Warum die Autokaufprämie eigentlich gar keine Prämie ist

Eine Prämie kann ich mir verdienen – oder sie gewinnen. Zum Beispiel, wenn ich in meiner Firma besonders gute Leistungen erbracht habe – oder beim Lotto richtig getippt habe – oder für etwas geehrt werde.

Was Autoindustrie und manche Politiker jetzt fordern, ist aber weder das eine noch das andere. Ich bekomme gar nichts obendrauf.

Mein Beitrag für unsere neue @mediasres-Sprachrubrik „Sagen & meinen“.

Warum wir weder Ausgangssperren noch den „totalen Lockdown“ haben

Shutdown, Lockdown – während der Corona-Pandemie werden in den Medien viele Begriffe für die Einschränkungen im öffentlichen Leben verwendet. Bisher hat es in Deutschland allerdings keine Shut- oder Lockdowns gegeben. Der Shutdown meint in den USA das Stilllegen der Bundesverwaltung; Lockdown ist lediglich die Übersetzung für Ausgangssperre. In Deutschland gibt es nur Ausgangsbeschränkungen. Wenn Politiker, Medien oder Wirtschaftsexperten von Ausgangssperre, Shutdown oder Lockdown sprechen, stellen sie die Situation also extremer dar, als sie ist – und verfolgen damit vielleicht eigene Interessen.

Darum geht es in meiner ersten Folge der neuen @mediasres-Reihe „Sagen & meinen – der Sprachcheck“ – kann man hier hören (Dlf-Audiothek).

Sagen & meinen – der Sprach-Check bei @mediasres

Das „Familiendrama“, Trumps „Friedensplan“, die „Klimakrise“: In den Medien setzen sich Begriffe fest, ohne hinterfragt zu werden.

Dabei ist ein Familiendrama höchstens ein Streit über den Hausputz, aber keinesfalls ein Dreifachmord an Frau und Kindern. Für einen „Friedensplan“, der diesen Namen verdient, müssten zumindest alle befragt worden sein, die Frieden schließen sollen. Und kann man wirklich noch verharmlosend von einer „Krise“ sprechen, wenn wir – wissenschaftlich untermauert – nur noch zehn Jahre haben, um das Klima auf diesem Planeten zu retten? Wir sitzen denen auf, die uns mit  dem „Gute-Kita-Gesetz“ die Bewertung von politischen Vorhaben gleich mitliefern wollen.

Journalistinnen und Journalisten sagen das eine, meinen aber in Wirklichkeit etwas ganz anderes. Deswegen haben wir die neue Rubrik bei @mediasres im Deutschlandfunk „Sagen & meinen“ genannt. Sie nimmt solche Begriffe aufs Korn. Wir erklären, welcher „Frame“ damit verbunden ist, dass in manchen Fällen nicht einmal der rhetorische Griff zum „so genannt“ hilft und welche Wort-Alternative es gibt. Kurz, knapp und vor allem aktuell zeigen wir auf, worin der Unterschied besteht zwischen Sagen und Meinen.

Wer früher damalig war, ist heute ehemalig

Journalisten verwechseln gerne mal zwei Begriffe: „ehemalig“ und „damalig“. Dabei ist eigentlich ganz klar, was damit jeweils gemeint ist:

„Ehemalig“ bedeutet laut Dudeneinstig, früher„.

„Damalig“ heißt laut Dudendamals bestehend, vorhanden, gegeben; zu jener Zeit herrschend„.

Das klingt zunächst mal ähnlich, wird aber klar, wenn man beide Begriffe in einem Satz jeweils versucht, synonym füreinander zu verwenden. Wenn es zum Beispiel heißt: „Peter Müller wurde in der ehemaligen DDR geboren“ – dann bedeutet das also auf der Fläche, die ehemals die DDR war – das heißt nicht vor dem 3. Oktober 1990.

Wenn man dagegen schreibt: „Peter Müller wurde in der damaligen DDR geboren“ – dann heißt das also zur Zeit, als die DDR bestand – also zwischen dem 7. Oktober 1949 und dem 2. Oktober 1990.

