Der Fall Abdelhamid: Wie soziale Netzwerke Betrug ermöglichen

In Düsseldorf steht seit gestern eine Internet-Persönlichkeit wegen Betrugs vor Gericht. Der 34-Jährige Abdelhamid war ein salafistischer Prediger und sammelte zum Beispiel über Instagram und TikTok Spenden – angeblich für humanitäre Hilfsprojekte. Aber einen Großteil der Gelder zweigte er für sich selbst ab – laut Anklage 500.000 Euro. Das hat er gestern grundsätzlich auch zugegeben. Mit Abdelhamid ist seine Lebensgefährtin angeklagt.

Wie ihm das gelungen ist, von fremden Leuten so viel Geld einzusammeln, wird wohl der Prozess zeigen. Im Deutschlandfunk habe ich heute mit der Medienpsychologin Anne Leiser über derartige Internetphänomenene gesprochen mit der Frage: Wieso fallen Menschen auf so jemanden rein?

Wie es bei ttt nach der Trennung von Thilo Mischke weitergeht

Mehr als sechs Monate ist es her, dass die ARD einen neuen Moderator für ihr Kulturmagazin „Titel, Thesen, Temperamente“ (ttt) im Ersten angekündigt hatte. Doch am Investigativjournalisten Thilo Mischke gab es gleich Kritik: Er sei kein Kulturjournalist und habe sich in Büchern und Podcastfolgen sexistisch und teils auch rassistisch geäußert.

Die Hintergründe habe ich gestern noch mal in „Fazit“ in Deutschlandfunk Kultur erklärt.

Nach zwei Wochen öffentlichen Drucks trennte sich die ARD von Thilo Mischke – und wollte den Fall danach journalistisch aufarbeiten. Doch daraus wird nichts, weil das aus Sicht der ARD allen Betroffenen nur schaden könnte, sagte MDR-Kulturchefin Jana Cebulla im Deutschlandfunk. Cebulla ist künftig federführend verantwortlich für ttt und die Kommunikation. Ich hatte sie danach gefragt, was denn eigentlich aus der journalistischen Aufarbeitung wird, von der wir sechs Monate nichts mehr gehört haben, darauf sagte sie:

„Wir haben uns gefragt, können wir an dieser Stelle etwas journalistisch aufarbeiten, ohne dass alle Beteiligten am Ende nicht noch mehr wieder im Schussfeld stehen oder vielleicht falsch dargestellt werden? Und deswegen haben wir uns entschieden, an dieser Stelle, heute, erstmal zu sagen, wir arbeiten es nicht weiter journalistisch auf, weil einfach nicht klar ist, wie das ausgehen kann.“

Konkrete Fehler werden nicht benannt

Jana Cebulla will nicht von fehlender Transparenz sprechen, sondern sie nennt es weitsichtig im Hinblick auf die Marke ttt. Eine interne Aufarbeitung habe es durchaus gegeben, auch einen Bericht, um aus den Fehlern Konsequenzen zu ziehen.

Welche Fehler genau gemacht worden sind, wollte Cebulla nicht sagen – auch nicht, von wem. Aber sie räumte ein, dass die ARD zu wenig kommuniziert habe:

„Es gab keinen Austausch von Argumenten und das ist auch ein Fehler, der passiert ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass in der Zeit um Weihnachten und Neujahr wir viel kommuniziert haben in der ARD. Nur am Ende gab es eben diese eine Verantwortung, die gefehlt hat, zu sagen, da gehe ich jetzt raus. Und aus diesen Fehlern hat die ARD gelernt und hat gesagt, das müssen wir künftig besser aufstellen, denn das schadet dem Ansehen aller Beteiligten und das wollen wir nicht.“

Durch die mangelnde Transparenz lässt sich aber nur schwer sagen, ob man die durch die vereinbarten neuen Regeln in Zukunft vermeiden kann.

