Wie Twitter sein geschlossenes System aufbrechen könnte

Wer Nachrichten über einen Messenger verschickt, kann das nur an Leute tun, die diesen Messenger ebenfalls installiert haben: von WhatsApp zu WhatsApp, von Threema zu Threema, von Signal zu Signal. Zwischen den verschiedenen Systemen lässt sich nichts verschicken.

Bei Mails ist das anders. Hier ist der Anbieter egal, weil sich alle auf einen gemeinsamen Standard verständigt haben. Hier kann ich auch von einer gmail-Adresse an ein GMX-Konto verschicken oder an Yahoo oder jeden Inhaber einer Domain, der Mailadressen angibt.

Bei sozialen Netzwerken gibt es einen solchen Austausch wie bei den Messengern auch noch nicht. Die meisten haben ein Interesse daran, ihr System geschlossen zu halten. Twitter denkt jetzt aber darüber nach, einen gemeinsamen Standard zu entwickeln, dem sich dann auch andere Anbieter anschließen können. Twitter-Chef Jack Dorsey hat das gerade angekündigt.

Im Interview bei @mediasres im Deutschlandfunk (Audio-Link) hat mir netzpolitik.org-Autor Alexander Fanta die Twitter-Pläne erläutert und eingeschätzt, was das für soziale Netzwerke bedeuten könnte.

Parteien machen Journalisten Konkurrenz

Immer mehr politische Akteure machen ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit: Das Bundesverkehrsministerium berichtet aus dem sogenannten Neuigkeitenzimmer, der Unionsfraktionsvorsitzende „interviewt“ die Bundeskanzlerin, die AfD dreht einen sogenannten „Dokumentarfilm“. Im Netz stehen diese Formen neben traditionellem Journalismus.

Was für Auswirkungen das für Nutzer hat und auf die Arbeit von Journalisten, darüber wurde am Freitag auf der Konferenz „Formate des Politischen“ von Deutschlandfunk und Bundespressekonferenz diskutiert. Das Thema: „News ohne Journalisten – Wird der Journalismus in der Öffentlichkeit verdrängt?“

Über die neue Konkurrenz für Journalisten habe ich am Abend für „Fazit“ bei Deutschlandfunk Kultur berichtet – nachzuhören hier (Audio).

Regulierung von Facebook & Co.: „Wir brauchen jemanden, der darauf aufpasst“

Soziale Netzwerke wie Facebook und YouTube sollen für Transparenz sorgen und Aufsichtsbehörden auf ihre Algorithmen schauen lassen, sagte Verbraucherschützer Klaus Müller im Dlf. Er ist Mitglied des Datenethik-Gremiums, das die Bundesregierung berät. „Es geht um das Herzstück unserer Demokratie.“

Mein Interview mit Klaus Müller in @mediasres im Deutschlandfunk.

Entlarven oder ignorieren – was müssen die Öffentlich-Rechtlichen gegen Fake News tun?

Haben die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland eine besondere Aufgabe, etwas gegen Desinformation und Propaganda im Netz zu tun? Eine Frage, die man kontrovers diskutieren kann. Schließlich sind Medien in erster Linie dazu da, zu berichten, was passiert ist, und nicht, was nicht passiert ist. Ich finde diese Frage pauschal schwierig zu beantworten. Man könnte vermutlich seine ganzen Ressourcen darauf verwenden, um angebliche Nachrichten richtigzustellen.

Aber macht man damit nicht auch auf Meldungen aufmerksam, die besser gar nicht erst verbreitet würden? Patrick Gensing nennt es kontraproduktiv, jede dieser Meldungen in der 20-Uhr-Tagesschau vorzustellen.

Über das Thema haben auf der Republica diskutiert:

  • Ina Ruck, ARD-Korrespondentin in Russland, ehemals in den USA
  • Jan Schulte-Kellinghaus, rbb-Programmdirektor
  • Stefan Niggemeier, Übermedien
  • Patrick Gensing, Leiter Faktenfinder tagesschau.de
  • Anna-Mareike Krause, Head of Social Media, rbb

Moderation: Teresa Sickert

 

Werden die Europawahlen im Netz entschieden?

Über soziale Medien lassen sich politische Botschaften, aber auch Desinformation und Propaganda schnell verbreiten. Inwiefern könnte das die Europawahlen gefährden? Auf der re:publica habe ich für @mediasres mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, Journalistin Karolin Schwarz und Social-Media-Analyst Luca Hammer diskutiert.

