So ähnlich wie der britische Innenminister Michael Howard 1997 wollte auch der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, 2019 mal sehr lange eine Frage nicht beantworten. Allerdings redete er nicht lang drum rum, sondern sagte das auch immer wieder offen.
Deutschlandfunk-Moderator Christoph Heinemann wollte von Hofreiter wissen, was eigentlich Schulpflicht sei. Er hätte auch fragen können, ob Hofreiter die Fridays-for-future-Demonstrationen auch für gerechtfertigt hält, wenn Schüler dafür den Unterricht schwänzen. Er fing rhetorisch aber anders an, und Hofreiter erkannte natürlich, worum es ging.
Anstatt diesen Punkt einfach abzuräumen, versuchte Hofreiter aber neun Minuten lang, auszuweichen. Hier ein paar Ausschnitte:
Heinemann: Herr Hofreiter, was bedeutet Schulpflicht?
Hofreiter: Ich glaube, dass das eine klassische Debatte ist, um abzulenken, um diese jungen Menschen klein zu machen, um ihr Anliegen nicht ernst zu nehmen. (…)
Heinemann: Herr Hofreiter, was bedeutet Schulpflicht?
Hofreiter: Wie gesagt! Ich sagte bereits: Das ist diese klassische Debatte, um diese jungen Menschen nicht ernst zu nehmen, um diese Menschen klein zu machen, um von den wirklichen Problemen abzulenken, um den Leuten ihre Zukunft wegzunehmen, um nicht darüber diskutieren zu müssen, dass wir deren Zukunft zerstören. (…)
Heinemann: Herr Hofreiter, wieso können Sie diese ganz einfache Frage nicht beantworten? Was bedeutet Schulpflicht?
Hofreiter: Ich könnte Ihnen diese Frage beantworten. Aber es geht diesen jungen Menschen nicht um die Schulpflicht, sondern es geht diesen jungen Menschen um die Problematik, dass wir, wir, die wir in Verantwortung stehen, und die Bundesregierung, ihnen ihre Zukunft wegnehmen. (…)
Heinemann: Sie können die Frage offenbar nicht beantworten. Wie sollen Schulen reagieren, wenn Schülerinnen und Schüler freitags demonstrieren?
Hofreiter: Ich finde das wunderbar, dass diese jungen Menschen über die Klimakrise sprechen wollen, sie allerdings erkennbar auch keine Lust haben, über diese Klimakrise zu sprechen, auch keine Lust haben, über die Zukunft dieser jungen Menschen zu sprechen, sondern diese Infantilisierungsmuster mitmachen. Ich finde das hoch problematisch. Ich finde diese Art der Debatte hoch problematisch, weil nämlich das andeutet, man nimmt diese Menschen nicht ernst.
Heinemann: Wieso können sich Lehrerinnen und Lehrer, die die Schulordnung aufrecht erhalten wollen, nicht auf die Grünen verlassen?
Hofreiter: Wie gesagt, Sie machen es jetzt zum vierten Mal. Den jungen Menschen geht es um die Klimakrise. Ihnen geht es nicht um die Klimakrise. Ihnen geht es darum, diese jungen Menschen mit zu infantilisieren, und Sie unterstellen mir hier einfach schlichtweg Sachen. (…)
Heinemann: Herr Hofreiter, Sie haben jetzt auch diese Frage nicht beantwortet. Wie sollen Lehrerinnen und Lehrer denn reagieren, wenn Schülerinnen und Schüler heute unentschuldigt fehlen? Ich drücke es noch mal etwas einfacher aus.
Hofreiter: Wie gesagt, wir werden da nicht zusammenkommen. Nämlich ich möchte über die Klimakrise sprechen. Sie möchten diese jungen Menschen darauf reduzieren, ob sie in die Schule gehen oder nicht. Kluge Schüler haben mal gesagt, die Lokführer streiken ja auch nicht während ihrer Freizeit.
