Medien als Helfershelfer von Terroristen?

Terroranschläge – wie der in Wien oder die in Frankreich – sind nicht nur eine Herausforderung für die Gesellschaft, sondern auch für Medien. Terroristen geht es darum, durch ihre Taten Angst und Schrecken zu erzeugen – dazu brauchen sie Medien. Und bringen sie damit in eine schwierige Lage:

Wie können sie berichten, ohne selbst Angst und Schrecken zu erzeugen? Wie vermeiden sie, laufende Polizeieinsätze zu behindern? Welche Bilder der Taten können sie zeigen? Wie verhindern sie es, dass Täter glorifiziert oder Opfer noch mal zu Opfern werden?

Über diese Fragen denkt unser Hörer Thorsten Wagner nach und spricht im Podcast mit Wulf Schmiese, Redaktionsleiter vom „ZDF heute journal“ und mir.

Zu hören zum Beispiel in der Dlf-Audiothek, bei Apple Podcasts (gerne dort eine Bewertung hinterlassen!), Spotify und anderen Podcatchern – verlinkt auch hier.

Haben sie Anmerkungen zu Medienthemen? Schreiben Sie uns an NachRedaktionsschluss@deutschlandfunk.de.

Klima und Journalismus: Tragen Medien eine Mitschuld an der drohenden Katastrophe?

Die Nachrichten über die Schäden, die die Klimaveränderungen heute schon anrichten, sind dramatisch. Allerdings schaffen es die wenigsten dieser Nachrichten auf die Titelseiten der Tageszeitungen oder finden sich in den Schlagzeilen der elektronischen Medien wieder.

Versagt hier der Journalismus mit seiner Informationspflicht? Und trägt der Journalismus eine Mitverantwortung, wenn die Politik nicht handelt? Ist unser Mediensystem überfordert, wenn es um solch komplexe Entwicklungen geht?

Wie kritisch die Situation wirklich ist, erführe sie zu selten aus den Medien, kritisiert unsere Hörerin Katrin Blankenhagen und diskutiert darüber mit Georg Ehring aus der DLF-Redaktion Umwelt und Verbraucher und Brigitte Baetz von @mediasres – in unserem neuen Podcast „Nach Redaktionsschluss“. Für Montage und Produktion war ich verantwortlich.

Abonnieren kann man den Podcast hier, die neue Folge anhören auch in der Dlf-Audiothek.

Presserat weist Beschwerden gegen taz-Kolumne ab

Der Presserat hat sich gegen eine Rüge für die umstrittene taz-Kolumne „All cops are berufsunfähig“ ausgesprochen, die im Juni für Aufsehen gesorgt hatte – vor allem deswegen, weil Bundesinnenminister Horst Seehofer angekündigt hatte, Strafanzeige zu stellen. Was er dann doch nicht tat.

Wegen der taz-Kolumne hatte es mehr als 300 Beschwerden beim Deutschen Presserat gegeben. Er wies diese unter anderem mit folgender Begründung ab:

Die Polizei als Teil der Exekutive muss sich gefallen lassen, von der Presse scharf kritisiert zu werden, bewertete der Beschwerdeausschuss. Die Satire bezieht sich im Kern auf die gesellschaftliche Debatte über strukturelle Probleme bei der Polizei wie Rechtsradikalismus, Gewalt und Rassismus.

Über die Entscheidung habe ich (schon am 8. September) in @mediasres im Deutschlandfunk berichtet (Audio-Link).

Haltungsjournalismus: Wie neutral müssen Medien sein?

Müssen Journalistinnen und Journalisten völlig neutral sein in ihren Berichten? Können sie das überhaupt? Oder dürfen sie sich bestimmten Werten verpflichtet fühlen, um Demokratie und Pressefreiheit hochzuhalten? Müssen Journalistinnen und Journalisten das sogar? Wo fängt Haltung an, hört Meinung auf und wo ist die Grenze zu Aktivismus überschritten?

Über diese vielen Fragen und Graubereichen diskutieren wir in der ersten Folge unseres neuen Medienpodcasts „Nach Redaktionsschluss“ mit unserer Hörerin Sophia Hilger und der ARD-„Panorama“-Moderatorin Anja Reschke. Wir, das sind Stefan Fries und Bettina Schmieding aus der Deutschlandfunk-Medienredaktion @mediasres.

Den RSS-Feed dazu gibt es hier. In der Dlf-Audiothek ist er hier zu hören.

Kongressveranstalter veröffentlichen Interview ohne Hinweis darauf, wie alt es ist

Der Virologe Christian Drosten wird heute mit einer Aussage zitiert, die aktuell klingt. Demnach hat er gesagt:

Wir müssen, um die Situation in den kommenden Monaten zu beherrschen, Dinge ändern. Die Pandemie wird jetzt erst richtig losgehen. Auch bei uns.