„Ehemalig“ bezeichnet also etwas oder jemanden, der früher mal etwas oder jemand anderes war. „Damalig“ bezeichnet etwas oder jemanden zu dem Zeitpunkt, über den man spricht, das oder der aber heute etwas anderes ist. Wenn man das an einer Person festmacht, sieht der Unterschied so aus:

„Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder arbeitet heute als Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG.“

Es heißt hier also „ehemalig“, weil Schörder zum Zeitpunkt dieser Tätigkeit kein Kanzler mehr ist. Dagegen hier:

„Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte 2003 die Hartz-Reformen vor.“

Zum Zeitpunkt, über den wir sprechen, ist Schröder Kanzler – also ist „damalig“ richtig. Würde man hier schreiben: „Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte 2003 die Hartz-Reformen vor“, wäre das falsch, denn 2003 war Schröder kein ehemaliger Kanzler.

Eigentlich ist das was für einen journalistischen Grundkurs, wird aber leider von Kollegen oft falsch gemacht. Also hier die Erklärung, wie’s richtig geht. Da nicht für.

Tutzinger Radiotage: Rezepte für die Zukunft

(Foto: Stefan Fries)

Dass viele Menschen morgens vom Radio geweckt werden, ist Alltag in Deutschland. Genauso selbstverständlich könnte es werden, dass man sich mit seinem Radiogerät unterhält. Bei den Tutzinger Radiotagen wurde über aktuelle Trends diskutiert. Mein Beitrag über #tura18 in @mediasres im Deutschlandfunk.

Tutzinger Radiotage: Journalisten müssen Frames genauso checken wie Fakten

Wie wichtig Sprache in der öffentlichen Auseinandersetzung ist, haben die letzten Tage besonders deutlich gezeigt. Gab es in Chemnitz nun eine „Hetzjagd“ oder nicht? Was ist eigentlich eine Hetzjagd? Ab wieviel Meter ist es eine? Wie unterscheidet sie sich von „Jagdszenen“? Und lenkt diese Diskussion über Sprache nicht vom eigentlichen Inhalt ab?

Bei den Tutzinger Radiotagen hat Friederike Herrmann von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt darauf hingewiesen, dass jedes Wort bei uns einen sprachlichen Frame eröffnet. Es gibt keinen objektiven Sinn von Wörtern, wir schöpfen aus unserer Erfahrung, was wir damit verbinden – nicht nur aus unserer individuellen, sondern aus unserer kollektiven Erfahrung als Gruppe, die sich unterhält.

Ihre Thesen:

These 1: Frames sind Deutungsrahmen, die den Informationen, die Sie wahrnehmen, Sinn geben.

Aus den Worten erschaffen wir einen Sinn.

These 2: Framing beschreibt Wirklichkeit nicht nur, es erschafft sie. Die Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist das Produkt von Frames.

Woran denken Sie, wenn Sie nicht an einen rosa Elefanten denken sollen? Genau an den.

These 3: Die Negierungsfalle: Frames lösen sich nicht dadurch auf, dass man gegen sie verneint. Im Gegenteil: Die Wiederholung von Frames führt dazu, dass sie sich in den Köpfen vefestigen – selbst wenn man gegen sie argumentiert.

Eine Negation funktioniert nicht, denn in ihr wird die eigentliche Aussage wiederholt. Vom Satz „Ausländer sind nicht krimineller als Deutsche“ bleiben nur die inhaltlichen Frames übrig, die die Schlagworte „Ausländer“ und „kriminell“ transportieren. Das „nicht“ funktioniert bei uns nicht.

These 4: Frames prägen unbemerkt unser Weltbild. Durch Frames kann unbemerkt Ideologie – z.B. in Form von rechtspopulistischen Behauptungen – in Sprache und Denken von Medien, Bürgerinnen und Bürgern einfließen.

