Lockdown und Homeoffice: Wie englische Begriffe ihre Bedeutung wandeln, wenn sie im Deutschen verwendet werden

Der Begriff „Lockdown“ in Zeiten der Pandemie ist schillernd. Er wird oft benutzt, aber selten sagt jemand dazu, was er oder sie sich darunter vorstellt.

Ich hatte mir den Begriff schon im April für unseren Sprachcheck „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk mal angesehen. Damals schien er vor allem im Hinblick auf seine Herkunft aus den USA und im Vergleich mit Ländern wie Italien und Spanien nicht treffend. Mein Fazit damals:

Wir hatten also keinen Shutdown, geschweige denn seine Steigerung: den totalen Lockdown. Wenn Politiker, Medien oder Wirtschaftsexperten von Ausgangssperre, Shutdown oder Lockdown sprechen, stellen sie die Situation extremer dar, als sie ist – und verfolgen damit womöglich Interessen.

Für den Faktenfinder der Tagesschau hat sich Patrick Gensing jetzt noch mal angesehen, ob wir im Frühjahr einen Lockdown hatten, dessen Wiederholung jetzt befürchtet wird. Seine Schlussfolgerung:

Mittlerweile hat sich zumindest im Kontext der Corona-Maßnahmen der Begriff Lockdown im Deutschen offenkundig etabliert – für drastische Einschränkungen von Grundrechten und der weitestgehenden Stilllegung des öffentlichen Lebens. Und zwar hatte es im Frühjahr keine flächendeckende Ausgangssperre in Deutschland gegeben – aber regionale Beschränkungen.

Es ist ein interessanter Begriff, dessen Bedeutung bzw. dessen Auswirkungen einerseits vage sind, weil man nie weiß, was der Sprecher/die Sprecherin gerade meint. Andererseits wandelt sich die Bedeutung auch je nach Kontext (das hatte ich hier schon mal vertieft aufgeschrieben).

Gerade bei englischen Begriffen, von denen wir in der Pandemie viele benutzen, zeigt sich, dass sie sich von ihrer Bedeutung in der englischen Sprache lösen, wenn sie im Deutschen verwendet werden.

Ein Lockdown oder Shutdown ist hier etwas anderes als in den USA. Homeoffice ist in Großbritannien u.a. das Innenministerium, hier meint es das häusliche Arbeiten statt im Büro. Social Distancing meint eigentlich keine soziale Distanzierung, sondern eine physische bzw. räumliche (das ist schon im Englischen teils falsch verwendet). Als Homeschooling bezeichnen wir es, wenn Schüler*innen daheim statt in der Schule lernen, aber immer noch angeleitet von Lehrern, dabei meint es eigentlich die Beschulung durch Eltern oder private Lehrer zu Hause.

Da sind ja die „Terroristinnen und Terroristen“

Im Juli haben wir in einer Episode des @mediasres-Sprachchecks „Sagen und Meinen“ darauf hingewiesen, dass geschlechtergerechte Sprache sich zwar immer mehr durchsetzt, aber nicht ganz konsequent genutzt wird.

Bei eher negativ besetzten Begriffen wie „Straftäter“ und „Terroristen“ bleiben Medien oft bei der rein männlichen Form und vernachlässigen die weibliche – auch, wenn man über eine unbestimmte Gruppe spricht, also gar nicht weiß, ob Männer und/oder Frauen dabei sind.

Hin und wieder berücksichtigen Medien oder das aber mittlerweile (wahrscheinlich ohne dass sie von unserer Episode wüssten). So schreibt etwa Watson die Doppelform:

Die Ziele von Bundesrat und Parlament mögen zwar gut gemeint sein. Die Geheimnistuerei bei Ermittlungen gegen Terroristinnen und Terroristen erscheint verständlich. Das neue Anti-Terror-Gesetz wurde aber während seiner Entstehung von Menschenrechts-Organisationen und gar Uno-Expertinnen und -Experten kritisiert.

