Nur für Experten? Wenn Medien zu wenig erklären

Journalisten haben oft viel Fachwissen und setzen zu viel bei ihrem Publikum voraus, findet unser Hörer Guido Kozlik. Er wünscht sich mehr Kontext. Unsere Dlf-Hauptstadtkorrespondentin Gudula Geuther und ich haben im Medienpodcast „Nach Redaktionsschluss“ mit ihm darüber gesprochen, wie mehr Verständlichkeit in der Berichterstattung aussehen könnte.

Warum der Oppositionsführer nicht die Opposition führt

In dieser Legislaturperiode haben viele Medien und werden noch den Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag als „Oppositionsführer“ bezeichnet. Dabei macht er das gar nicht. Vermutlich ist die Bezeichnung falsch aus dem Westminster-Regierungssystem übernommen worden. Habe ich für den Sprach-Check „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk-Medienmagazin @mediasres aufgeschrieben.

„Impfpflicht: Ja oder nein?“ Wie Medien die Politik unter Druck setzen

Lassen sich Politiker zu Aussagen hinreißen, weil Medien sie dazu drängen? Deutschlandfunk-Hörer Moritz Ahlers vermutet das. Wenn Politik Möglichkeiten kategorisch ausschließt, dann könne das zu einer Hypothek in Debatten zum Beispiel über die Impfpflicht werden. Ahlers fragt in einer Mail an die Redaktion @mediasres, ob der politische Journalismus diesen voreiligen Ausschlüssen nicht entgegenwirken müsste.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) fühlt sich als Politiker oft getrieben. Unwägbarkeiten in einer Pandemie anzusprechen, sei schwierig. Man müsse der Politik auch Meinungswechsel zugestehen. „Verbindlichkeit ist im Journalismus wichtig,“ betont dagegen Deutschlandfunk-Hauptstadtkorrespondentin Katharina Hamberger. Trotzdem dürfe das kein Selbstzweck sein.

Über die Wechselwirkung von Medien und Politik habe ich mit Moritz Ahlers, Klaus Holetschek und Katharina Hamberger diskutiert. Produktion: Mike Herbstreuth.

Den Podcast gibt es in der DLF-Audiothek App, unter www.deutschlandfunk.de/medienpodcast und in den gängigen Podcast-Apps.

Wenn Medien Schlagzeilen machen – das mediale Jahr 2021 im Rückblick

Das Jahr 2021 geht zu Ende. In @mediasres im Deutschlandfunk haben meine Kollegin Brigitte Baetz, unser Kolumnist Matthias Dell und ich das mediale Jahr Revue passieren lassen. Es gab zu viele wichtige Themen für 24 Minuten, aber wir haben über den Fall Julian Reichelt, die merkwürdigen Äußerungen von Springer-Chef Mathias Döpfner, über den Umgang des WDR mit der Journalistin Nemi El-Hassan, über die Berichterstattung im Bundestagswahlkampf und über die Klimakrise gesprochen.

Wahlkampf als politisches Pferderennen

Sieger, Verlierer, Vorsprünge und Aufholjagden – die umfragengetriebene Berichterstattung in diesem Wahlkampf weckt bei manchen Beobachtern Assoziationen mit einem Pferderennen. Politische Journalisten klingen mitunter wie Sportreporter. Inhalte kämen dabei aber zu kurz. Die Sendung für den Deutschlandfunk-Hintergrund von Michael Borgers und mir.

„Die Wortwahl wird immer radikaler“, sagt Volker Kauder, meint aber nicht sich

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, beklagt sich im Interview mit dem „Spiegel“ über eine zunehmende Verrohung der Sprache. Er sagte unter anderem:

Wir erleben ein erschreckendes Maß von Anfeindungen gegen unsere Demokratie. Mal sind Politiker die Zielscheibe, mal die Medien, aber eben auch zunehmend unser Staat insgesamt. Die Wortwahl wird immer radikaler und schlägt auch in Gewalt um. Das bereitet mir große Sorgen.

Und weiter:

Wir sind noch längst nicht so weit wie in der Weimarer Republik. Aber auch damals haben sich Worte und Taten immer mehr hochgeschaukelt.

