Ein Familiendrama ist kein Drama, sondern Kriminalität

Ein „Drama“ oder eine „Tragödie“ kennen wir aus dem Theater. Das meinen Medien aber nicht, wenn sie von einem Familiendrama oder einer Familientragödie sprechen. Dann geht es um Straftaten – meist, wenn ein Mann Familienmitglieder tötet, etwa seine Eltern, seine Frau oder Ex-Frau und die eigenen Kinder oder die Kinder der Frau. Nicht selten tötet sich der Täter anschließend selbst.

Wie problematisch die Verwendung der Begriffe in Medien ist, habe ich für den Deutschlandfunk notiert.

Wie journalistische Sprache die Ursachen von Verkehrsunfällen verschleiert

Wer sich für Verkehrsmeldungen in Tageszeitungen interessiert, findet da oft Schlagzeilen wie

  • „Fußgänger von Auto erfasst“
  • „Radfahrer konnte offener Tür nicht ausweichen“
  • „Auto übersieht Radfahrer“

Gemeinsam haben die Meldungen, dass man bei vielen von ihnen zum Schluss kommen muss: Vor allem Radfahrer und Fußgänger machen Fehler, Autofahrer kommen dagegen gut weg. Das liegt aber nicht an ihnen, sondern darüber, wie Polizei und Medien über Verkehrsunfälle berichten. (Ein Beispiel hatte ich auch mal hier im Blog.)

Ein Forschungsteam hat solche Berichte jetzt untersucht. Ich habe darüber im Deutschlandfunk mit Forschungsleiter Dr. Dirk Schneidemesser vom Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit in Potsdam gesprochen.

Das Problem ist nicht neu, das NDR-Medienmagazin Zapp hat darüber schon vor Jahren berichtet:

Link zur Pressemitteilung

Vorschläge, wie es besser gehen könnte

Machen Medien den Kulturkampf der Politik mit?

Robert Habeck zieht sich aus der Politik zurück – mit klaren Worten: In einem Interview mit der taz gestern teilt er nicht nur gegen Unionspolitiker aus, sondern auch gegen Medien. Die würden zum Kulturkampf im Land beitragen, sagt Habeck.

Er kritisiert Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, sie habe völlig unnötig eine Debatte vom Zaun gebrochen, als sie die Regenbogenflagge auf dem Reichstagsgebäude verbot, und darüber die Gesellschaft gespalten – und weiter – Zitat:

Aber nun können Politiker sich ereifern, Zeitungen können vollgeschrieben werden, man kann Talkshows damit bestreiten, alle können etwas sagen, aber die eigentlich realen Probleme bleiben unbearbeitet, die zentralen Herausforderungen, die ein Land zu lösen hat, werden nicht diskutiert.

Darüber habe ich im Deutschlandfunk mit der Soziologin und Kulturwissenschaftlerin Dr. Simone Jung von der Leuphana-Universität Lüneburg gesprochen.

Wie es bei ttt nach der Trennung von Thilo Mischke weitergeht

Mehr als sechs Monate ist es her, dass die ARD einen neuen Moderator für ihr Kulturmagazin „Titel, Thesen, Temperamente“ (ttt) im Ersten angekündigt hatte. Doch am Investigativjournalisten Thilo Mischke gab es gleich Kritik: Er sei kein Kulturjournalist und habe sich in Büchern und Podcastfolgen sexistisch und teils auch rassistisch geäußert.

Die Hintergründe habe ich gestern noch mal in „Fazit“ in Deutschlandfunk Kultur erklärt.

Nach zwei Wochen öffentlichen Drucks trennte sich die ARD von Thilo Mischke – und wollte den Fall danach journalistisch aufarbeiten. Doch daraus wird nichts, weil das aus Sicht der ARD allen Betroffenen nur schaden könnte, sagte MDR-Kulturchefin Jana Cebulla im Deutschlandfunk. Cebulla ist künftig federführend verantwortlich für ttt und die Kommunikation. Ich hatte sie danach gefragt, was denn eigentlich aus der journalistischen Aufarbeitung wird, von der wir sechs Monate nichts mehr gehört haben, darauf sagte sie:

„Wir haben uns gefragt, können wir an dieser Stelle etwas journalistisch aufarbeiten, ohne dass alle Beteiligten am Ende nicht noch mehr wieder im Schussfeld stehen oder vielleicht falsch dargestellt werden? Und deswegen haben wir uns entschieden, an dieser Stelle, heute, erstmal zu sagen, wir arbeiten es nicht weiter journalistisch auf, weil einfach nicht klar ist, wie das ausgehen kann.“

Konkrete Fehler werden nicht benannt

Jana Cebulla will nicht von fehlender Transparenz sprechen, sondern sie nennt es weitsichtig im Hinblick auf die Marke ttt. Eine interne Aufarbeitung habe es durchaus gegeben, auch einen Bericht, um aus den Fehlern Konsequenzen zu ziehen.