Komplizierte Struktur hinter ttt-Sendungen

Ein Teil der Probleme lag offenbar an den komplizierten Strukturen hinter ttt. Denn die Sendung tritt zwar unter einer Dachmarke auf, mit denselben Moderatoren jede Woche (im Moment allein Sihal El Maimoudi), aber jede Sendung wird von einer anderen Redaktion in einer anderen ARD-Anstalt gemacht; sechs sind beteiligt. Das erfordert viel Abstimmung, auch bei grundsätzlichen Fragen wie der Auswahl eines neuen Moderators, aber auch bei der Kommunikation nach außen. Das hat man (zurecht) als Fehler erkannt, das soll besser werden. Das heißt, das macht künft der MDR zentral: zu Themen wie der Gestaltung der Marke, Kommunikation, Zielgruppenansprache usw. Das haben die ARD-Intendantinnen und Intendanten am Mittwoch bei einem Treffen beschlossen.

Künftig soll es wieder wichtig sein, dass der Moderator auch fachlich geeignet ist. Erreichen will man das durch neue Regeln fürs Casting von Moderatoren. FAZ-Recherchen zufolge war es damals bei Thilo Mischke so, dass er gar nicht der Favorit der Redaktionen war, da lag ein Konkurrent vorne. Man hat dann noch einen Zuschauertest gemacht, wo Mischke teilweise vorne lag. Am Ende haben offenbar die beteiligten Kulturchefs der ARD-Anstalten die Redaktionen überstimmt und sich für Mischke ausgesprochen, auch wenn er keine Erfahrung im Kulturjournalismus hatte.

Wie genau die Castings künftig aussehen sollen, wissen die Beteiligten aber noch nicht, das soll jetzt erst erarbeitet werden, damit es klare Kriterien für die Auswahl gibt. Einen Zuschauertest wird es dann wohl auch geben, der soll dann aber anders bewertet werden.

Bis Mitte 2026 soll Siham El Maimouni die alleinige Moderatorin bleiben; das hatte die ARD schon bekanntgegeben, als sie sich von Thilo Mischke trennte. Mitte 2026, also erst in einem Jahr, will man dann einen neuen, zweiten Moderator für „Titel, Thesen, Temperamente“ verkünden.

Nach Kritik an ttt-Moderator Thilo Mischke: ARD sagt journalistische Aufarbeitung ab

An der Berufung von Thilo Mischke als ttt-Moderator gab es zum Jahreswechsel viel Kritik. Nach zwei Wochen öffentlichen Drucks trennte sich die ARD von Mischke und kündigte an, die Vorgänge journalistisch aufzuarbeiten. Doch jetzt verzichtet sie darauf, sagte mir MDR-Kulturchefin Jana Cebulla im Deutschlandfunk. Man wolle nicht, dass allen Beteiligten noch mal geschadet wird.

Bild: ARD/Marc Rehbeck

Dlf:  Sechs Monate ist der Fall Thilo Mischke jetzt her. Der preisgekrönte Investigativjournalist sollte neuer Moderator des Kulturmagazins „Titel, Thesen, Temperamente“ im Ersten werden. Dann gab es Sexismusvorwürfe gegen ihn. Nach öffentlichem Druck verzichtete die ARD zwei Wochen später auf Mischke als Moderator. Die ARD teilte mit, die Diskussion habe dem Ansehen der ARD geschadet. Jetzt haben die Intendantinnen und Intendanten entschieden, neue Strukturen zu schaffen, damit so was nicht noch mal passieren kann. Sie bündeln die Verantwortung für ttt beim Mitteldeutschen Rundfunk und bei seiner Kulturchefin Jana Cebulla. Frau Cebulla, was bedeutet das, dass Sie jetzt die Federführung übernehmen?

Jana Cebulla: Die Federführung bedeutet, dass wir Prozesse besser bündeln. Wir haben ja sechs ARD-Anstalten, die an ttt beteiligt sind und das auch schon viele Jahre. Aber es hat sich gezeigt, dass es gut ist, wenn einer ein bisschen das Heft in die Hand nimmt und das betrifft natürlich die Kommunikation, aber es betrifft auch das Gestalten der Marke. Weil, wir müssen uns in Zukunft ja auch ein Stück weit aufstellen. Wir wissen, dass sich das Mediennutzungsverhalten ändert und wir wollen die Marke ttt liebevoll auch für andere Zielgruppen verlängern. Und diesen Prozess zu gestalten, das ist eine der Aufgaben, die die Federführung innehat, genauso wie das Thema Kommunikation.