Dabei müsste Kauder bei sich selbst anfangen. Der Schriftsteller Roger Willemsen stellt ihm kein gutes Zeugnis aus. Er hat im Jahr 2013 an allen Sitzungen des Bundestags teilgenommen und den Parlamentsbetrieb beobachtet. In einem Interview im Deutschlandradio Kultur erzählte er:

Der schlimmste Flegel ist Volker Kauder, der Dinge reinruft, die nicht mal einen Ordnungsruf bekommen. Und das ist zum Teil schlimm. Der sagt dann: „Führen Sie doch die Blockwarte wieder ein.“ Also, das ist ein übler Assoziationsraum, der auch zum Teil der Ausputzer oder die Blutgrätsche für Merkel macht. Das heißt, der sagt dann auch, „ja, Friedensnobelpreis für Edward Snowden“ und macht sich über einen Mann lustig, den wir alle viel verdanken, weil diese Aufklärung wir niemals ohne ihn bekommen hätten und der sein Leben mehr oder weniger zu einem Teil der Zivilcourage geopfert hat.

Willemsen kritisierte damals nicht nur Kauder als schlimmsten Zwischenrufer des Bundestags, sondern auch die anderen Abgeordneten und vor allem das Präsidium, das nicht gegen solche Ausfälle vorgehe.

Es ist schlimm, dass der Bundestag an bestimmten Stellen, die Inhumanität bestimmter Standpunkte nicht rigider kenntlich macht. Ich finde nicht, dass jemand einen Parlamentarier als einen Blockwart-Rufenden bezeichnen darf, nur weil der sagt, „ich will eine Kontrolle des Abhörens“, und der dann höhnisch reinruft: „Sie sind doch nur böse, weil Gysis Handy nicht abgehört worden ist“ oder so etwas. Also, das ist einfach eine Verachtung gegenüber unseren Bürgerrechten und ich finde das nicht tolerierbar.

Günther H. Oettinger liest die Zeitung bei Google

Wahlweise EU-Digitalkommissar Günther Oettinger himself oder sein Social-Media-Team liefern sich seit gestern auf Twitter eine interessante Auseinandersetzung mit Netzexperten wie Mario Sixtus.

Wenn das tatsächlich so stimmt und ernst gemeint ist, hat Stefan Niggemeier bei uebermedien.de die Sachkompetenz des Kommissars noch überschätzt, als er dessen Aufruf an die Verleger kritisierte, die eigenen Redaktionen mehr oder weniger an neutraler Berichterstattung über das Leistungsschutzrecht zu hindern.

Oettinger bekommt als EU-Kommissar sicherlich jeden Tag einen Pressespiegel vorgelegt. Auf totem Holz – und das selbst dann, wenn der Pressespiegel digital zusammengestellt worden sein dürfte, wovon auszugehen ist. Dass Oettinger tatsächlich nach Nachrichten googelt und dort nur Überschrift und Anreißer liest, wie die Twitter-Meldungen nahelegen, halte ich für unwahrscheinlich. Was also geht im EU-Digitalkommissariat vor sich?

Nachtrag, 1. Oktober: Markus Reuter schreibt bei netzpolitik.org, dass die Verteidigungsstrategie von Günther Oettinger auf unpassenden Zahlen beruht. Inzwischen haben außerdem Die Zeit und die NZZ Zahlen veröffentlicht, die Oettinger widerlegen sollen. Beide Redaktionen mögen es offenbar, dass Google ihnen Nutzer zuleitet.

Nicht mehr unter dem Radar

Vor vier Jahren sorgte der Bundestag für Aufregung. Aber es bekam keiner mit. Deutschland spielte bei der Fußball-EM gegen Italien. Das dauerte länger als 57 Sekunden. So schnell ging es aber mit einer folgenschweren Entscheidung, als das Meldegesetz geändert wurde.

Bundestagspräsident Norbert Lammert erinnerte sich noch daran, als er heute die Sitzung eröffnete, und bat die Abgeordneten darum, sich kurz zu fassen, damit alle rechtzeitig fertig werden. Derartige Entscheidungen wie 2012 sind also heute nicht geplant.