„Zu 99,9 Prozent eine PR-Offensive“

Dass Facebook zu viel Macht hat, sieht inzwischen selbst Mark Zuckerberg so. Sagt er. Der Facebook-Chef fordert deswegen nun auch, sein Unternehmen stärker zu regulieren. Dieser Vorstoß sei allerdings vor allem eine Marketing-Maßnahme, meinte Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller im Dlf. Er hat mir erzählt:

Für mich ist das zu 99,9 Prozent eine PR-Offensive von einem Unternehmen, was es nötig hat, was in den USA unter Druck ist, was in Australien, Neuseeland unter erheblichem Druck ist, und dem auch in Europa mit viel Misstrauen begegnet wird.

Preis an Bernhard Paul – aber die Staatskanzlei featuret Armin Laschet

Hier ein gutes Beispiel dafür, warum es nicht wichtig ist, wer einen Preis bekommt, sondern wer ihn vergibt.

Der Staatspreis NRW ging vorige Woche an den Künstler Bernhard Paul, Gründer und Direktor des Zirkus Roncalli. Am 27. November wurde ihm der Preis verliehen, dazu hat Ministerpräsident Armin Laschet eine Rede gehalten. Und wen zeigt die Staatskanzlei bei Twitter, wenn er Paul lobt?

Es lebe die Fotokachel.

Vom Erfolg einer Findemaschine

20 Jahre nach seiner Gründung ist Google in fast alle unsere Lebensbereiche vorgedrungen: Jede Suchanfrage formt mein Profil genauso wie jede meiner Bewegungen auf Google Maps und das YouTube Video, das ich gerade schaue. Das könnte ein Problem für unsere Gesellschaft werden, habe ich im Deutschlandfunk kommentiert.

Wie Jens Spahn Journalisten triggert

Im Triggern von Journalisten macht Jens Spahn, inzwischen Bundesgesundheitsminister, keiner so schnell was vor.

Diesmal sind es zwei, drei Antworten aus einem Interview, das er der Neuen Zürcher Zeitung gegeben hat. Ich verkürze mal ein Zitat von ihm. In dem Interview sagt er zum Beispiel:

Ich bin mit dem Teil des Journalismus unzufrieden, der Zitate verkürzt und den Zusammenhang ausblendet.

Ach so, ja. Zusammenhang: Spahn antwortet auf die Frage, ob er mit „den Medien“ unzufrieden sei. Und als Beispiel für ein verkürztes Zitat… nee, das lest Ihr besser selber nach, damit ich da nichts aus dem Zusammenhang reiße.

Die interessantere Antwort, auf die viele angesprungen ist, ist aber die auf eine Frage, die gar nicht gestellt wurde. Da fragt die NZZ nämlich unter Bezugnahme auf die Zitatverkürzung:

Ist der öffentlichrechtliche Rundfunk besser?

Und Spahn antwortet u.a.:

Ein Beispiel: Es gibt Tweets von Redakteuren des öffentlichrechtlichen Rundfunks, die sind einfach nur politisch eindeutige Kommentare und sehr subjektiv. Da steht zur Absicherung drüber: privater Account. Soll ich jetzt auch immer sagen: «Das war Spahn privat»? Ich bin Mitglied der Regierung. Entsprechend werden Sie meine Zitate einsortieren. Die gleichen Massstäbe sollten für Journalisten gelten.

Das hat unter anderem unter Kollegen eine Reihe von Spekulationen ausgelöst, was Spahn eigentlich meint. Oder meinen könnte. Oder gesagt hat. Oder zwischen den Zeilen gesagt hat. Die FAZ formuliert trotzdem sehr deutlich:

Auch forderte er von Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen Zurückhaltung auf Twitter.

DJV-Chef Frank Überall sagt:

Die von Herrn Spahn gewünschte Zurückhaltung ist nichts anderes als politisch verordnete Selbstzensur.

Der DJV hat aber offenbar auch nur den FAZ-Artikel gelesen, in dem er selbst zitiert wird. Ich fragte per Twitter:

Ich finde diese Forderung in Spahns Aussagen nicht. Könnt Ihr mir helfen?

Der DJV antwortete:

„Er fordert Zurückhaltung von Journalisten öffentlich-rechtlicher Medien bei privaten Meinungsäußerungen in Sozialen Netzwerken.“ (FAZ) Für uns ist das eine Aufforderung zur Selbstzensur. Für Sie nicht?

Meedia schreibt:

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fordert Journalisten auf, im Netz weniger private Meinungen zu äußern.