Dlf: Dazu muss man sagen, „titel, thesen, temperamente“ wird von sechs Redaktionen in sechs ARD-Anstalten gemacht. Das heißt, jede Sendung kommt von einer unterschiedlichen Anstalt, tritt aber unter derselben Marke auf. Sie sagen jetzt selber, dass auch die Kommunikation gebündelt werden soll. In der Diskussion Anfang des Jahres gab es ja kaum Beteiligung der ARD. Und nach zwei Wochen Klagen von der Programmdirektorin Christine Strobl, dass man die Diskussion gar nicht richtig führen könnte. Stellen Sie sich künftig so einer Diskussion?

Jana Cebulla: Das wäre dann meine Aufgabe, gemeinsam mit der MDR-Kommunikation und darum ging es ja auch. Ich stolpere ein bisschen über dieses, es wurde gar nicht kommuniziert, weil das entspricht überhaupt nicht meinem Leben…

Dlf: …es gab Statements, aber es gab keinen Austausch von Argumenten.

Jana Cebulla: Es gab keinen Austausch von Argumenten und das ist auch ein Fehler, der passiert ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass in der Zeit um Weihnachten und Neujahr wir viel kommuniziert haben in der ARD. Nur am Ende gab es eben diese eine Verantwortung, die gefehlt hat, zu sagen, da gehe ich jetzt raus. Und aus diesen Fehlern hat die ARD gelernt und hat gesagt, das müssen wir künftig besser aufstellen, denn das schadet dem Ansehen aller Beteiligten und das wollen wir nicht. Und deswegen haben wir ganz klar eine Federführung aufgesetzt. Die Intendantinnen und Intendanten haben gesagt, wir wollen das. Und der MDR hat sich hier angeboten und übernimmt das auch gern.

„Wir arbeiten es nicht journalistisch auf, weil einfach nicht klar ist, wie das ausgehen kann“

Dlf: Sie sprechen die Fehler schon an. In einem ARD-Statement im April, wo Sie das jetzt angekündigt haben, was jetzt entschieden wurde, heißt es, es seien Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Wer hat welche Fehler gemacht?

Jana Cebulla: Am Ende sind es sechs beteiligte ARD-Anstalten und wer welchen Fehler gemacht hat, das ist wirklich schwer zu sagen. Am Ende war es leider die Situation, die dazu geführt hat, dass es so ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist. Dieses Thema, wer kommuniziert an welcher Stelle, war natürlich mit Schwierigkeiten behaftet. Und so wirkte es, als würden wir uns wegducken, was wir aber nicht getan haben. Und wir haben das Thema aufgearbeitet in einem Bericht und haben daraus die Konsequenzen gezogen. Diese eine Person, sehen Sie es mir nach, die ist nicht zu benennen und das wird es auch nicht geben.

Dlf: Es muss ja nicht eine Person sein, aber vielleicht können Sie mehrere Personen benennen.

Jana Cebulla: Auch das nicht. Es ist ja eine gemeinschaftliche Entscheidung gewesen und das ist auch eben in der föderalen ARD so. Am Ende wollen wir uns gemeinschaftlich einer Sache widmen und dann müssen wir auch gemeinschaftlich kommunizieren. Und da hakte es an dieser Stelle zu sagen: Okay, was heißt denn diese gemeinschaftliche Kommunikation, wer geht denn jetzt nach vorne? Und diese, etwas ungenaue Verantwortung hat dazu geführt, dass es eben zu lange gedauert hat und das war ein großer Fehler und der wird in Zukunft nicht mehr passieren.

Dlf: Als Konsequenz hatte die ARD im Januar auch angekündigt, den Fall journalistisch aufzuarbeiten. Gibt es diese Aufarbeitung? Öffentlich?

Jana Cebulla: Wir haben das lange diskutiert. Also ich kann Ihnen vielleicht mal einen kurzen Einblick in den Prozess geben, den ich jetzt gestalte als MDR-Federführung. Wir haben uns zusammengesetzt in einem Workshop mit den Redaktionen und den beteiligten Redakteurinnen und Redakteuren und haben genau diese Frage diskutiert: Was wollen wir an dieser Stelle journalistisch aufarbeiten? Und wir haben uns gefragt, können wir an dieser Stelle etwas journalistisch aufarbeiten, ohne dass alle Beteiligten am Ende nicht noch mehr wieder im Schussfeld stehen oder vielleicht falsch dargestellt werden? Und deswegen haben wir uns entschieden, an dieser Stelle, heute, erstmal zu sagen, wir arbeiten es nicht weiter journalistisch auf, weil einfach nicht klar ist, wie das ausgehen kann.

