Tutzinger Radiotage: Journalisten müssen Frames genauso checken wie Fakten

Wie wichtig Sprache in der öffentlichen Auseinandersetzung ist, haben die letzten Tage besonders deutlich gezeigt. Gab es in Chemnitz nun eine „Hetzjagd“ oder nicht? Was ist eigentlich eine Hetzjagd? Ab wieviel Meter ist es eine? Wie unterscheidet sie sich von „Jagdszenen“? Und lenkt diese Diskussion über Sprache nicht vom eigentlichen Inhalt ab?

Bei den Tutzinger Radiotagen hat Friederike Herrmann von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt darauf hingewiesen, dass jedes Wort bei uns einen sprachlichen Frame eröffnet. Es gibt keinen objektiven Sinn von Wörtern, wir schöpfen aus unserer Erfahrung, was wir damit verbinden – nicht nur aus unserer individuellen, sondern aus unserer kollektiven Erfahrung als Gruppe, die sich unterhält.

Ihre Thesen:

These 1: Frames sind Deutungsrahmen, die den Informationen, die Sie wahrnehmen, Sinn geben.

Aus den Worten erschaffen wir einen Sinn.

These 2: Framing beschreibt Wirklichkeit nicht nur, es erschafft sie. Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist das Produkt von Frames.

Woran denken Sie, wenn Sie nicht an einen rosa Elefanten denken sollen? Genau an den.

These 3: Die Negierungsfalle: Frames lösen sich nicht dadurch auf, dass man gegen sie verneint. Im Gegenteil: Die Wiederholung von Frames führt dazu, dass sie sich in den Köpfen vefestigen – selbst wenn man gegen sie argumentiert.

Eine Negation funktioniert nicht, denn in ihr wird die eigentliche Aussage wiederholt. Vom Satz „Ausländer sind nicht krimineller als Deutsche“ bleiben nur die inhaltlichen Frames übrig, die die Schlagworte „Ausländer“ und „kriminell“ transportieren. Das „nicht“ funktioniert bei uns nicht.

These 4: Frames prägen unbemerkt unser Weltbild. Durch Frames kann unbemerkt Ideologie – z.B. in Form von rechtspopulistischen Behauptungen – in Sprache und Denken von Medien, Bürgerinnen und Bürgern einfließen.

Es geht um Begriffe wie „Flüchtlingswelle“ und „Überfremdung“, die eine negative Konnotation haben, aber mittlerweile wie selbstverständlich im politischen Diskurs verwendet werden. CSU-Chef und der heutige Bundesinnenminister Horst Seehofer benutzt seit 2015 – wohl mehr bewusst als unbewusst – solche Begriffe, wenn er von „Herrschaft des Unrechts“ spricht oder von Migration/Migrationspolitik als „Mutter aller Probleme“. Auch Söders/Dobrindts „Asyltourismus“ fällt in diese Kategorie.

Friederike Herrmann fordert, dass Journalisten solche Frames genauso routiniert überprüfen sollten wie sie das mit Fakten tun.

These 5: Man kann nicht nicht framen.

Jeder Begriff ruft einen Frame auf, einen Rahmen. Herrmann verweist auf das Bild eines Glases, das zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist. Ist es halb voll oder halb leer? Wie formuliert man es neutral? Das Beispiel zeigt, wie schwierig es sein kann, ohne Frames zu berichten – oder mit solchen, die möglichst wenig vorgeben.

These 6: Frames müssen in der Wahrnehmung verankert sein.

Frames lassen sich nicht beliebig setzen, man braucht einen Resonanzboden, an den man andocken können muss.

Zusammenfassung

Medien sind in die Journalisten meistens unbewusste Dynamik eingebunden, Frames von Politik und öffentlichen Diskursen zu transportieren. Politiker kämen mit ihren Rahmensetzungen nicht weiter, wenn Journalisten sie nicht wörtlich zitieren bzw. ihre Aussagen so weitergeben würden. Frames zu beschreiben, bietet die Chance, darüber aufzuklären und sie bewusst zu machen. Wird ein Frame erkannt und beschrieben, kann man sich seiner Deutungsmacht entziehen.