Welche Fehler genau gemacht worden sind, wollte Cebulla nicht sagen – auch nicht, von wem. Aber sie räumte ein, dass die ARD zu wenig kommuniziert habe:

„Es gab keinen Austausch von Argumenten und das ist auch ein Fehler, der passiert ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass in der Zeit um Weihnachten und Neujahr wir viel kommuniziert haben in der ARD. Nur am Ende gab es eben diese eine Verantwortung, die gefehlt hat, zu sagen, da gehe ich jetzt raus. Und aus diesen Fehlern hat die ARD gelernt und hat gesagt, das müssen wir künftig besser aufstellen, denn das schadet dem Ansehen aller Beteiligten und das wollen wir nicht.“

Durch die mangelnde Transparenz lässt sich aber nur schwer sagen, ob man die durch die vereinbarten neuen Regeln in Zukunft vermeiden kann.

Komplizierte Struktur hinter ttt-Sendungen

Ein Teil der Probleme lag offenbar an den komplizierten Strukturen hinter ttt. Denn die Sendung tritt zwar unter einer Dachmarke auf, mit denselben Moderatoren jede Woche (im Moment allein Sihal El Maimoudi), aber jede Sendung wird von einer anderen Redaktion in einer anderen ARD-Anstalt gemacht; sechs sind beteiligt. Das erfordert viel Abstimmung, auch bei grundsätzlichen Fragen wie der Auswahl eines neuen Moderators, aber auch bei der Kommunikation nach außen. Das hat man (zurecht) als Fehler erkannt, das soll besser werden. Das heißt, das macht künft der MDR zentral: zu Themen wie der Gestaltung der Marke, Kommunikation, Zielgruppenansprache usw. Das haben die ARD-Intendantinnen und Intendanten am Mittwoch bei einem Treffen beschlossen.

Künftig soll es wieder wichtig sein, dass der Moderator auch fachlich geeignet ist. Erreichen will man das durch neue Regeln fürs Casting von Moderatoren. FAZ-Recherchen zufolge war es damals bei Thilo Mischke so, dass er gar nicht der Favorit der Redaktionen war, da lag ein Konkurrent vorne. Man hat dann noch einen Zuschauertest gemacht, wo Mischke teilweise vorne lag. Am Ende haben offenbar die beteiligten Kulturchefs der ARD-Anstalten die Redaktionen überstimmt und sich für Mischke ausgesprochen, auch wenn er keine Erfahrung im Kulturjournalismus hatte.

Wie genau die Castings künftig aussehen sollen, wissen die Beteiligten aber noch nicht, das soll jetzt erst erarbeitet werden, damit es klare Kriterien für die Auswahl gibt. Einen Zuschauertest wird es dann wohl auch geben, der soll dann aber anders bewertet werden.

Bis Mitte 2026 soll Siham El Maimouni die alleinige Moderatorin bleiben; das hatte die ARD schon bekanntgegeben, als sie sich von Thilo Mischke trennte. Mitte 2026, also erst in einem Jahr, will man dann einen neuen, zweiten Moderator für „Titel, Thesen, Temperamente“ verkünden.

Videos von Flüchtenden und Toten: Kritik an Berichterstattung über Amoklauf in Graz

Die Amoktat in Graz in Österreich hat für Bestürzung gesorgt. Dabei hat der Täter an einer Schule zehn Menschen erschossen und elf verletzt. Anschließend erschoss er sich selbst. Kritik ausgelöst hat, wie Medien darüber berichtet haben. Über die Kritik wiederum habe ich im Deutschlandfunk berichtet.

Mehr dazu:

Nachtrag (13.06.2025, 19 Uhr): Boris Rosenkranz hat für Übermedien noch mehr Verfehlungen aufgeschrieben und sie kommentiert.