Es geht um Begriffe wie „Flüchtlingswelle“ und „Überfremdung“, die eine negative Konnotation haben, aber mittlerweile wie selbstverständlich im politischen Diskurs verwendet werden. CSU-Chef und der heutige Bundesinnenminister Horst Seehofer benutzt seit 2015 – wohl mehr bewusst als unbewusst – solche Begriffe, wenn er von „Herrschaft des Unrechts“ spricht oder von Migration/Migrationspolitik als „Mutter aller Probleme“. Auch Söders/Dobrindts „Asyltourismus“ fällt in diese Kategorie.

Friederike Herrmann fordert, dass Journalisten solche Frames genauso routiniert überprüfen sollten wie sie das mit Fakten tun.

These 5: Man kann nicht nicht framen.

Jeder Begriff ruft einen Frame auf, einen Rahmen. Herrmann verweist auf das Bild eines Glases, das zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist. Ist es halb voll oder halb leer? Wie formuliert man es neutral? Das Beispiel zeigt, wie schwierig es sein kann, ohne Frames zu berichten – oder mit solchen, die möglichst wenig vorgeben.

These 6: Frames müssen in der Wahrnehmung verankert sein.

Frames lassen sich nicht beliebig setzen, man braucht einen Resonanzboden, an den man andocken können muss.

Zusammenfassung

Medien sind in die Journalisten meistens unbewusste Dynamik eingebunden, Frames von Politik und öffentlichen Diskursen zu transportieren. Politiker kämen mit ihren Rahmensetzungen nicht weiter, wenn Journalisten sie nicht wörtlich zitieren bzw. ihre Aussagen so weitergeben würden. Frames zu beschreiben, bietet die Chance, darüber aufzuklären und sie bewusst zu machen. Wird ein Frame erkannt und beschrieben, kann man sich seiner Deutungsmacht entziehen.

Sprachkritik am DFB: Verband distanziert sich von eigenem Sponsor

Der „Verein Deutsche Sprache“ zeichnet jedes Jahr mit einem Negativpreis die „Sprachpanscher des Jahres“ aus. In diesem Jahr ging der Hauptpreis an den Deutschen Fußball-Bund – mit folgender Begründung:

Sein Motto „Best never rest“, mit dem der DFB zur missglückten WM-Verteidigung in Russland angetreten war, klänge nach Meinung erzürnter Sprachfreunde wie die ungelenke Formulierung eines russischen Englischschülers im ersten Lernjahr. Auch der Aufdruck „Germany“ auf verschiedenen Kleidungsstücken wurde oft moniert.

(Die erzünte Sprachfreundin war übrigens die Russland-Korrespondentin Katrin Scheib, die das im März so kommentierte.)

Mit der Kritik kann der DFB aber überhaupt nicht umgehen. Gestern setzte er dazu diesen Tweet ab:

Interessant, wie sich der DFB hier von seinem eigenen Sponsor Mercedes Benz distanziert. Als habe der eine mit dem anderen gar nichts zu tun. Als habe Mercedes die Nationalelf gegen deren Willen gesponsert. Als habe sich die Mannschaft gegen ihren Willen in den Mannschaftsbus gesetzt und Mercedes auch das DFB-Logo einfach so verwendet.

Tatsächlich hat der DFB weder bei @dfb_team noch bei @dfb den entsprechenden Hashtag oder auch nur den Slogan benutzt. Aber sie haben den Slogan unterstützt – wie sich auch an den Retweets des entsprechenden Hashtags durch @dfb_team zeigt.

Es ist schon eine bemerkenswerte Übung in Kritikfähigkeit, die der DFB hier zeigt. Da geht praktisch komplett unter, dass der Verein Deutsche Sprache den Urheber des Slogans tatsächlich falsch ausgemacht hat. Er müsste sich an Mercedes richten. Dass der DFB aber nun plötzlich nichts mehr damit zu tun haben will, wie er hier behauptet, ist von einer interessanten Verantwortungslosigkeit.

Und noch was: Mit seinem Tweet hat er den berühmten Streisand-Effekt ausgelöst. Ohne ihn hätten nie so viele Menschen von der Auszeichnung des publizistisch weniger beachteten Vereins Deutsche Sprache erfahren. Ihn wird’s freuen.