Das sorgte heute verständlicherweise für einige Schlagzeilen, die Drosten daraufhin richtigstellen musste. Denn seine Aussage sei schon ein paar Wochen alt, wie er unter anderem dem ZDF sagte. Über Details berichtet unter anderem Zeit online:

Das Gespräch wurde am Mittwoch im Vorfeld der im Oktober anstehenden Gesundheitskonferenz World Health Summit in Berlin veröffentlicht. Nach Angaben des World Health Summit vom Donnerstag war das Gespräch am 13. August geführt worden. Der Erscheinungstermin sei mit allen Beteiligten abgestimmt gewesen.

Dennoch ist so eine späte Veröffentlichung natürlich problematisch, wenn es um derartige Aussagen und ihre mediale Verwertung geht. Zwar sagte Drosten im ZDF, er habe das Interview „mit einem sehr weiten Zeitrahmen gespannt“ geführt, wenn man

aus einer Perspektive mitten im Sommer sagt, es wird noch mal kommen. Also hier geht es jetzt nicht darum zu warnen vor der nächsten Woche oder so etwas, sondern es geht um eine weltweite Perspektive. Und weltweit geht es jetzt richtig los.

Wer aber ein Interview führt in einer Situation wie dieser Pandemie, in der sich die Erkenntnisse so schnell ändern, und es erst sechs Wochen später veröffentlicht, der sorgt natürlich für derartige Missverständnisse wie sie heute aufgetreten sind – so dass derjenige, dessen Aussagen im Interview eigentlich für sich sprechen sollten, diese noch mal zurechtrücken muss.

Gerade in so einer Lage kann man Interviewpartnern natürlich nicht auferlegen, dass sie sich so äußern sollen, als würden sie in sechs Wochen sprechen. Problematisch ist es aber durchaus, dass der World Health Summit, der in seiner Pressemitteilung nicht deutlich macht, wer das Interview namentlich geführt hat, so ein Gespräch so lange zurückhält. Und bei der Veröffentlichung gestern auch keinen Hinweis darauf gibt, wie alt dieses Gespräch schon ist.

Dass das Interview heute noch mal viel Presse erhalten hat, mag auch darauf zurückzuführen sein. Denn wahrscheinlich viel weniger Medien wäre es eine Meldung wert gewesen, wie Drosten vor sechs Wochen die mittlerweile hinter uns liegende Zukunft sah – jedenfalls wäre die Meldung abhängig vom Ergebnis womöglich weniger prominent platziert worden.

Wie der Stadt-Anzeiger mit den Erwartungen seiner Leserschaft spielt

Wenn ein Interview im Kölner Stadt-Anzeiger mit dem Philosophen Markus Gabriel mit dieser Überschrift aufwartet:

„Man hätte nicht die Virologen fragen dürfen“

Dann klingt das so, als würde Gabriel deren Wissen und Meinung in der Bekämpfung der Corona-Pandemie ablehnen. Es ist eine Überschrift, die in jedem Fall ihren Zweck erfüllt, Lust auf das Interview zu machen. Sie ist aber auch irreführend, denn natürlich pfeift Gabriel nicht auf die Virologen. Im Wortlaut heißt es da erst gegen Ende des einseitigen Interviews:

„Man hätte von vornherein nicht die Virologen fragen dürfen, ob man die Kitas öffnen soll oder nicht. Nur medizinische Profis können uns über das Virus belehren. Ohne sie bekommen wir die nicht-moralischen Tatsachen nicht sortiert. Aber die Abwägung über das Handeln, das aus diesen Tatsachen folgt, müssen andere vornehmen und das kann auch nicht alleine auf den Schultern der Politik lasten.“

Das Zitat aus der Überschrift bezieht sich also nur auf den Aspekt der Kita-Öffnungen. Und tatsächlich heißt es in der Unterzeile:

Der Philosoph Markus Gabriel über Schieflagen in der Pandemiebekämpfung, „Covidioten“ und die Öffnung der Kitas

Die Kitas, auf die sich das Zitat im Titel bezieht, tauchen also sogar in der Unterzeile auf – aber als letztes. Liest man Überschrift und Unterzeile gemeinsam, kann man aber den Eindruck bekommen, Gabriel lehne es ab, zur Pandemiebekämpfung Virologen zu befragen. Während die Redaktion zurecht sagen kann, dass die Kitas, auf die er sich bezieht, ja direkt oben erwähnt sind.

Es ist also ein interessantes Spiel mit den Erwartungen der Leser*innen. Halten Sie die Überschrift für eine provokante Aussage eines Corona-Leugners und werden am Ende enttäuscht, dass Gabriels Aussage eher harmlos ist?

Umbenannt wegen Rassismus oder wegen Rassismus-Diskussionen?