Auch bei Twitter interpretieren ihn viele so.

Mal davon abgesehen, dass Spahns Antwort auf die ihm gestellte Frage keinerlei Sinn ergibt: Ich lese aus seinen Äußerungen weder, dass er direkt, noch, dass er indirekt fordert, dass Journalisten sich auf Twitter zurückhalten sollten oder dass sie dort gar ihre Meinungsfreiheit einschränken sollten. Er möchte lediglich, dass die Regeln, die für ihn gelten, auch für Journalisten gelten – nämlich dass all ihre Äußerungen, wo auch immer, ob bei Twitter oder in Berichten, auch ihnen als Journalisten zugerechnet werden. Es solle keine unterschiedlichen Maßstäbe geben, ob sie sich hier oder da geäußert haben.

Zugegeben, ganz eindeutig kann ich das auch nicht sagen. Denn alle drei Fragen und Antworten zum Thema Medien in diesem Interview sind etwas wirr, weil sie sich nicht logisch aufeinander beziehen. Das macht es so leicht, hineinzulesen, was man hineinlesen möchte. Von einer Forderung, die verurteilenswert wäre, lese ich da aber nichts.

Insofern sind viele von uns Journalisten mal wieder auf ihn reingefallen. Jens Spahn weiß halt, wie er uns triggern kann. Er ist uns voraus. Und führt die Journalisten von FAZ und Meedia vor, die fast genau das gemacht haben, was er im NZZ-Interview bemängelt hat:

Ich bin mit dem Teil des Journalismus unzufrieden, der Zitate verkürzt und den Zusammenhang ausblendet.

Chapeau!


Nachtrag (5. April, 16.45 Uhr): Meedia hat das Thema noch mal weitergedreht.

Spahns Aussage interpretiert Autor Alexander Becker so:

Fasst man den Absatz zusammen, steht da: Jens Spahn stört sich am Twitter-Verhalten öffentlich-rechtlicher Journalisten. Für einen Minister eine erstaunliche Aussage.

Ich finde die Auslegung – wie gesagt – nicht so eindeutig (s.o.). Auf der Grundlage dieser Interpretation hat Becker Reaktionen von prominenten Journalisten eingeholt: von Georg Restle, Anja Reschke und Dunja Hayali. Deren Aufregung verstehe ich nicht wirklich, denn Spahn hat nur Selbstverständlichkeiten ausgesprochen. Er hat weder die Meinungsfreiheit in Frage gestellt (nur genutzt) noch die Pressefreiheit. Die ganze Aufmerksamkeit haben seine Aussagen nicht verdient.


2. Nachtrag (6. April, 23.15 Uhr): Ach ja, Meedia. Da hat sich Alexander Becker festgebissen an Spahns Aussage. Sie ist aber auch zu schön, um sie einfach fallen zu lassen. Jetzt hat Becker auch noch den ARD-Chefredakteur Rainald Becker zur Spahn-Aussage befragt. Und das Interview lässt durchblicken, dass R. Becker die Original-Aussage Spahns auch nicht gelesen hat, sondern sich nur auf die Meedia-Interpretation bezieht, wenn er sagt:

Ich habe grundsätzlich ein Problem damit, wenn Politiker, insbesondere in Ministerrang, öffentlich Journalistenschelte betreiben.

A. Beckers zweite Frage:

Darf Jens Spahn öffentlich-rechtlichen Journalisten sagen, was sie wie wann zu twittern haben?

Kann man natürlich fragen. Hat aber nichts mit Spahns Interview zu tun, weil er da gar nicht vorschreiben wollte, wie getwittert wird. Naja, ich wiederhole mich. Lassen wir das. Ich freue mich auf den nächsten Weiterdreh dieser Nicht-Geschichte.

 

Anmerkung: In Vorbereitung auf die Datenschutzgrundverordnung habe ich Widgets, die sich ursprünglich im Text befanden, entfernt und sie teilweise durch Links ersetzt.

Verzögertes Klickwunder bei der Mittelbayerischen

Auf der Online-Seite der Mittelbayerischen Zeitung explodierten erst spät die Zugriffszahlen zu einem Beitrag aus dem Jahr 2014: „Merkel: Rente reicht nicht für alle“. Redakteur Sebastian Heinrich hat recherchiert, woher die neuen Zugriffe nach so langer Zeit kommen. Er hält einen Zusammenhang zur Debatte um Flüchtlinge für wahrscheinlich. In @mediasres im Deutschlandfunk hat er mir von seinen Recherchen erzählt.