Nicht mal in der U-Bahn eine Nachrichtenpause!

Ob an der Kasse, im Aufzug oder in der Bahn: Überall lauern Bildschirme mit Nachrichtenmeldungen. Mehr von der Welt verstehe ich dadurch nicht. Denn viele Schlagzeilen werfen mehr Fragen auf als sie beantworten. Für Übermedien habe ich recherchiert und mir meinen Frust von der Seele geschrieben.

Royaler Nestbeschmutzer

Buch und Interviews von Prinz Harry sorgen vor allem bei der Boulevardpresse für großes Echo – hier wird er als royaler Nestbeschmutzer eingeordnet. Dabei verblasst die politische Dimension der Vorwürfe von Rassismus, Kolonialismus und rückständiger britischer Monarchie in einem desolaten Großbritannien. Meine Medienkolumne für Politikum in WDR5.

Wie deutsche Medien aus Russland berichten (können)

Nicht nur ARD, ZDF und das Deutschlandradio haben oder hatten ihre Berichterstattung aus dem Studio Moskau zeitweise eingestellt. Auch andere Medien haben ihre Korrespondenten teils abgezogen, teils nicht mehr arbeiten lassen. Im WDR5-Medienmagazin „Töne, Texte, Bilder“ habe ich einen Überblick gegeben.

Tagesschau24 soll zum Nachrichtensender werden

Die ARD-Intendantinnen und Intendanten wollen den Spartenkanal Tagesschau24 zu einem Nachrichtensender ausbauen. Darüber habe ich in @mediasres im Deutschlandfunk mit der ARD-Vorsitzenden und Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, Patricia Schlesinger, gesprochen.

Wahlkampf als politisches Pferderennen

Sieger, Verlierer, Vorsprünge und Aufholjagden – die umfragengetriebene Berichterstattung in diesem Wahlkampf weckt bei manchen Beobachtern Assoziationen mit einem Pferderennen. Politische Journalisten klingen mitunter wie Sportreporter. Inhalte kämen dabei aber zu kurz. Die Sendung für den Deutschlandfunk-Hintergrund von Michael Borgers und mir.

Umbenannt wegen Rassismus oder wegen Rassismus-Diskussionen?

Es gibt zwei Perspektiven, die man einnehmen kann, wenn es um die Frage geht, warum Knorr seine „Zigeunersauce“ umbenennt. Die eine ist die hier, die bild.de wählt:

Als Grund für die Umbenennung nennt die Redaktion die „Rassismus-Diskussionen“. Das scheint auch die Perspektive des Konzerns zu sein, der im Text so zitiert wird:

„Da der Begriff ‚Zigeunersauce‘ negativ interpretiert werden kann, haben wir entschieden, unserer Knorr Sauce einen neuen Namen zu geben. In ein paar Wochen finden Sie diese als ‚Paprikasauce Ungarische Art‘ im Regal.“

Da ist zwar nicht ausdrücklich von Diskussionen die Rede, aber der Konzern teilt auch nicht mit, dass er selbst den Begriff für rassistisch hält und ihn deshalb ändert, sondern wegen einer möglichen negativen Interpretation. Indirekt schiebt er damit die Verantwortung von sich selbst als demjenigen, der sich damals für den Begriff entschieden hat, weg, und den Konsumenten zu, die ihn (absichtlich oder unabsichtlich) falsch verstehen (wollen).

Die Überschrift von bild.de scheint also richtig gewählt zu sein.

Täter und Opfer werden gerne mal vertauscht

Möglich gewesen wäre aber auch ein falscher Kausalzusammenhang, wie er gerade im Zusammenhang mit dem Themenfeld immer wieder vorkommt. Da wird nämlich Ursache und Wirkung verwechselt, wie ich hier schon mal geschrieben habe. Es geht dabei auch um eine Täter-Opfer-Umkehr. Schließlich macht es einen Unterschied, ob ich sage, dass ein Mädchen wegen ihres Kopftuchs verprügelt wurde oder weil die Täter muslimfeindlich oder rassistisch sind. Im ersten Fall sucht man die Schuld beim Opfer, im zweiten Fall beim Täter.

Ähnlich in diesem Fall beim Münchner Merkur:

„Schuld“ daran, dass ein Pilot seinen Job verliert, soll seine Ehefrau gewesen sein, weil sie ihren Mann verpetzt habe. Schuld war er aber ganz allein, wie aus dem Text hervorgeht:

Auch hier wird das Opfer zum Täter gemacht: Die Frau wird mit dem Tod bedroht, ist aber schuld daran, dass der Mann seinen Job verliert. Absurd. Bildblog hat das hier ausführlicher aufgeschrieben.

Oft nur kleine Wörter

Oft sind es nur ein paar kleine Wörter, die einen falschen Zusammenhang herstellen. Wie hier im Beitrag über Homophobie in der Tagesschau vom 17. Mai 2020 (im Video ab Minute 11:46). Dort heißt es:

„Doch stattdessen wurde Detlef Rath an diesem Tag angegriffen – weil er schwul ist.“

Das ist aber nicht die Ursache des Angriffs. Nur, weil jemand schwul ist, wird er nicht angegriffen. Die Ursache liegt in der Schwulenfeindlichkeit des oder der Angreifer.

Die Supermärkte waren voll – auch wenn Medienbilder das Gegenteil suggeriert haben

Im März haben wir darüber diskutiert, ob Hamsterkäufe nötig oder unnötig sind. Von Seiten der Regierung wie der Supermärkte und Handelsverbände hieß es immer, die Versorgung sei sichergestellt, Supermärkte dürften weiter geöffnet haben, es gebe keine Knappheit. Diese würde höchstens dadurch hergestellt, dass viele Leute den Eindruck haben, es gäbe im Supermarkt nichts mehr, dadurch über Bedarf kaufen und anderen die Waren damit wegnähmen.

