Sprachkritik am DFB: Verband distanziert sich von eigenem Sponsor

Der „Verein Deutsche Sprache“ zeichnet jedes Jahr mit einem Negativpreis die „Sprachpanscher des Jahres“ aus. In diesem Jahr ging der Hauptpreis an den Deutschen Fußball-Bund – mit folgender Begründung:

Sein Motto „Best never rest“, mit dem der DFB zur missglückten WM-Verteidigung in Russland angetreten war, klänge nach Meinung erzürnter Sprachfreunde wie die ungelenke Formulierung eines russischen Englischschülers im ersten Lernjahr. Auch der Aufdruck „Germany“ auf verschiedenen Kleidungsstücken wurde oft moniert.

(Die erzünte Sprachfreundin war übrigens die Russland-Korrespondentin Katrin Scheib, die das im März so kommentierte.)

Mit der Kritik kann der DFB aber überhaupt nicht umgehen. Gestern setzte er dazu diesen Tweet ab:

Interessant, wie sich der DFB hier von seinem eigenen Sponsor Mercedes Benz distanziert. Als habe der eine mit dem anderen gar nichts zu tun. Als habe Mercedes die Nationalelf gegen deren Willen gesponsert. Als habe sich die Mannschaft gegen ihren Willen in den Mannschaftsbus gesetzt und Mercedes auch das DFB-Logo einfach so verwendet.

Tatsächlich hat der DFB weder bei @dfb_team noch bei @dfb den entsprechenden Hashtag oder auch nur den Slogan benutzt. Aber sie haben den Slogan unterstützt – wie sich auch an den Retweets des entsprechenden Hashtags durch @dfb_team zeigt.

Es ist schon eine bemerkenswerte Übung in Kritikfähigkeit, die der DFB hier zeigt. Da geht praktisch komplett unter, dass der Verein Deutsche Sprache den Urheber des Slogans tatsächlich falsch ausgemacht hat. Er müsste sich an Mercedes richten. Dass der DFB aber nun plötzlich nichts mehr damit zu tun haben will, wie er hier behauptet, ist von einer interessanten Verantwortungslosigkeit.

Und noch was: Mit seinem Tweet hat er den berühmten Streisand-Effekt ausgelöst. Ohne ihn hätten nie so viele Menschen von der Auszeichnung des publizistisch weniger beachteten Vereins Deutsche Sprache erfahren. Ihn wird’s freuen.

Junge Menschen vertrauen YouTubern – aber wie kritisch begegnen sie ihnen?

Über Politik informieren sich junge Menschen heute längst nicht mehr ausschließlich über klassische Medien wie die Tageszeitung oder die Tagesschau, sondern vor allem bei YouTube. Wie kritisch jungen Menschen solche Videos aufnehmen, untersucht jetzt ein Forschungsprojekt der Universität Köln. Mein Beitrag für @mediasres im Deutschlandfunk.

Focus-Journalist Helmut Markwort als FDP-Landtagskandidat: Verwischte Grenzen

Obwohl er als FDP-Politiker für den bayerischen Landtag kandidiert, schreibt Ex-Chefredakteur Helmut Markwort im Magazin „Focus“ weiter über politische Themen. Er kritisiert CDU, CSU und SPD, schreibt über Kindergeld und Koalitionskrise. Das ist durchaus interessant, weil man solche politischen Äußerungen ja nicht nur ihm als Journalisten zurechnen muss, sondern auch dem Politiker im Wahlkampf.

Selbst wenn er seine Kandidatur auch mal erwähnt, ist so eine Doppelrolle nicht unproblematisch. Der Bayerische Rundfunk hat Markwort deswegen schon im April die Moderation seiner Talkshow „Sonntags-Stammtisch“ entzogen.