Nein, es gibt in den Niederlanden keine Grenzkontrollen durch Bürger – es ist eine verbotene Aktion

Beispiel für eine gute Überschrift, hier aus der ZEIT. (Screenshot: zeit.de)

Egal, was die Täter an der niederländisch-deutschen Grenze mit ihren angeblichen Kontrollen erreicht haben – medial ist es ein voller Erfolg. Denn zumindest in Deutschland haben sehr viele Medien ihr Framing übernommen, sie würden selbst Personenkontrollen durchführen, um angeblich illegale Einreisen in die Niederlande zu verhindern.

Denn dahinter steckt ja die verbreitete und irrige Vorstellung, die Sicherheitslage verschlechtere sich zunehmend, der Staat habe die Migration (die oft ebenfalls falsch als illegal bezeichnet wird) nicht im Griff, es gebe einen Kontrollverlust, der nur durch die Bürger selbst zu beheben sei.

Niederländische Bürger führen Grenzkontrollen selbst durch – Minister reagiert: „Frustration verständlich“

schreibt der Merkur.

Niederländische Bürger führen eigene Grenzkontrollen durch

schreibt der Spiegel.

Niederlande: Bürger kontrollieren Grenze selbst

schreibt das ZDF.

Dabei sind das keine Grenzkontrollen. Die dürfen nur von offiziell dafür Bevollmächtigen durchgeführt werden. In Deutschland wären das Beamte der Bundespolizei. Die Rechtslage in den Niederlanden kenne ich nicht, aber auch dort hat die Regierung bereits darauf hingewiesen, dass die Aktion rechtswidrig ist.

Deutsche Medien aber verschleiern das in ihren Überschriften und Texten und verbreiten damit das rechtsextreme Framing, die Kontrollen seien irgendwie okay. Anstatt deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich hier wohl um Straftaten handelt.

Zum Glück tun das nicht alle Medien. Hier ein paar positive Beispiele, wie man gleichzeitig objektiv berichten und einordnen kann:

Niederländer führen illegale Kontrollen durch

schreibt die österreichische Kronen-Zeitung. Wenngleich man das auch so missverstehen könnte, dass es niederländische Behörden sind, aber gut. Da ist die ZEIT schon präziser:

Niederländische Bürger kontrollieren eigenmächtig an deutscher Grenze

Und eigentlich machen sie den Artikel damit sogar spannender als alle anderen – weil da der Regelverstoß gleich mitgenannt wird. Also selbst wenn man auf der Suche nach Klicks ist, kriegt man es hier mit Präzision und unter Vermeidung von rechtsextremem Framing gut unter.

Journalist Nico Fried: „Medien sind aufgeregter als die Politik selber“

Medien haben in den letzten Tagen und Wochen über steigende Umfragewerte für die AfD geschrieben – teils in alarmierter Weise. Einige werteten das als Misstrauen gegenüber dem wahrscheinlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz und als Reaktion auf die Zwischenergebnisse aus den Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD.

In der Berichterstattung über den Koalitionsvertrag, der noch von CDU und SPD gebilligt werden muss, bevor er unterzeichnet werden kann, wurden auch kritische Töne laut.

Dabei hielten sich Medien in der Vergangenheit oft an eine ominöse Frist von 100 Tagen, bevor sie eine Bundesregierung bewerteten (zum Ursprung hier die taz). Was ist aus dieser Frist geworden?

Der „Stern“-Chefkorrespondent Nico Fried findet die Frist im Prinzip sinnvoll, hält es aber auch für unerlässlich, dass Medien Zwischenergebnisse bewerten. Was die Dynamik von Umfragen angeht, kritisiert er zwar auch die ständige Veröffentlichung von Sonntagsfragen gerade in der Phase der Regierungsbildung, nennt aber Medien in der Angelegenheit aufgeregter als die Politik selber. Ich habe mit ihm für den Deutschlandfunk darüber gesprochen.

NDR-Rundfunkrat gibt sich mehr Macht bei Beschwerden

Wer sich über das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender beschweren will, dem wird es nicht leicht gemacht. Das lässt sich schon daran ablesen, dass die Rundfunkräte 2023 (die letzten erhobenen Zahlen) nur fünf Beschwerden stattgegeben haben. Meine ganze Recherche dazu findet sich hier.