ARD will Mitte 2026 neuen Moderator verkünden

Dlf: Das wurde damals angekündigt, damals beim ARD-Vorsitzenden Florian Hager auch nochmal nachgefragt, wie der Stand der Dinge ist vor ein paar Monaten, das heißt, daraus wird jetzt gar nichts. Das haben Sie bisher nicht so verkündet.

Jana Cebulla: Genau. Also jetzt sind ja sechs Monate seitdem vergangen, und natürlich, mit Abstand betrachtet, schaut man da drauf. Der erste Impuls ist natürlich zu sagen, wir von ttt sind Journalistinnen und Journalisten. Und es liegt ja nahe zu sagen: Können wir das journalistisch aufarbeiten? Und die Idee war auch da. Nur wenn man jetzt sechs Monate auf die vergangene Zeit zurückschaut, muss man sich fragen, an welcher Stelle ergibt etwas Sinn. Und was wir nicht wollen, ist, dass nochmal allen Beteiligten geschadet wird. Und deswegen sind wir an diesem Punkt so, dass wir sagen: Heute gibt es keine journalistische Aufarbeitung. Wenn wir eine Idee haben, etwas zu tun, dann würden wir darauf zurückkommen.

Dlf: Also Transparenz schadet.

Jana Cebulla: Transparenz schadet, inwiefern?

Dlf: Ja, wenn Sie sagen, Sie wollen nicht, dass nochmal alles diskutiert wird. Aber Transparenz über die Vorgänge damals könnte ja auch Vertrauen schaffen.

Jana Cebulla: Nein, das glaube ich eben nicht, weil es ist auch wirklich ein sehr, sehr interner Prozess, der da schiefgelaufen ist. Und an dieser Stelle würde man tatsächlich wieder etwas aufmachen, wo wir sagen, wir schauen jetzt nach vorne. Und das ist in diesem Fall keine fehlende Transparenz, sondern eine Weitsichtigkeit, zu sagen, wie gehen wir jetzt mit der Marke ttt weiter um?

Dlf: Angekündigt waren auch verbindliche Kriterien für Casting-Prozesse für ARD-Sendungen. Wie sehen die in Zukunft aus?

Jana Cebulla: Da sind wir gerade im Prozess tatsächlich. Also wichtig ist zu wissen, dass wir mit Siham El-Maimouni eine sehr, sehr gute Moderatorin haben, mit der wir in der Vergangenheit sehr happy waren und auch jetzt sehr happy sind. Aber natürlich ist es so, dass auch Siham El-Maimouni eine gut gebuchte Moderatorin ist. Und wir müssen uns fragen, wer kann mindestens im Vertretungsfall dann dort die Sendung übernehmen. Und ja, es ist ein Prozess, den wir jetzt gestartet haben. Gestern haben die Intendantinnen und Intendanten die Verwaltungsvereinbarung final unterschrieben. Wir haben verschiedene Gruppen gegründet, wo eine Gruppe sich auch „Casting“ nennt. Und wir werden jetzt diese verbindlichen Kriterien finden. Und wir nehmen uns schon ein bisschen Zeit für den Prozess, denn was nicht passieren darf, ist, dass es wieder so ausgeht, wie es ausgegangen ist. Das wollen wir definitiv verhindern. Und deswegen werden wir voraussichtlich Mitte 2026 eine neue Moderatorin oder einen neuen Moderator verkünden.

Dlf: Aber wir wissen noch nicht, wie der gefunden wird.

Jana Cebulla: Nein, das wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass wir unser Anforderungsprofil ein Stück weit ergänzt haben zu dem, was wir damals schon hatten, und haben es nochmal ergänzt um das Thema journalistische Expertise und Glaubwürdigkeit im Kulturbetrieb, denn das war ja etwas, was sozusagen auch wichtig war in der Rückschau und wie es auch öffentlich diskutiert wurde.