So eine Doppelrolle „kann auch ein Eigentor werden“, warnt Christian Schicha, Professor für Medienethik an der Universität Nürnberg-Erlangen. Natürlich dürfe Markwort Wahlwerbung machen, sagte er im Deutschlandfunk: „Allerdings ist es aus meiner Sicht wichtig zu trennen zwischen der angestrebten politischen Funktion und dem journalistischen Bereich.“ Während der Wahlkampfphase solle er lieber auf seine Kolumne verzichten, so Schicha.

Ich habe für @mediasres im Deutschlandfunk mit Christian Schicha gesprochen.

Medien entschuldigen NRW-Innenminister Herbert Reul, der dafür selbst keinen Anlass sieht

Der Plan von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) ist offenbar aufgegangen. Fast alle Medien haben berichtet, er habe sich für seine umstrittene Äußerung vom Mittwoch entschuldigt. Und das, ohne dass er sich wirklich entschuldigt hat.

Zeit online schreibt:

Die Frankfurter Rundschau schreibt online:

Und die WAZ:

Spiegel online:

Bild Düsseldorf:

Freie Presse:

Nach zwei Tagen hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zumindest eingesehen, dass seine Justizschelte nicht sonderlich klug war. In der Rheinischen Post hatte Reul am Donnerstag das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster im Fall Sami A. kritisiert:

Die Unabhängigkeit von Gerichten ist ein hohes Gut. Aber Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen. (…) Wenn die Bürger Gerichtsentscheidungen nicht mehr verstehen, ist das Wasser auf die Mühlen der Extremen.

Reul forderte also indirekt, dass sich Gerichte nicht nach den Gesetzen richten sollten, die Politiker wie er selbst zuvor selbst gemacht hatten, sondern sich nach einer Art Meinung der Masse richten sollten. Dass Reul für diese fragwürdige Haltung stark kritisiert wurde, sollte ihn nicht verwundern.

Am Freitag veröffentlichte er eine Erklärung, in der er sich scheinbar von seinen früheren Worten distanzierte. Wenn man sich die Erklärung im Wortlaut (zu finden u.a. hier) durchliest, merkt man aber, dass er das nur begrenzt tut.

„Die Unabhängigkeit von Gerichten ist ein hohes Gut.“ – so lautet der erste Satz meiner Aussage. Das bedeutet für mich natürlich, dass Richter ihre Entscheidungen nach Recht und Gesetz treffen müssen und sich die Verwaltung an diese Gerichtsentscheidungen hält. Diese Grundsätze des Rechtsstaatsprinzips sind für mich selbstverständlich. Mir ist inzwischen klar geworden, dass meine Erklärung in dieser Hinsicht missverstanden werden konnte. Das bedauere ich.

Mir ging es bei meiner Äußerung darum, auf die öffentliche Wirkung des Beschlusses des Gerichtes zur Rückholung eines ausreisepflichtigen Gefährders und seine möglichen Folgen für die gesellschaftspolitische Debatte hinzuweisen. Ich habe die große Sorge, dass die Bürgerinnen und Bürger die Entscheidungen staatlicher Institutionen immer weniger verstehen. Alle staatlichen Gewalten sollten daher mehr Aufmerksamkeit darauf verwenden, ihr Handeln zu erklären.

An keiner Stelle entschuldigt sich Reul ausdrücklich für seine Äußerung oder nimmt sie zurück. Er bedauert nicht seine Worte, sondern deren Wirkung, wenn er sagt:

Mir ist inzwischen klar geworden, dass meine Erklärung in dieser Hinsicht missverstanden werden konnte.

Seine grundsätzliche Kritik an den Richtern gießt er nur in andere Worte.

Die Journalisten vieler Medien gehen aber einen Schritt weiter und machen daraus eine Entschuldigung, die Reul aber nie abgegeben hat. Teils basierten die Meldungen sicher auch auf einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa, die Reuls Erklärung ebenfalls als Entschuldigung gedeutet hat und schrieb:

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat sich für seine Gerichtsschelte im Fall Sami A. entschuldigt. Ihm sei inzwischen klar geworden, dass seine heftig umstrittene Äußerung über Gerichtsentscheidungen, die möglicherweise nicht im Einklang mit dem Rechtsempfinden der Bürger stünden, «missverstanden werden konnte», erklärte Reul am Freitag in einer Mitteilung. «Das bedaure ich.»

