@mediasres startet neuen Medienpodcast

Fünfmal die Woche machen wir in @mediasres im Deutschlandfunk nun schon seit mehr als dreieinhalb Jahren eine tägliche Mediensendung. Viele Themen sind von langer Hand vorbereitet, weil sie hintergründig sind oder ohnehin aufwendiger zu recherchieren und produzieren. Aber vieles entsteht auch erst am Tag selbst.

Jeden Vormittag sitzen wir zusammen und diskutieren über Themen, die es wert sind, am Nachmittag und online besprochen zu werden. Diese entwickeln wir dann in Rollenverteilung: Der oder die Moderator*in bereitet sich auf Interviews vor, die Tagesredaktion recherchiert Inhalte, Autor*innen und Gesprächspartner*innen zu unseren Themen. Oft sprechen wir auch zwischendurch noch mal über die Themen, wenn es neue Erkenntnisse oder Perspektiven gibt. Dabei sind wir uns oft uneinig und müssen einen gemeinsamen Nenner finden.

Nachdem wir alle die Sendung teils produziert, teils als externe Zuhörer angehört haben, kommen wir zu einer Feedbackrunde nochmal zusammen. Und oft entstehen dann noch mal ganz neue Gespräche über ein oder mehrere Themen. Uns sind dann neue Gedanken gekommen, vor allem wenn Gesprächspartner*innen neue Aspekte aufgeworfen haben, die es auch wert sind, vertieft zu werden. Oder es ist Post von unserern Hörer*innen, die uns auf Dinge stoßen, die wir bisher nicht auf dem Schirm hatten.

Wir diskutieren also oft noch weiter, wenn unsere Radiosendung längst gelaufen ist. Und daraus haben wir jetzt mehr oder weniger einen Podcast gemacht, der am 4. September gestartet ist. Er heißt „Nach Redaktionsschluss“.

Der Podcast soll Zeit und Raum für diese Diskussionen geben. Aber wir wollen nicht allein und unter uns Journalistinnen und Journalisten diskutieren, sondern vor allem Fragen und Themen unserer Hörer*innen besprechen.

Schicken Sie uns gerne schon jetzt Ihre Fragen, Ihre Themen zum Thema Medien und Journalismus per Mail an: NachRedaktionsschluss@deutschlandfunk.de. Wir werden jede Woche ein Thema auswählen, Hörerinnen und Hörer sowie Journalistinnen und Journalisten einladen – sowohl aus dem Deutschlandradio als auch aus anderen Medien. Wir freuen uns auf die Diskussionen!

Alle Infos dazu gibt es hier. Dort lässt sich der Podcast abonnieren und einzelne Folgen anhören. Wir freuen uns auf Fragen und Diskussionen.

Jeden Freitag erscheint eine neue Folge. In einer gekürzten Fassung läuft diese auch um 15.35 Uhr im Deutschlandfunk.

Bastian Pastewka präsentiert alte Krimihörspiele

Außerhalb der eingefleischten Hörspielszene ist er vermutlich der bekannteste Fan des Genres: Comedian und Schauspieler Bastian Pastewka. In den letzten Jahren ist er allerdings mittlerweile Teil der Szene geworden, nachdem er in Hörspielen mitgespielt und Regie geführt hat. Mit dem lange verschollenen Krimi „Paul Temple und der Fall Gregory“ ist er mit Ensemble monatelang erfolgreich durch Deutschland getourt.

Pastewka begeistert sich vor allem für klassische Krimihörspiele der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die präsentiert er seit Anfang des Monats in einem neuen Krimipodcast, den Radio Bremen aufgelegt hat. Er heißt „Kein Mucks“, in Anlehnung an eine Radiohörerin, die erzählt, dass sie früher beim Hörspielhören alle mucksmäuschenstill sein mussten.

Radio Bremen zitiert Pastewka so:

„Kein Mucks!“ lauscht zurück in eine Epoche, als das Unterhaltungshörspiel noch nach Dampfradio klang. Bremen lebte offenbar in Mono und wohlige Stimmen ließen den Hörerinnen und Hörern den Atem anhalten. Die Kommissare rauchen, die Schurken sperren sich in Kleiderschränke und der clevere Mörder verstellt einfach seine Stimme am Telefon. Die pointierten „Wer ist der Täter“-Krimis entstanden zu einer Zeit, in der das Radio noch „Spieldose“ und junge Frauen „Küken“ genannt wurden.