So bastelt man sich das gewünschte Umfrageergebnis

Stellen Sie sich vor, Sie wollen gute Nachrichten verkünden, arbeiten aber in einer Branche, in der das etwas schwierig ist. Sagen wir mal, in der Atomwirtschaft. Oder in der Dieselbranche. Oder bei einem Zeitungsverlag.

Wenn sie für den gute Zukunftsaussichten verkünden wollen, können sie Print natürlich in einer Pressemitteilung in hohen Tönen loben. Aber dass der Verlag sich selbst gut findet und will, dass das auch in Zukunft so ist, ist natürlich keine Nachricht. Also fragen Sie doch einfach ein paar Leute, was die so glauben. Eine Umfrage macht sich immer gut, klingt wissenschaftlich (wenn sie von einem sogenannte Umfrageinstitut kommt – schon der Name!) und ist leicht zu verdauender Content, den auch Nachrichtenagenturen gerne aufgreifen.

Jetzt überlegen Sie, was Sie fragen wollen. Sagen wir mal: Kaufen Sie Zeitungen? Nee, das ist blöd, das kann man ja an Auflagen und Verkaufszahlen feststellen. Dann besser: Kaufen Sie in zehn Jahren noch gerne Zeitungen? Nee, auch nicht gut, das will und kann heute sicher keiner sagen. Das Ergebnis stünde uns dann wohl nicht so gut zu Gesicht. Dann so: Haben Zeitungen Zukunft? Oder etwas plakativer: Sind Printmedien in zehn Jahren tot? Und das lassen wir dann bewerten.

Das hat den Vorteil, dass die Leute Prognosen abgeben müssen, obwohl sie keinerlei Kenntnis des Marktes haben – das kann nur gut für uns sein. Und sie müssen die Zeitung nicht mal selber kaufen – es reicht, dass sie glauben, das genug andere das tun. Sehr gut, das nehmen wir.

Ein Blick in die Glaskugel

Und als Antwortmöglichkeiten? „Weiß nicht“ ist blöd, das würden zu viele sagen, das lassen wir mal weg. „Ja“ und „Nein“ ist vielleicht etwas simpel, zumal die Leute ja nicht vom Fach sind – am Ende legen sie sich auf das falsche fest. Also nehmen wir

  • trifft voll und ganz zu
  • trifft eher zu
  • trifft eher nicht zu
  • trifft ganz und gar nicht zu.

Dann können wir am Ende jeweils zwei Blocks zusammenrechnen und kriegen trotzdem unser Ja oder Nein. Sehr gut. Dann also mal los.

Keine Ahnung, ob sich „Next Media Hamburg“, die „Standortinitiative der Hamburger Digital- und Medienwirtschaft“, ihre Umfrage so ausgedacht hat. Sie hat aber Statista für sie danach fragen lassen- mit diesem Ergebnis:

Bewerten Sie folgende Aussage: Printmedien sind in zehn Jahren tot.

  • 42 %: Trifft eher nicht zu
  • 15 %: Trifft ganz und gar nicht zu
  • 9 %: Trifft voll und ganz zu
  • 34 %: Trifft eher zu

Sieht also ganz gut aus für die Zeitungen. Zusammengerechnet 57 Prozent sagen, dass es ihn zehn Jahren eher noch Printmedien gibt. Ist natürlich eine unqualifizierte Prognose von Fachfremden. Und weil die ja nicht mal sagen mussten, ob sie selbst in zehn Jahren noch Zeitungen kaufen, fällt sie auch nicht so schlecht aus.

Und dann ist das Gute ja auch, dass man diese Zahlen auch noch gewagt interpretieren kann. Next Media schreibt nämlich:

Mehr als die Hälfte der Deutschen hält an Print-Produkten wie der Tageszeitung fest!

Nach Festhalten wurde natürlich nicht gefragt. Gefragt wurde lediglich, ob die Leute glauben, dass es sie in zehn Jahren noch gibt. Das heißt aber nicht, dass sie selbst sie in zehn Jahren noch kaufen werden.