Heinemann: Herr Hofreiter, entschuldigen Sie bitte! Ich hatte Sie nach Lehrerinnen und Lehrern gefragt. Wie sollen die reagieren, wenn Schülerinnen und Schüler heute oder an Fridays for Future nicht zum Unterricht erscheinen?
Hofreiter: Lehrerinnen und Lehrer sollen schlichtweg vernünftig mit ihren Schülerinnen und Schülern darüber reden, was sie unternehmen können, damit die jetzt herrschenden Menschen nicht ihre Zukunft zerstören.
Heinemann: Wieso kann man nicht samstags für die Zukunft demonstrieren?
Hofreiter: Das haben die Schülerinnen und Schüler selbstbewusst so entschieden, dass sie am Freitag auf die Straße gehen. Offensichtlich ist die Aufmerksamkeit dafür deutlich größer. Was allerdings problematisch ist, dass es viele zu viele Menschen gibt, die das Anliegen dieser jungen Menschen nicht ernst nehmen, sondern diese jungen Menschen einfach infantilisieren wollen, auf nur die Frage der Schulpflicht reduzieren wollen und erkennbar nicht über das Riesenproblem diskutieren wollen, dass wenn wir so weitermachen durch das jahrelange nicht ausreichende Handeln wir diesen Menschen ihre Zukunft nehmen. Das ist hier gerade auch wieder ein schönes Beispiel dafür.
(…)
Heinemann: Herr Hofreiter, sollten Jugendliche nur dann die Schule besuchen, wenn sie gerade nichts Besseres zu tun haben?
Hofreiter: Das ist, wie gesagt, auch diese klassische Argumentation, an der man erkennen kann, dass man die Jugendlichen nicht ernst nimmt. Nämlich die streiken für etwas, wo es um was Existenzielles geht, nämlich deren Chance, überhaupt ein vernünftiges Leben zu haben. Das ist der entscheidende Punkt.
Heinemann: Würden Sie das denn auch für andere Zwecke genehmigen? Das heißt, wenn jetzt Jugendliche sagen würden, wir wollen gegen Zuwanderung oder gegen die Europäische Union auf die Straße gehen?
Hofreiter: Ich habe das nicht genehmigt.
Heinemann: Heiligt der Zweck auch dieses Mittel?
Hofreiter: Ich habe das nicht genehmigt. Ich habe gesagt, dass die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und die Schulleiter eine vernünftige Regelung miteinander finden werden. Was ich gesagt habe ist, dass nicht der entscheidende Punkt hier die Schulpflicht ist, sondern der entscheidende Punkt ist, dass diese jungen Menschen darauf aufmerksam machen, dass die momentan herrschende Politik ihnen ihre Zukunft kaputt machen wollen. (…)
Heinemann: Herr Hofreiter, würden Sie denn auch Demonstrationen von Schülerinnen und Schülern während der Schulzeit befürworten, die ganz andere Ziele zum Inhalt hätten, zum Beispiel gegen Zuwanderung oder gegen die Europäische Union?
Hofreiter: Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich das nicht befürworte. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich der Meinung bin, dass diese Schülerinnen und Schüler in ihrem Anliegen ernst genommen werden müssen und nicht eine Hauptablenkungsdebatte geführt wird, die Sie auch ganz offensiv hier führen.
Heinemann: Sie befürworten die Demonstrationen Fridays for Future nicht? Habe ich das jetzt richtig verstanden?
Hofreiter: Ich befürworte die Demonstrationen.
Heinemann: Ja was denn jetzt?
Hofreiter: Es ist ja wirklich amüsant, wie wir uns hier im Kreis drehen. Ich habe nur gesagt, dass das die Schülerinnen und Schüler selbst entscheiden müssen und dass man ihr Anliegen ernst nehmen muss.
Heinemann: Gut! – Anton Hofreiter von Bündnis 90/Die Grünen.
Man kann diese Methode zu fragen natürlich kritisieren, denn der Erkenntnisgewinn ist am Ende gering. Unterhaltsam ist es dennoch.