Sie rückte von dieser Interpretation auch auf Nachfrage nicht ab.

Immerhin machen es einige Medien durchaus besser, indem sie das Spiel offenlegen, das Reul spielt: Sie legen seine Erklärung nicht so weit aus, sondern ordnen sie stattdessen ein. Exemplarisch will ich aus dem Online-Artikel des WDR zitieren (ich arbeite für den Sender). Dort heißt es schon in der Überschrift:

Im Text steht dann:

In seiner Erklärung vom Freitag nahm Reul seine Kritik am höchsten NRW-Gericht nicht zurück, sondern formulierte sie nur anders…

So ist es.

„Sprechverbot“ und „Sprachpolizei“ – vom schwierigen Umgang mit Kritik

Manchmal wundere ich mich darüber, wie schlecht manche Menschen Kritik entgegennehmen oder vielmehr aushalten können. Oft gerade bei Journalisten.

In diesem Fall ist es Anne Will, die sich mit einem „Arbeits-, Denk- und Sprechverbot“ belegt sieht, weil der Deutsche Kulturrat vorgeschlagen hatte, Talkshows für ein Jahr auszusetzen. Egal, wie man die Forderung findet: Von einem Verbot war doch nie die Rede.

Der Geschäftsführer des Kulturrats, Olaf Zimmermann, hatte die führenden Talkshows im Juni mit diesen Worten kritisiert:

Mehr als 100 Talkshows im Ersten und im ZDF haben uns seit 2015 über die Themen Flüchtlinge und Islam informiert und dabei geholfen, die AfD bundestagsfähig zu machen. (…) Die Spaltung der Gesellschaft hat seit 2015 deutlich zugenommen. (…) Ich finde die Talkshows im Ersten und im ZDF sollten sich eine einjährige Auszeit nehmen und ihre Konzeptionen überarbeiten.

Will reagierte darauf im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur von heute (zu finden u.a. hier) so:

Ganz ehrlich, ich kannte den Deutschen Kulturrat gar nicht. Und wenn es darum gegangen ist, sich bekannter zu machen, dann hat das vielleicht geklappt. Ansonsten habe ich den Vorschlag nicht ganz ernst nehmen können. Wenn der Kulturrat für das eintritt, was sein Name suggeriert, dann kann er nicht mehreren Redaktionen Arbeits-, Denk- und Sprechverbot erteilen.

Mal davon abgesehen, dass der Kulturrat ja gar nicht in der Lage ist, etwas zu verbieten, ist schon interessant, dass solche Kritik gleich als Verbotsforderung wahrgenommen wird.

Das zeigt sich immer wieder. So wird etwa nach Kritik an sprachlichen Formulierungen gerne von Sprachpolizei gesprochen, so wie zuletzt Bundesinnenminister Horst Seehofer über die Kritik von Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Damit machen es sich die Kritisierten sehr leicht. In diesem Fall schrieb die Süddeutsche Zeitung zurecht, damit wolle Seehofer die Debatte abwürgen.

So scheint es mir auch bei Anne Will zu sein. Indem man Kritik als Verbotsforderung oder „Polizei“ diffamiert, muss man sich nicht weiter damit beschäftigen. Und wenn man die Kritik dann auch noch so falsch zitiert, dass sie nichts mehr mit der eigentlichen Forderung zu tun hat, kann man sie erst recht abtun.

„Sie haben eine differenzierte Meinung“ – wäre bloß die Frage nicht so undifferenziert

Hier mal wieder ein Beispiel dafür, dass viele Umfragen im Netz nicht sonderlich zielführend sind. t-online.de fragt – eingebunden in einen Beitrag über die Leistungen der öffentlich-rechtlichen Sender – danach, ob der Rundfunkbeitrag erhöht werden sollte.