Mehr als eine Behauptung ist diese Interpretation also nicht. Lustigerweise schreibt Nextmedia selbst:

Behauptet ist vieles ganz schnell. Dass Print tot ist, zum Beispiel. Dass dem nicht so ist, zeigt die repräsentative Studie, die Statista im Auftrag von nextMedia.Hamburg durchgeführt hat.

Nö, zeigt sie nicht. Aber wenn man so eine Botschaft brauchen würde, könnte man sie sich ja bestellen.

Bedrohte Journalisten vermissen Solidarität gegen Hass und Hetze

Journalisten sind Ziel von Hetze und Drohungen – weil sie nicht so berichten, wie sich manche das wünschen. Eigentlich müssten sie zusammenstehen. Doch Betroffene fühlen sich teils von Kollegen und Chefs im Stich gelassen. Mein Beitrag für @mediasres im Deutschlandfunk.

Linkspartei fordert staatlichen Beauftragten für Pressefreiheit

Nach den Angriffen auf Journalisten am Wochenende in Chemnitz fordert die Bundestagsfraktion der Linken einen staatlichen Beauftragten für Pressefreiheit. Den sollten Bund und Länder gemeinsam ernennen. Die medienpolitische Sprecherin der Fraktion, Doris Achelwilm, verweist darauf, dass es immer noch Straftaten und sogar Gewalttaten gegen Journalisten gibt.

Das Bundesinnenministerium hat in diesem Jahr bereits 29 Angriffe gezählt, teilte sie Achelwilm als Antwort auf eine Kleine Anfrage mit. Die Zahl ist rückläufig, Achelwilm hält die Dunkelziffer aber für höher. Die Angriffe in Chemnitz sind in der Zahl noch nicht enthalten. Ich habe mit ihr für @mediasres im Deutschlandfunk über ihre Einschätzung und ihre Forderung gesprochen (Audio-Link).

16 Millionen Strafe für den Kölner Stadt-Anzeiger: Die Claims der Zeitungsverlage

Wer sich in der Region Köln/Bonn in den letzten fast 20 Jahren darüber gewundert hat, dass seine Lokalzeitung schlechter geworden ist, weiß jetzt warum: Der Kölner Stadt-Anzeiger und der Bonner General-Anzeiger haben sich jahrelang darüber abgesprochen, wer in welchem Gebiet die dominante Zeitung sein soll. Die jeweils andere hat sich zurückgezogen: den Lokalteil ausgedünnt, Journalisten entlassen, die Zustellung verzögert. Ziel: Die Leser sollten zur jeweiligen Konkurrenz wechseln.

Wegen dieser illegalen Absprache hat das Bundeskartellamt jetzt eine Geldstrafe erlassen – allerdings nur gegen die DuMont-Mediengruppe, in der der Kölner Stadt-Anzeiger erscheint. Die muss 16 Millionen Euro zahlen – und will das nach WDR-Informationen auch tun. Die neue Geschäftsführung fühlt sich für die Entscheidung ihrer Vorgängerin nicht verantwortlich und will das Thema schnell hinter sich lassen.

Der Bonner General-Anzeiger geht straffrei aus. Er macht von der Kronzeugenregelung Gebrauch, nach der derjenige, der ein Kartellvergehen zur Anzeige bringt, nicht bestraft wird.

Der Zeitungsforscher Horst Röper vom Formatt-Institut in Dortmund findet solche Absprachen nicht überraschend. Die gibt es nach seinen Informationen in Deutschland flächendeckend, kann aber in der Regel nicht bewiesen werden, weswegen das Bundeskartellamt machtlos sei. Ich habe mit ihm für @mediasres im Deutschlandfunk darüber gesprochen, wie er den Fall einschätzt (Link zum Audio).

Vom Erfolg einer Findemaschine

20 Jahre nach seiner Gründung ist Google in fast alle unsere Lebensbereiche vorgedrungen: Jede Suchanfrage formt mein Profil genauso wie jede meiner Bewegungen auf Google Maps und das YouTube Video, das ich gerade schaue. Das könnte ein Problem für unsere Gesellschaft werden, habe ich im Deutschlandfunk kommentiert.