In diesem Zusammenhang gab es ein gutes Beispiel dafür, wie Journalisten über Framing mit Bildern den gegenteiligen Effekt dessen erzielen können, den sie eigentlich anstreben.

Im März hatte sich Bundesernährungsministerin Julia Klöckner erneut zur Versorgungslage geäußert. Die Tagesschau hat darüber in ihrer 20-Uhr-Ausgabe folgendermaßen berichtet:

Was zeigen uns die Bilder? Weniger Kundschaft im Café, Schlangen auf dem Wochenmarkt, Bilder von leeren Regalen aus sozialen Netzwerken abgefilmt. Der Off-Text des Autors dazu:

Im Netz kursieren immer mehr Bilder von leeren Regalen, suggerieren einen Notstand, der nicht vorhanden sind. Sind Regale heute leer, sind sie Montag wieder voll, auch wenn nicht alles laut einigen Supermarkthändlern gleich am Morgen da ist.

Damit wird im Off-Text genau das Gegenteil dessen behauptet, was die Bilder vorher gezeigt haben. Auf der in ihrer Wirkung viel stärkeren Bild-Ebene wird das Gerücht also bestätigt (und weiterverbreitet), dass es in einigen Supermärkten in einigen Regalen keine Waren mehr gibt. Wie wenige Regelmeter betroffen sind oder wie wenige Supermärkte und wie schnell dort nachgefüllt wurde, wird in Bildern nicht transportiert. Es werden auch keine vollen Regale gezeigt.

Die sachlichen Aussagen im Bericht sind alle richtig, die Bilder zeigen aber das Gegenteil – und bleiben stärker haften als der Off-Text des Autors und der O-Ton der Ministerin.

Solche Bilder wären viel sinnvoller gewesen:

Die Kunst des guten Interviews (1): Als Brandt Nowottny auflaufen ließ

Wie das immer so ist bei längeren Sendungen: Man findet immer mehr brillantes Material als man am Ende unterbringen kann. Ich will daher in einer kleinen Serie noch auf ein paar sehens- und hörenswerte Interviews hinweisen, die ich entweder nur ausschnittsweise oder gar nicht in meinem Feature unterbringen konnte.

Fangen wir an mit dem legendären Interview, das WDR-Journalist Friedrich Nowottny 1972 mit dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt geführt hat. Es entstand kurz nach deutsch-französischen Konsultationen mit dem französischen Staatspräsidenten Georges Pompidou.

Nowottny stellte – jedenfalls in dem bekannten Ausschnitt – ausschließlich Fragen, die sich leicht mit Ja/Nein/Doch beantworten lassen. Das tat Brandt auch. Nowottny fasste aber an diesen Stellen überhaupt nicht nach.

Das Gespräch gilt deswegen als schlechtes, aber dafür sehr anschauliches Beispiel dafür, wie man Interviews nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich führen sollte: möglichst offene Fragen stellen und geschlossene nur, wenn man eine zugespitzte Antwort haben will und bereit ist, nachzufassen.

In einer WDR-Sendung erläuterte Nowottny Jahrzehnte später die Hintergründe zum Gespräch:

Nowottny erzählt darin, er habe das Interview für die Tagesschau unter schwierigen Umständen gemacht:

„Eine Minute und 30 Sekunden. Drei Fragen. Und da isser hingegangen, und Willy Brandt hatte das Gefühl, an einem bedeutenden staatspolitischen Ereignis teilgenommen zu haben, das war nämlich das Treffen mit Pompidou, die erste deutsch-französische Konsultation. Und sagte ihm das ((gemeint sind die 1:30 Min.)), und schon war er natürlich beleidigt.“

Die Friedrich-Ebert-Stiftung wies nach meinem Feature darauf hin, dass Nowottny durchaus mehr Fragen gestellt habe.

Dort hat Brandt teils auch länger geantwortet – aber das lag nicht an Nowottnys Fragen, sondern an Brandts Lust, zu antworten. Denn auch vorher und nachher hat Nowottny noch zwei weitere geschlossene Fragen gestellt, wie sich dem Protokoll entnehmen lässt:

„Ist es das tatsächlich?“

„Ist das richtig?“

Dann kommt noch eine Feststellung statt einer Frage – und erst am Ende stellt Nowottny eine offene Frage:

„…was hat Sie nicht befriedigt bei diesen Konsultationen?“

Der Kontext ist also verkürzt, aber der Eindruck, der durch die 30 Sekunden entsteht, nicht falsch.

Die Tagesschau erklärt ihre Arbeit

Seit Kurzem ist Marcus Bornheim neuer Chef der Tagesschau – und tritt gleich in Erscheinung. Im Format #kurzerklaert erläutert er, wie eine Tagesschau zustandekommt. Ein guter Schritt, die eigene Arbeit transparent zu machen.

Wir Journalisten gehen oft davon aus, dass unseren Nutzern mehr oder weniger klar ist, wie wir arbeiten – das ist aber mitnichten so. Tatsächlich sind uns beim Tag der offenen Tür im Deutschlandfunk neulich sehr viele Fragen gestellt worden, die wir uns selbst schon gar nicht mehr stellen. Dessen sollten wir uns immer wieder bewusst sein und mehr darüber sprechen, wie wir arbeiten – um Vertrauen zu gewinnen bzw. zurückzugewinnen.