage stellte

(3) Als Hofreiter neun Minuten lang eine Frage nicht beantworten wollte

(4) Als Christine Lieberknecht mal alle Fragen egal waren

(5) Als der Moderator dem Gast erklären muss, was ein Interview ist

(6) Wie Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz haarscharf an der Frage vorbei antwortet

(7) Als Sigmar Gabriel auf 180 war

(8) Wie die FPÖ zum Großangriff auf den ORF blies

(9) Wie ein Befragter einfach schwieg

(10) Wie Roger Willemsen mal Helmut Markwort in die Ecke trieb

(11) Als sich ein Fußballer mal selbst interviewte

(12) Wie Alexander Gauland mal blank lag

(13) Wie Moderatoren gegen Framing vorgehen

(14) Blinde Flecke

(15) Warum man eine Abgeordnete fragen kann, was sie im Parlament verloren hat

(16) Wie Franz Josef Strauß Journalisten angriff

(17) Wie wichtig gutes Zuhören ist

Die Kunst des guten Interviews (21): „Und läuft das jetzt live über den Sender?“

Zum Abschluss meiner Outtakes zu meiner Sendung über „Die Kunst des guten Interviews“ im Deutschlandfunk noch ein letzter Hinweis auf ein Interview, das es auch nicht in die Sendung geschafft hat. Kollegin Sandra Müller weist darauf hin und hat damals ausführlich darüber geschrieben, warum sie es so bemerkenswert findet.

Es gibt Radiostücke, die gehen ganz unfreiwillig in die Radiogeschichte ein. Dieses DLF-Interview mit Heiner Geißler zum Beispiel. Denn wenn sich Moderator und Interviewpartner in die Wolle kriegen – und zwar live auf Sendung! – dann ist das schon ein echter Hinhörer. Aber warum eigentlich? Weil es uns als Hörer staunen macht? Weil das Interview eine völlig überraschende Wende nimmt? Weil man live dabei ist, wenn ein Interview auf die falsche Spur abbiegt? Vermutlich alles zusammen.

Auf ihrer Webseite analysiert sie das Gespräch Schritt für Schritt (PDF). Eine gute Übung für Interviewschüler.

Die Kunst des guten Interviews (20): „Jetzt können Sie mir Fragen stellen“

Über die Interviews des österreich-kanadischen Industriellen Frank Stronach, der vor rund zehne Jahren mit seiner nach ihm benannten Partei („Team Stronach“) ins österreichische Parlament wollte, habe ich hier schon mal geschrieben. Jetzt bin ich noch auf ein unterhaltsames Gespräch gestoßen, das er 2012 mit Lou Lorenz in der ZiB2 geführt hat. Er hält einen fast zweieinhalbminütigen Monolog, in den Lorenz vorstoßen will, bis er endlich sagt: „Jetzt können Sie mir Fragen stellen.“

„Lassen Sie uns den Quatsch beenden: Die Kunst des guten Interviews“ – mein Feature im Deutschlandfunk.

Die Kunst des guten Interviews (19): Das Konfrontieren

Dass ein Interviewpartner mit kritischen Äußerungen aus seiner Vergangenheit konfrontiert ist, sollte diesen nicht überraschen – vor allem nicht bei seinem ersten großen Interview nach seiner Wahl zum AfD-Bundesvorsitzenden. So ist es Tino Chrupalla ergangen, den Theo Koll interviewt hat.

Chrupalla macht es Koll natürlich leicht, aber Koll ist auch entsprechend gut vorbereitet, weil er die strittigen Äußerungen, die er Chrupalla vorwirft, auch per O-Ton bzw. Filmeinspielung belegen kann; das macht es Chrupalla schwierig, auszuweichen. Am Ende führt Chrupalla sich selbst vor.

Wie ich mal verkachelt wurde

Gelegentlich hab ich mich hier darüber beschwert, wie Aussagen auf Zitatkacheln verkürzt werden und nicht zu einem vernünftigen Diskurs über Themen beitragen.

Jetzt ist es passiert – ich bin selbst auf einer gelandet. Allerdings ohne mein Wissen. ZDFkultur hat ein Zitat aus meiner Betrachtung des Begriffs „Verschwörungstheorie“ verkachelt.