Interview mit einem Pegida-Anhänger – gut oder schlecht?

Am vergangenen Donnerstag hat sich „Herr Müller“ Luft verschafft. Im Deutschlandfunk-Podcast „Der Tag“ hat der Pegida-Anhänger ausführlich erzählt, warum er die Ziele der Gruppe unterstützt, warum es ihm nichts ausmacht, neben Rechtsextremen zu demonstrieren und was er an der deutschen Flüchtlingspolitik ablehnt. Es war ein ungewöhnliches Gespräch mit Moderator Philipp May, weil solche Aussagen zumindest von Nicht-Politikern selten so viel Raum bekommen.

Das Interview hat verhältnismäßig viel Lob und Kritik hervorgerufen, weswegen sich Philipp und „Der Tag“-Kollegin Ann-Kathrin Büüsker in der heutigen Ausgabe des Podcasts ausführlich darüber unterhalten: wie es zum Gespräch gekommen ist, wie sich Philipp dabei gefühlt hat, wie die Reaktionen waren. Beide machen sich Gedanken darüber, ob es richtig war, das Gespräch zu führen, und ob es richtig war, das Gespräch so zu führen.

Eine transparente und selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit, die sich lohnt anzuhören.

P.S.: Philipp und Ann-Kathrin sprechen eine Zeit lang über einen Faktencheck während eines bzw. nach einem Interview. Die Kollegen bei DLF Kultur haben das neulich mal nach einem Interview mit Thilo Sarrazin gemacht.

Offenlegung: Ich arbeite als freier Mitarbeiter für den Deutschlandfunk.

Wie Jean-Claude Juncker eine Minderheit zur Mehrheit umdeutet

Eine Uhr, die noch händisch umgestellt werden muss (Foto: Stefan Fries)

Etwas Gutes hat die Diskussion über die Zeitumstellung in der EU ja. Sie lenkt den Blick darauf, wie unsinnig manch eine Umfrage sein kann, die für politische Entscheidungen herangezogen wird.

„Millionen haben geantwortet und sind der Auffassung, dass es so sein sollte, dass die Sommerzeit in Zukunft für alle Zeit gilt. So wird das auch kommen“, sagt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. „Die Menschen wollen das, wir machen das.“

Aber wollen „die Menschen“ das wirklich? Die Mehrheit von denen, die abgestimmt haben, offenbar schon – aber sind das auch „die Menschen“?

Juncker beruft sich auf die Online-Umfrage, die die EU zu dem Thema durchgeführt hat. Es sollte ursprünglich mal lediglich eine unverbindliche Befragung werden, die ein Stimmungsbild abfragen und die EU-Kommission lediglich darin unterstützen sollte, einen Vorschlag zu dem Thema vorzulegen. Die 80 Prozent gegen die Zeitumstellung scheinen Juncker aber so eindeutig zu sein, dass er all das außer acht lässt, was diese Umfrage als völlig ungeeignet macht, um wirklich aussagekräftig zu sein.

Wie aussagekräftig ist die Umfrage?

In der EU leben 512 Millionen Menschen. Rund 400 Millionen sind wahlberechtigt. An der Abstimmung beteiligt haben sich 4,6 Millionen Menschen, also rund 1,1 Prozent aller EU-Bürger. Schon das ist nicht viel.

Von den 4,6 Millionen stimmen kamen alleine 3 Millionen aus Deutschland, also rund 65 Prozent. Bei den wahlberechtigten EU-Bürgern machen die Deutschen allerdings nur 15 Prozent aus, sind also in der Umfrage krass überrepräsentiert.

Hätte die Umfrage repräsentativ sein sollen, hätte man darauf achten müssen, dass die befragte Gruppe insgesamt repräsentativ ist. Das hieße, dass alle Altersgruppen in genau der Stärke in der befragten Gruppe vertreten sein müssten wie in der Gesamtbevölkerung der EU. Gleiches gilt für die Verteilung von Männern und Frauen und bei einer EU-weiten Umfrage definitiv auch für die Verteilung der Nationalitäten.