Es gibt zwei Perspektiven, die man einnehmen kann, wenn es um die Frage geht, warum Knorr seine „Zigeunersauce“ umbenennt. Die eine ist die hier, die bild.de wählt:

Als Grund für die Umbenennung nennt die Redaktion die „Rassismus-Diskussionen“. Das scheint auch die Perspektive des Konzerns zu sein, der im Text so zitiert wird:

„Da der Begriff ‚Zigeunersauce‘ negativ interpretiert werden kann, haben wir entschieden, unserer Knorr Sauce einen neuen Namen zu geben. In ein paar Wochen finden Sie diese als ‚Paprikasauce Ungarische Art‘ im Regal.“

Da ist zwar nicht ausdrücklich von Diskussionen die Rede, aber der Konzern teilt auch nicht mit, dass er selbst den Begriff für rassistisch hält und ihn deshalb ändert, sondern wegen einer möglichen negativen Interpretation. Indirekt schiebt er damit die Verantwortung von sich selbst als demjenigen, der sich damals für den Begriff entschieden hat, weg, und den Konsumenten zu, die ihn (absichtlich oder unabsichtlich) falsch verstehen (wollen).

Die Überschrift von bild.de scheint also richtig gewählt zu sein.

Täter und Opfer werden gerne mal vertauscht

Möglich gewesen wäre aber auch ein falscher Kausalzusammenhang, wie er gerade im Zusammenhang mit dem Themenfeld immer wieder vorkommt. Da wird nämlich Ursache und Wirkung verwechselt, wie ich hier schon mal geschrieben habe. Es geht dabei auch um eine Täter-Opfer-Umkehr. Schließlich macht es einen Unterschied, ob ich sage, dass ein Mädchen wegen ihres Kopftuchs verprügelt wurde oder weil die Täter muslimfeindlich oder rassistisch sind. Im ersten Fall sucht man die Schuld beim Opfer, im zweiten Fall beim Täter.

Ähnlich in diesem Fall beim Münchner Merkur:

„Schuld“ daran, dass ein Pilot seinen Job verliert, soll seine Ehefrau gewesen sein, weil sie ihren Mann verpetzt habe. Schuld war er aber ganz allein, wie aus dem Text hervorgeht:

Auch hier wird das Opfer zum Täter gemacht: Die Frau wird mit dem Tod bedroht, ist aber schuld daran, dass der Mann seinen Job verliert. Absurd. Bildblog hat das hier ausführlicher aufgeschrieben.

Oft nur kleine Wörter

Oft sind es nur ein paar kleine Wörter, die einen falschen Zusammenhang herstellen. Wie hier im Beitrag über Homophobie in der Tagesschau vom 17. Mai 2020 (im Video ab Minute 11:46). Dort heißt es:

„Doch stattdessen wurde Detlef Rath an diesem Tag angegriffen – weil er schwul ist.“

Das ist aber nicht die Ursache des Angriffs. Nur, weil jemand schwul ist, wird er nicht angegriffen. Die Ursache liegt in der Schwulenfeindlichkeit des oder der Angreifer.

Coronakrise zwingt Medien zu Transparenz

Wie wählen Redaktionen ihre Themen aus, wie kommen Reporterinnenen an ihre Quellen? Lange haben sich Medien schwer getan, auch über ihre eigene Arbeit zu berichten. In der Coronakrise zeigen sie nun ungewohnte Einblicke. Langfristig könnte das zu mehr Vertrauen in den Journalismus führen. Mein Beitrag für @mediasres im Deutschlandfunk.

Wie Rezo reagiert: Die Kritik der Kritik der Kritik

Vor drei Wochen hat Rezo ein Video veröffentlicht, in dem er verschiedene Vorgehensweisen der Presse (ja, vor allem von Zeitungen) kritisiert hat („Die Zerstörung der Presse“).

Ich habe über das neue Video im Deutschlandfunk gesprochen. Damit hat Rezo viel Resonanz ausgelöst (wenngleich nicht so viel wie mit seiner „Zerstörung der CDU“ im Jahr 2019). Seien allgemeinen Kritikpunkte sind dabei kaum angegriffen worden, wenn ich das richtig mitbekommen habe. Aber seine Analyse, wie einzelne Zeitungen über ihn selbst berichtet haben und was er daran alles falsch findet, sind dabei von eben jenen Redaktionen scharf kritisiert worden.  Unter anderem die FAZ hat sich die Kritik angesehen und ihrerseits eine Kritik der Kritik vorgelegt, unter anderem auch in einem Video.

Aus all dem hat Rezo jetzt wiederum ein Antwortvideo gemacht, das er „Die dümmsten und lustigsten Reaktionen“ nennt, das aber auch seriöse Rückmeldungen enthält.