(Screenshot: https://www.t-online.de/digital/id_84136290/hoerspiele-orchester-co-das-steckt-alles-in-17-50-euro-rundfunkbeitrag.html)

Darauf könnte man zwei einfache Antwortmöglichkeiten geben: Ja und Nein. Das wäre sauber gewesen. Stattdessen wird diesen Antwortmöglichkeiten aber jeweils noch eine Begründung beigefügt, die vielen das Antworten unmöglich machen dürfte. Denn ich könnte durchaus Ja oder Nein sagen wollen, aber jeweils mit einer anderen Begründung.

Nur mal als Beispiel: Hinter Nein könnten sich mindestens diese drei Deutungen verstecken:

  1. Nein, er ist jetzt schon zu hoch.
  2. Nein, er sollte gesenkt werden.
  3. Nein, er ist angemessen.

Stattdessen hat sich die Redaktion nur für eine Option entschieden, die ich aber gar nicht teilen muss. Auch für Ja gäbe es sicher mehr Auswahlmöglichkeiten.

Nun ist die Umfrage eingebunden in einen Artikel über die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, plattes Bashing vermute ich dahinter nicht – und eine Beeinflussung in Richtung Nein kann man dem Artikel auch nicht entnehmen. Die Umfrage zeigt aber mal wieder exemplarisch, welche begrenzte Aussagekraft diese spezielle Form hat – und dass es den Machern nicht (immer) um seriöse Ergebnisse geht.

Lustig ist, dass man nach dem Abstimmen das automatische Lob bekommt, man habe eine differenzierte Meinung. Wo doch die Frage so undifferenziert ist.

Korrespondentenalltag: Wie Mexiko deutsche Journalisten ausbremst

Wer als deutscher Korrespondent aus Mexiko berichtet, muss einiges umstellen: die innere Uhr, den Tagesablauf, die Erwartungen. Denn mexikanische Kultur und deutsche Redaktionsroutinen passen schlecht zusammen, erzählt unsere Korrespondentin Christina Fee Moebus. Mit ihr habe ich für unsere Sommerreihe über den Arbeitsalltag unserer Korrespondenten gesprochen.

Deutsche Welle beklagt Repressionen gegen Journalisten in Weißrussland

In Weißrussland sind nach Polizeirazzien mehrere Journalisten verhaftet worden, darunter auch der Deutsche Welle-Korrespondent Paulyuk Bykowski. Die Deutsche Welle hat mit Protest auf die Festnahme reagiert und fordert die sofortige Freilassung ihres Mitarbeiters. Dazu habe ich Ingo Mannteufel interviewt, den Leiter der Russischen Redaktion bei der Deutschen Welle.

Viele Politiker nehmen (bei Twitter) Umfrageunternehmen wichtiger als große Konzerne

Soziale Netzwerke werden für Politiker immer wichtiger. Inzwischen haben 73 Prozent der Bundestagsabgeordneten einen eigenen Twitter-Account, haben Rainer Faus und Leonie Schulz von der Agentur pollytix strategic research zusammengestellt. In einem Gastbeitrag für den Hamburger Wahlbeobachter haben sie analysiert, wie sich die Abgeordneten auf Twitter informieren, das bedeutet vor allem: wem sie folgen.

Besonders interessant finde ich, welches die meistgefolgten Unternehmen sind. Und das sind nicht etwa die größten Konzerne Deutschlands, die zum Beispiel in Sachen Arbeitsplätze wichtig sind oder politisch großen Einfluss nehmen wie etwa Mercedes, Volkswagen oder Siemens. Unter den Top10 sind gleich drei Unternehmen, die Zahlen aus Meinungs- und Wahlforschung präsentieren, nämlich Infratest Dimap, Pollytix und YouGov.

Die Aussagekraft dieser Zahlen ist natürlich begrenzt, aber die starke Präsenz von Meinungsforschungsunternehmen zeigt, wie wichtig Politiker diese offensichtlich nehmen. Und das trotz all der methodischen Probleme, die solche Umfragen mit sich bringen.