Repräsentativität wurde hier aber von Anfang an gar nicht angestrebt und die Umfrage deshalb auch nicht so konzipiert. Wer sich beteiligt hat, hat das freiwillig getan. Und dabei tritt ein Effekt auf, den der Statistiker Gerd Bosbach von der Hochschule Koblenz so beschreibt:

Antworten tun die, die ein starkes Interesse an dem Thema haben. Erfolg ist, dass man quasi nur Aussagen einer ganz, ganz speziellen Gruppe – das sind meistens die starken Befürworter für irgendwas oder die starken Gegner davon – von denen hat man dann Aussagen, und die lassen sich leider überhaupt nicht übertragen auf die Gesamtheit der Menschen.

Da verwundert es nicht, dass die Gegner der Zeitumstellung im Ergebnis so stark vertreten sind. Wer unter der Umstellung gesundheitlich leidet, hat eine hohe Motivation, abzustimmen. Wer das nicht tut, sondern lediglich die langen Sommerabende genießt, verspürt diesen Druck weniger. Und wem es egal ist, der beteiligt sich noch weniger.

Hat Pech gehabt, wer nicht mit abgestimmt hat?

Nun könnte man sagen, dass man darauf ja keine Rücksicht nehmen muss, denn wer dazu keine Meinung hat, den wird weder die Beibehaltung der Zeitumstellung noch ihre Abschaffung wirklich interessieren.

Das ist ein Argument, das man für allgemeine Wahlen gelten lassen kann. Wer nicht teilnimmt, muss tatsächlich mit dem Wahlergebnis zurechtkommen und auch mit den politischen Entscheidungen, die später getroffen werden. Der Unterschied liegt aber zum einen darin, dass eine Wahl so eine Art Meinungsumfrage in Vollerhebung ist (konkret: alle Wahlberechtigen werden danach befragt, welche Partei ihrer Meinung nach ins Parlament einziehen sollte) und keine freiwillige Abstimmung. Und zum anderen werden alle Wahlberechtigten über die Wahl informiert. Selbst wer sich nicht in Medien informiert und im Stadtbild keine Wahlwerbung wahrnimmt, bekommt Wahltermin und -ort per Post mitgeteilt.

Von der Online-Umfrage werden dagegen vor allem diejenigen erfahren haben, die sich ohnehin mit dem Thema beschäftigen oder die zufällig auf die weiteren Meldungen in der Politikberichterstattung stoßen. Und selbst wenn sie davon wussten und ein Interesse am Thema haben, müssen sie sich nicht beteiligt haben: Die EU-Kommission hat die Umfrage von Anfang an als unverbindliches Stimmungsbild bezeichnet, von dem man keine unmittelbare politische Bindungskraft erwarten musste.

Im Endeffekt ist das Ergebnis enorm verzerrt. Das dürfte auch Juncker wissen. Warum er es dennoch so stark gelten lässt, mögen andere beurteilen.

Wie wichtig nehmen Politiker Umfragen?

Die Umfrage wirft aber ein interessantes Schlaglicht darauf, welchen enormen Stellenwerten solche Abstimmungen in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen einnehmen – und auch in der täglichen Politik.

Politiker, die gute Werte für sie als verlässliches Stimmungsbild sehen und schlechte Werte als verzerrtes Bild abtun, das ihrer persönlichen Wahrnehmung widerspricht. Politiker, die vor einer Landtagswahl enorme Zustimmung für den politischen Gegner sehen und daraufhin ihren Wahlkampf radikalisieren. Politiker, die mit dem Rückenwind von Umfragen versuchen, politische Entscheidungen durchzusetzen, „die die Menschen so wollen“ – ganz gleich, wie verlässlich die Ergebnisse sind.

Natürlich steht es der EU-Kommission frei, einen Vorschlag vorzulegen, wie mit der Zeitumstellung verfahren werden soll, über den dann auch das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten abstimmen. Sich aber auf eine dermaßen schräge Umfrage zu berufen, ist als politisches Argument lächerlich – und auch eine Form von Populismus.