Dass sie auch nur 98 der insgesamt 708 eingegangenen Beschwerden überhaupt behandelt haben, liegt an den jeweiligen Regeln, wie die Sender und Rundfunkräte mit Programmbeschwerden umzugehen haben. Denn sie müssen sie immer zuerst der Intendantin bzw. dem Intendanten vorlegen. Räumt dieser die Kritik ab und meldet sich der Beschwerdeführer nicht mehr zurück, kann i.d.R. auch der Rundfunkrat selbst keine Kritik mehr üben.

Beim Norddeutschen Rundfunk soll das in Zukunft anders laufen. Dazu hat der Rundfunkrat seine Geschäftsordnung überarbeitet. Der Vorsitzende Nico Fickinger sagte laut Pressemitteilung:

„Das Gremium kann künftig seine Kritik an einem Angebot auch unabhängig von einer Programmbeschwerde und den darin beanstandeten Punkten deutlich machen und dazu entsprechende Erwartungen, Hinweise und Empfehlungen an den Intendanten oder die Intendantin formulieren. Das erweitert den Handlungsspielraum des Rundfunkrats spürbar, weil er jetzt auch unterhalb der Aufgreifschwelle einer Staatsvertragsverletzung Kritik äußern kann.“

Tatsächlich war es der NDR-Rundfunkrat, bei dem es im vorigen Jahr einen der seltenen Fälle gab, in denen einer Beschwerde stattgegeben wurde. Allerdings wird die Änderungen auf diese Zahl vermutlich keine Auswirkungen haben, denn es geht ja nicht darum, den Nutzern mehr Rechte zu geben. Allerdings wurden dem Rat durch die Regeln bisher auch oft eigene Instrumente aus der Hand genommen, Kritik zu üben.

Geben wirklich nur 48 Prozent „der Deutschen“ im Job ihr Bestes? Man weiß es nicht.

Denn der Auftraggeber der Umfrage gibt leider keine Informationen darüber, wie sie zustande gekommen ist. Ich habe das in einem Thread bei BlueSky dargestellt.

Am Montag machte eine Umfrage zur Arbeitsmotivation die Runde. Demnach sagen in Deutschland (nur) 48 Prozent der befragten Angestellten, auf der Arbeit ihr Bestes zu geben. Ob die Ergebnisse aber stimmen, kann man nicht überprüfen. (1/9) 🧵⬇️ www.zdf.de/nachrichten/…

Stefan Fries (@stefanfries.bsky.social) 2025-01-11T14:19:37.639Z

Gastbeitrag von Elon Musk: So kam er zustande

Wie und warum hat es ein Text von US-Tech-Milliardär Elon Musk in die „Welt am Sonntag“ geschafft? Bisher war der Hergang unklar.

Die Welt-Redaktion hatte zunächst den Eindruck erweckt, dass die Initiative für den Gastbeitrag von Elon Musk von der Welt-Redaktion ausging. Am Montag erklärte der bisherige Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt in der SZ, „eine Redakteurin“ habe bei Elon Musk angefragt. Gestern erklärte Poschardt-Nachfolger Jan Philipp Burgard, dass Gastautoren Anspruch auf Verschwiegenheit hätten.

Jetzt hat sich ein Mitglied des Aufsichtsrates von Axel Springer gemeldet – Martin Varsavsky – und bei X geschrieben, die Initiative dazu sei von ihm ausgegangen – und er habe dann nach Zustimmung von Welt-Chefredakteurin Jennifer Wilton den Gastbeitrag selbst bei Elon Musk bestellt.

Post bei X

Der Springer-Verlag weist darauf hin, dass er sich nicht dazu äußert, wie Beiträge zustande kommen. Aber wenn Beteiligte wie Martin Varsavsky das täten, sei das ihr gutes Recht.

Darüber hätten wir im Deutschlandfunk gerne mit dem neuen Welt-Chefredakteur Jan Philipp Burgard gesprochen, der aber nicht zugesagt hat – wie der Springer-Verlag insgesamt. Stattdessen hat sich der Journalismusprofessor Tanjev Schultz von der Universität Mainz bereit erklärt, mit uns über den Fall zu sprechen. Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie weit es mit der Trennung von Redaktion und Verlag her ist, wenn ein Aufsichtsratsmitglied einen Beitrag vermittelt.