Ein „Drama“ oder eine „Tragödie“ kennen wir aus dem Theater. Das meinen Medien aber nicht, wenn sie von einem Familiendrama oder einer Familientragödie sprechen. Dann geht es um Straftaten – meist, wenn ein Mann Familienmitglieder tötet, etwa seine Eltern, seine Frau oder Ex-Frau und die eigenen Kinder oder die Kinder der Frau. Nicht selten tötet sich der Täter anschließend selbst.
Wer sich für Verkehrsmeldungen in Tageszeitungen interessiert, findet da oft Schlagzeilen wie
„Fußgänger von Auto erfasst“
„Radfahrer konnte offener Tür nicht ausweichen“
„Auto übersieht Radfahrer“
Gemeinsam haben die Meldungen, dass man bei vielen von ihnen zum Schluss kommen muss: Vor allem Radfahrer und Fußgänger machen Fehler, Autofahrer kommen dagegen gut weg. Das liegt aber nicht an ihnen, sondern darüber, wie Polizei und Medien über Verkehrsunfälle berichten. (Ein Beispiel hatte ich auch mal hier im Blog.)
Wenn Medien über Gewalt gegen Minderheiten berichten – ganz gleich ob gegen Schwule, trans Personen, Musliminnen oder Juden – fällt oft so eine Formulierung: „weil er schwul ist“, „weil sie Jüdin ist“ oder auch „weil sie die Ehre der Familie verletzt hat“.
Das klingt auf den ersten Blick einleuchtend. Allerdings: Schwul oder jüdisch zu sein – um bei diesen Beispielen zu bleiben – ist ja nicht die Ursache für die Gewalt.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat bestimmte Formen des Genderns in seiner Behörde verboten. Begründet wird das mit vermeintlicher Bevormundung bei der Sprache. Dass das widersprüchlich ist, stört Weimer nicht. Ihm geht es um einen Kulturkampf. Mein Kommentar im Deutschlandfunk.
Das Problem mit dem Begriff in Medien ist nicht nur das Framing Trumps, das mit übernommen wird. Sondern vor allem, dass der Begriff unpräzise ist. Im Deutschen kann damit zwar auch ein Wirtschaftsabkommen gemeint sein, aber auch ein Friedensvertrag. Oder doch nur eine Einigung, wie es sie heute in Sachen Zoll ist.
Vermutlich das Papier nicht wert, auf dem sie steht.
Trotzdem kann es durch die unbewusste Verwendung in Medien schnell nach einem Vertrag klingen. Deshalb sollten Medien das Wort nicht nutzen. Mehr dazu im heutigen Sprachcheck „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk.
Beispiel für eine gute Überschrift, hier aus der ZEIT. (Screenshot: zeit.de)
Egal, was die Täter an der niederländisch-deutschen Grenze mit ihren angeblichen Kontrollen erreicht haben – medial ist es ein voller Erfolg. Denn zumindest in Deutschland haben sehr viele Medien ihr Framing übernommen, sie würden selbst Personenkontrollen durchführen, um angeblich illegale Einreisen in die Niederlande zu verhindern.
Denn dahinter steckt ja die verbreitete und irrige Vorstellung, die Sicherheitslage verschlechtere sich zunehmend, der Staat habe die Migration (die oft ebenfalls falsch als illegal bezeichnet wird) nicht im Griff, es gebe einen Kontrollverlust, der nur durch die Bürger selbst zu beheben sei.
Niederländische Bürger führen Grenzkontrollen selbst durch – Minister reagiert: „Frustration verständlich“
Dabei sind das keine Grenzkontrollen. Die dürfen nur von offiziell dafür Bevollmächtigen durchgeführt werden. In Deutschland wären das Beamte der Bundespolizei. Die Rechtslage in den Niederlanden kenne ich nicht, aber auch dort hat die Regierung bereits darauf hingewiesen, dass die Aktion rechtswidrig ist.
Deutsche Medien aber verschleiern das in ihren Überschriften und Texten und verbreiten damit das rechtsextreme Framing, die Kontrollen seien irgendwie okay. Anstatt deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich hier wohl um Straftaten handelt.
Zum Glück tun das nicht alle Medien. Hier ein paar positive Beispiele, wie man gleichzeitig objektiv berichten und einordnen kann:
Niederländische Bürger kontrollieren eigenmächtig an deutscher Grenze
Und eigentlich machen sie den Artikel damit sogar spannender als alle anderen – weil da der Regelverstoß gleich mitgenannt wird. Also selbst wenn man auf der Suche nach Klicks ist, kriegt man es hier mit Präzision und unter Vermeidung von rechtsextremem Framing gut unter.
In der Debatte über 500 bis 1.000 Milliarden Euro Sondervermögen geht oft unter, dass das gar kein eigentliches Vermögen ist. Es sind eigentlich Schulden. Aus gegebenem Anlass habe ich eine Episode unseres Sprachchecks „Sagen und Meinen“ aktualisiert.
Das ist nun wirklich ein schiefes Sprachbild. Denn eine Scheidungsurkunde gibt es nach rechtmäßig erfolgter Scheidung, nicht aber, wenn einer der Partner die Scheidung einreicht. Wenn man sich schon auf das Sprachbild einlässt, dass eine Koalition wie eine Ehe sei (in meinen Augen sind Koalitionen ja eher keine Liebesheiraten, sondern auf Zeit geschlossene Zweckbündnisse), dann muss man es auch richtig bedienen. Sprich: Was Frei meint, ist wohl eher, dass jemand die Scheidungspapiere einreicht. Die Urkunde gibt es dann ja erst viel später.
Was mich ärgert, ist, dass Medien dieses Sprachbild einfach weitertransportieren. Ja, es klingt gut, aber nach etwas Nachdenken merkt man auch, dass es falsch ist. Und die Kritik von Frei dürfen Medien natürlich auch weitergeben, aber seine Metapher ist einfach falsch, mindestens aber schief und irreführend. Und da haben Medien eben doch die Verantwortung, so was nicht durchzugeben.
Besser also, sie verzichten auf den PR-Begriff oder ordnen ihn wenigstens ein. Ansonsten gelingt es Politikerinnen und Politikern zu leicht, sich mit ihrem Quark durchzusetzen.
Ein „Jahrhunderthochwasser“ oder eine „Jahrhundertflut“ sollte man eigentlich nur einmal in hundert Jahren erwarten. So ist es auch bei Wissenschaftlern definiert: Sie sprechen sogar präziser von einem „hundertjährlichen Hochwasser“. Und natürlich geht es ums statistische Mittel; es kann also durchaus mehrmals im Jahrhundert auftreten. Aber in den letzten Jahren hat die Zahl der Ereignisse so zugenommen, dass der Begriff keine große Aussagekraft mehr hat. Ich habe den Begriff im Deutschlandfunk-Medienmagazin @mediasres unter die Lupe genommen.
Wenn Medien über Verstöße im Straßenverkehr berichten, werden sie oft spirituell. Wer bestimmte Dinge falsch macht, wird zum Sünder: Parkt er falsch, wird er zum Parksünder; fährt sie zu schnell, ist sie eine Temposünderin. Die Rede ist auch vom Handysünder – also jemand, der beim Fahren aufs Handy guckt. Mit dieser Metaphorik entlassen Medien die Täter ein wenig aus der Verantwortung, habe ich für den Sprach-Check „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk aufgeschrieben.