„Das möchten wir nicht nochmal“

Dlf: Also es war ein Vorwurf gegen Thilo Mischke, er sei kein Kulturjournalist und hätte einen unterkomplexen Kulturbegriff, das hat er selber ja auch so formuliert, das war damals der Vorwurf. Das wollen Sie nicht nochmal?

Jana Cebulla: Das möchten wir nicht nochmal.

Dlf: Die F.A.Z. hat damals im Januar berichtet, dass Thilo Mischke das Casting eigentlich gar nicht gewonnen hatte. Bei den Redaktionen soll ein Konkurrent vorne gelegen haben mit vier zu zwei Stimmen und trotzdem haben sich dann die Kulturchefs für Mischke entschieden. Sie auch?

Jana Cebulla: Am Ende ist es eine konsensuale Entscheidung und ich war Teil des Ganzen, das muss man sagen. Und gerade weil es eben keinen Kandidaten gab, der hervorgestochen hat, wurde eine Zuschauerbefragung gemacht. Es wurde also ein Nutzer-Testing gemacht. Und in diesem Nutzer-Testing punktete Thilo Mischke eben in Sachen Vertrauen und Glaubwürdigkeit und punktete ein bisschen besser in diesen Punkten – und nicht im Thema Kultur, das ist im Nachgang vielleicht nicht die richtige Entscheidung gewesen – punktete er besser. Und am Ende haben die Kulturchefs und Kulturchefinnen der ARD gesagt, dann trauen wir dem Zuschauervoting oder dem Zuschauertest und gehen mit Thilo Mischke ins Rennen.

Dlf: Machen Sie das künftig auch? Zuschauertests?

Jana Cebulla: Ja, das tun wir auch. Aber vielleicht bewerten wir es dann anders.

Anmerkung: In der Transkription des Interviews sind einige sinnwahrende Glättungen vorgenommen worden, um es lesbar zu machen.

Zwischen fundierter Kritik und Nörgelei: Was bringen Programmbeschwerden?

Über 1100 Programmbeschwerden sind bei den Rundfunkräten von ARD, ZDF und Deutschlandradio im Jahr 2024 eingegangen, das sind sechzig Prozent mehr als 2023. Ein aktueller Fall um Jan Böhmermann hat das Thema erneut angefacht. Diesmal war ich im Podcast „Medien cross & quer“ vom Saarländischen Rundfunk – mit Thomas Bimesdörfer und Michael Meyer.

Videos von Flüchtenden und Toten: Kritik an Berichterstattung über Amoklauf in Graz

Die Amoktat in Graz in Österreich hat für Bestürzung gesorgt. Dabei hat der Täter an einer Schule zehn Menschen erschossen und elf verletzt. Anschließend erschoss er sich selbst. Kritik ausgelöst hat, wie Medien darüber berichtet haben. Über die Kritik wiederum habe ich im Deutschlandfunk berichtet.

Mehr dazu:

Nachtrag (13.06.2025, 19 Uhr): Boris Rosenkranz hat für Übermedien noch mehr Verfehlungen aufgeschrieben und sie kommentiert.

Bei Demos in Los Angeles: Journalisten von Einsatzkräften angeschossen

Auf einem Video von den Demonstrationen in Los Angeles gegen das Vorgehen der Regierung von US-Präsident Trump sieht man, wie ein Polizist mit Gummigeschossen auf eine Journalistin schießt.

Watch the slow motion: it appears to me that the officers discuss the photographer and reporter before the one on the end fires on them (it looks to me like he's aiming at the camera, not the reporter, but you decide)

Timothy Burke (@bubbaprog.lol) 2025-06-09T02:53:12.172Z

Zwei weitere Journalisten sind am Wochenende durch Geschosse verletzt worden. Darüber habe ich kurz für den Deutschlandfunk berichtet.

Nein, es gibt in den Niederlanden keine Grenzkontrollen durch Bürger – es ist eine verbotene Aktion

Beispiel für eine gute Überschrift, hier aus der ZEIT. (Screenshot: zeit.de)

Egal, was die Täter an der niederländisch-deutschen Grenze mit ihren angeblichen Kontrollen erreicht haben – medial ist es ein voller Erfolg. Denn zumindest in Deutschland haben sehr viele Medien ihr Framing übernommen, sie würden selbst Personenkontrollen durchführen, um angeblich illegale Einreisen in die Niederlande zu verhindern.