Auch Gala nutzte die Doppelform jüngst:

1998 wechselte Kamala Harris zur Staatsanwaltschaft San Francisco, 2003 wurde sie zur Bezirksstaatsanwältin von San Francisco und 2010 zur ersten Schwarzen Generalstaatsanwältin Kaliforniens gewählt. In ihrer Position setzte sie sich für striktere Waffengesetze und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen ein, gegen Straftäterinnen und Straftäter ging sie außergewöhnlich hart vor. Trotzdem initiierte sie ein Resozialisierungsprogramm und sprach sich gegen die Todesstrafe aus.

Sportmuffel, Morgenmuffel, Maskenmuffel

An vielen Orten – etwa im öffentlichen Nahverkehr oder in Geschäften – müssen während der Corona-Pandemie Masken getragen werden. Manche Menschen widersetzen sich dieser Pflicht. Der Begriff Maskenmuffel passt für sie aber nicht, hab ich für den @mediasres-Sprachcheck aufgeschrieben.

Über unrechtmäßige Polizeigewalt reden – aber präzise

Der Begriff „Polizeigewalt“ wird meist im Zusammenhang mit unrechtmäßiger Gewalt verwendet – ist aber nicht ganz zutreffend. Denn Polizistinnen und Polizisten dürfen laut Gesetz Gewalt anwenden – in bestimmten Situationen und auf bestimmte Art und Weise. Heute in „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk.

Wer ist wirklich „sozial schwach“?

Menschen, die wenig Geld haben, werden in den Medien immer wieder als „sozial schwach“ bezeichnet. Dabei ist eine soziale Schwäche etwas völlig anderes. Deshalb wäre es deutlich sinnvoller, auf andere Begriffe zurückzugreifen. Eine neue Episode für den Sprach-Check „Sagen und Meinen“ in @mediasres im Deutschlandfunk.

Ein Land, zwei Namen: Heißt es Weißrussland oder Belarus?

Am Sonntag wird in Weißrussland ein neuer Präsident oder eine Präsidentin gewählt. Und in Belarus auch.

Wer nicht aufpasst, hat nicht mitbekommen, dass in deutschen Medien mittlerweile zwei Namen für dasselbe Land verwendet werden. Was die Begriffe unterscheidet, habe ich für unseren Sprach-Check „Sagen und Meinen“ in @mediasres im Deutschlandfunk recherchiert.

Ist „Kindesmissbrauch“ ein treffender Begriff?

Beim Begriff „Kindesmissbrauch“ habe einige Hörerinnen und Hörer des Deutschlandfunks das Gefühl, dass daran etwas nicht stimmt. Sie haben uns geschrieben und gefragt: Wenn es möglich ist, Kinder zu missbrauchen – müsste es dann nicht auch möglich sein, sie zu gebrauchen? Das ginge ja nicht. Die Schlussfolgerung ist verständlich. Trotzdem nutzen ihn Menschen, die sich für die Rechte von Kindern eingesetzt. Ich habe gefragt, warum.

Ein blinder Fleck

Wenn wir von Bürgerinnen und Bürgern sprechen, wollen wir Frauen und Männer meinen. Aber konsequent sind wir nicht: Sprechen wir auch von Terroristinnen und Terroristen? Eher selten. Ein blinder Fleck.

Zur „Sagen und Meinen“-Folge von vor zwei Wochen gibt’s jetzt auch die Variante als Video.

Warum Steuern nicht unbedingt eine Last sein müssen

Wenn Medien über Steuern berichten, dann häufig mit Wortkonstruktionen, die das Thema als etwas Negatives erscheinen lassen: „Steuerbelastung“ zum Beispiel. Neutral ist das nicht – denn die positiven Seiten des Themas bleiben so auf der Strecke. Mein Beitrag für den @mediasres-Sprachcheck „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk.

Vier Länder gegen ein höheres EU-Budget: Sparsam oder geizig?

In der Berichterstattung über die Haushaltspolitik der EU sprechen viele Medien derzeit von den „Sparsamen Vier“ – ein Titel, den Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark selbst mitgeprägt haben. Auch deshalb wäre es besser, darauf zu verzichten, habe ich für den Sprach-Check „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk aufgeschrieben.

(Im Tweet ist noch das falsche Foto mit der norwegischen Flagge statt der dänischen, ist im Artikel aber korrigiert.)