Hass – ein schwieriges Wort

Hass – ein starkes Wort, findet @mediasres-Kolumnistin Silke Burmester:

Hass ist der Flüssigkitt der Journalisten. Sie gießen ihn in jede gedankliche Fuge. Bevor sie überlegen, worum es eigentlich geht und was für diesen Umstand das passende Wort wäre, gießen sie das Wort „Hass“ in die Lücke in ihrem Kopf und lassen einen Text herausplumpsen, in dem der Hass herumwirbelt wie einst die Kessler-Zwillinge.

Eigentlich hätte sie ihren Text auch in der sprachkritischen Rubrik des Medienportals Übermedien veröffentlichen können. Sie beschäftigt sich mit Wörtern, die die Gastautoren unpassend finden, übertrieben oder falsch. Problem ist nur der Titel der Rubrik. Sie heißt „Hasswort.“

Hoppala: Wenn ein Regierungschef hinfällt

Wenn ein Regierungschef gestürzt wird, klingt das dramatisch. Es klingt gewalttätig; das Substantiv „Umsturz“ schwingt mit. Es klingt aber meiner Meinung nach auch undemokratisch und nach einem illegitimen Vorgang.

So etwas ist heute im spanischen Parlament passiert. Dort hat Sozialistenchef Pedro Sanchez ein Misstrauensvotum gegen den konservativen Regierungschef Mariano Rajoy beantragt – und gewonnen. Rajoy wurde damit abgewählt. Abgesetzt. Des Amtes erhoben.

All das hätte man schreiben können. Stattdessen las ich aber vor allem den Begriff „gestürzt“. Ein Wort, das ich problematisch finde.

Der Duden definiert den Begriff (an siebter Stelle der möglichen Bedeutungen) so:

[gewaltsam] aus dem Amt entfernen, aus der Regierungsgewalt entfernen

„Gewaltsam“ ist hier eingeklammert, weil „stürzen“ demnach offenbar auch das demokratisch legitimierte Absetzen meinen kann – wie es in Spanien passiert ist. Doch warum wählen Journalisten genau dieses Wort und nicht eines der vielen anderen für den Vorgang?

Ich glaube, weil es krawalliger klingt – nach Konflikt, Gewalt, Streit. Und solche Begriffe verkaufen sich im Zeitalter des aufmerksamkeitsgetriebenen Journalismus eben besser als die Sache auf einen verfassungsgemäßen Vorgang zu reduzieren. Dem dienen auch andere Buzzwörter wie etwa „umstritten“, das der frühere Piraten-Politiker Christopher Lauer einmal bei Übermedien kritisiert hat:

Neben der negativen Konnotation und der Neutralisierung hat „umstritten“ also ein dritte Funktion: Es wertet den Gegenstand der Berichterstattung auf, suggeriert, hui hui, an dem Streit muss ja was dran sein, wenn die ganze Sache „umstritten“ ist. Dabei hat vielleicht jemand einfach nur etwas ins Internet gepupst und die Medien nahmen das einfach dankbar auf.

Auch der Begriff „Kampfkandidatur“, den einige Journalisten gerne verwenden, macht diese Zuspitzung in der Sprache deutlich. Eine Kampfkandidatur ist es schon dann, wenn zwei Kandidaten gegeneinander antreten – wie zum Beispiel um die Parteispitze von Bündnis 90/Die Grünen oder die der SPD. Wenn dagegen nur ein einziger Kandidat antritt, wird einfach von Wahl geredet. (Eine Beobachtung, die der Kabarettist Volker Pispers schon vor zehn Jahren gemacht hat.)

Im Bemühen, einen politischen Vorgang für den Hörer sexy zu machen, benutzen wir Journalisten manchmal unpassende Wörter. Wir können sie besonders dann vermeiden, wenn es unnötig ist – die Abwahl eines Regierungschefs lässt sich auch unter Vermeidung solcher Begriffe darstellen: „Abwahl“, „Misstrauensvotum“, „neue Regierung“ – all das ermöglicht auch, den Vorgang angemessen darzustellen, ohne in Alarmismus zu verfallen.