Denn dahinter steckt ja die verbreitete und irrige Vorstellung, die Sicherheitslage verschlechtere sich zunehmend, der Staat habe die Migration (die oft ebenfalls falsch als illegal bezeichnet wird) nicht im Griff, es gebe einen Kontrollverlust, der nur durch die Bürger selbst zu beheben sei.

Niederländische Bürger führen Grenzkontrollen selbst durch – Minister reagiert: „Frustration verständlich“

schreibt der Merkur.

Niederländische Bürger führen eigene Grenzkontrollen durch

schreibt der Spiegel.

Niederlande: Bürger kontrollieren Grenze selbst

schreibt das ZDF.

Dabei sind das keine Grenzkontrollen. Die dürfen nur von offiziell dafür Bevollmächtigen durchgeführt werden. In Deutschland wären das Beamte der Bundespolizei. Die Rechtslage in den Niederlanden kenne ich nicht, aber auch dort hat die Regierung bereits darauf hingewiesen, dass die Aktion rechtswidrig ist.

Deutsche Medien aber verschleiern das in ihren Überschriften und Texten und verbreiten damit das rechtsextreme Framing, die Kontrollen seien irgendwie okay. Anstatt deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich hier wohl um Straftaten handelt.

Zum Glück tun das nicht alle Medien. Hier ein paar positive Beispiele, wie man gleichzeitig objektiv berichten und einordnen kann:

Niederländer führen illegale Kontrollen durch

schreibt die österreichische Kronen-Zeitung. Wenngleich man das auch so missverstehen könnte, dass es niederländische Behörden sind, aber gut. Da ist die ZEIT schon präziser:

Niederländische Bürger kontrollieren eigenmächtig an deutscher Grenze

Und eigentlich machen sie den Artikel damit sogar spannender als alle anderen – weil da der Regelverstoß gleich mitgenannt wird. Also selbst wenn man auf der Suche nach Klicks ist, kriegt man es hier mit Präzision und unter Vermeidung von rechtsextremem Framing gut unter.

Was bringen eigentlich Programmbeschwerden?

2024 gab es deutlich mehr Programmbeschwerden bei ARD, ZDF und Deutschlandradio als im Vorjahr. Doch nur wenige hatten Erfolg. Warum? Und wie könnte mehr Transparenz entstehen? Für den Übermedien-Podcast habe ich mit Holger Klein noch mal sehr ausführlich über das Thema gesprochen.

Mehr Programmbeschwerden bei ARD, ZDF und Deutschlandradio

Im Jahr 2024 ist die Zahl der offiziellen Programmbeschwerden gegen ARD, ZDF und das Deutschlandradio stark gestiegen. Die Sender und ihre Rundfunkräte, die sie beaufsichtigen, haben rund 60 Prozent mehr davon registriert. Insgesamt waren es 1.129, die Räte haben fünf davon stattgegeben.

Der Anstieg geht vor allem auf konzertierte Massenbeschwerden zurück, die über das Portal rundfunkalarm.de kamen. Auf diesem Weg gingen bei ARD und ZDF im vergangenen Jahr rund 48.000 Beschwerden ein. Die waren aber hauptsächlich an die Sender selbst gerichtet und konnten dort wie Hörerpost beantwortet werden.

Die Zahl der Beschwerden bei den Rundfunkräten, die offizielle Verfahren einleiten können mit ggf. stärkeren Konsequenzen für die Sender, ist dagegen nur leicht gestiegen. Allerdings hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg einen Teil der Massenbeschwerden als offizielle Programmbeschwerden anerkannt und in die entsprechende Statistik aufgenommen. Das erklärt, warum er für 2024 insgesamt 280 Beschwerden auflistet, während es im Vorjahr nur 23 waren.

Wie die Zahlen aussehen und was dahintersteckt, habe ich im Deutschlandfunk erklärt.

Wie eine Journalistin die „Letzte Verteidigungswelle“ unterwanderte

Die RTL-Reporterin Angelique Geray wollte wissen, was Jugendliche zu rechtsextremen Straftaten bis hin zu Mord führt. Undercover erlangte sie das Vertrauen der Gruppe „Letzte Verteidigungswelle“. Schließlich musste sie die Behörden einschalten. Ich habe über Recherchen mit Angelique Geray gesprochen.