Die Krimis selbst sind von unterschiedlicher Qualität. Sie sind aber wunderbar verpackt. Bastian Pastewka führt in jedes Hörspiel bzw. jede Folge ein, stellt den Kontext und vor allem die Macher vor. Gerade bekannten Stimmen widmet er manchmal mehrere Minuten und erzählt, was die Schauspielerinnen und Schauspieler sonst so gemacht haben oder woher wir sie eigentlich kennen – mit vielen O-Tönen. Daraus bestehen auch mehrere Collagen, die typische Sätze aus Krimis zitieren, ergänzt durch klassische Krimimusik. So ist schon der Rahmen des Podcasts hörenswert. Für Liebhaber klassischer Radiokrimis eine Empfehlung.

Disclaimer: Ich arbeite als freier Mitarbeiter für ARD-Anstalten.

Der Interviewer als Reibungspunkt

Ein Gesprächspartner/eine Gesprächspartnerin kann das eigene Argument immer besser verdeutlichen, wenn ich ihm oder ihr ein bisschen entgegensetze, ein bisschen einen Reibungspunkt gebe, ein bisschen ein Gegenargument in den Raum stelle.

Das ist Ann-Kathrin Büüskers Definition, welche Aufgabe ein Moderator bzw. ein Interviewer in einem kontroversen Interview hat. Es ist wichtig, sich das immer wieder zu verdeutlichen, um die Position des Fragenden nicht mit der persönlichen Position des Journalisten zu verwechseln, was manche Hörer gerne tun.

Wie Interviews vorbereitet und durchgeführt werden und wie eine Frühsendung im Deutschlandfunk entsteht, darüber hat Ann-Kathrin für eine Sonderausgabe des Podcasts „Der Tag“ mit Kollegen gesprochen – mit Tobias Armbrüster, der sie in der Definition bestätigt, und mit Mario Dobovisec, der erzählt hat, wie er sich auf eine Sendung der „Informationen am Morgen“ vorbereitet.

„Der Tag“ spart ja die Produktionsbedingungen journalistischer Arbeit selten aus, vor allem nicht, wenn sie sich aufdrängen. So explizit und ausführlich wie in der Ausgabe vom Freitag reden die Kollegen aber selten darüber. Ein gutes Beispiel für einen Blick in die eigene Arbeitspraxis, die nicht nur in dafür vorgesehenen Sendungen wie dem Medienmagazin @mediasres, für das ich abeite, Platz haben sollten, sondern überall – sofern es nötig ist und das Format auch ermöglicht.

„Es geht darum, den Leuten Gehirnfutter zu liefern“

Der Deutschlandfunk-Podcast „Der Tag“ wird ein Jahr alt. Direkt nach der Bundestagswahl 2017 ist er gestartet – und damals gab es viel zu besprechen. Kollegin Ann-Kathrin Büüsker hat schon am Sonntag in ihrem Blog besprochen, was sie an ihrem Podcast so toll findet, ich habe gestern ein paar Gedanken dazu ergänzt.

Heute hat sie nochmal im Medienmagazin @mediasres darüber gesprochen – und eine Sache erwähnt, die ich ganz wichtig finde. Es geht darum, dass sich Hörer manchmal beschweren, dass ihnen eine bestimmte Sichtweise von Journalisten aufgedrängt werden soll. „Meinungsjournalismus“ lautet der Vorwurf. Darauf hat Ann-Kathrin geantwortet:

Wir liefern Fakten, wir erklären Zusammenhänge, und auf dieser Basis kommen die Kolleginnen und Kollegen zu Einschätzungen. Diese Einschätzungen muss man ja nicht teilen. (…) Wir machen nur kenntlich, als die auftretenden Korrespondentinnen, wo wir stehen. Niemand ist frei von politischer Haltung, und indem ich klarmache, auf welchen Fakten ich zu meiner Einschätzung komme, mache ich ja transparent, wo ich stehe, und das hat für mich auch was mit Glaubwürdigkeit zu tun.

Es gehe nicht darum, dass sich die Hörer der Meinung anschließen sollen, die sie hören.

Wir wollen klarmachen, wie die Leute zu diesen Einschätzungen kommen, und damit die Gehirne der Menschen antippen. Die müssen nicht mit dem übereinstimmen, was da im Radio gesagt wird. Es geht darum, den Leuten Gehirnfutter zu liefern, das ist unser Job.

Tutzinger Radiotage: Wie Podcasts das Radio beleben

Immer mehr neue Podcasts kommen auf den Markt – von Verlagen, Streaminganbietern und Privatpersonen. Innovative Audio-Formate werden zunehmend außerhalb der Radiosender entwickelt. Die profitieren aber trotzdem davon. Darüber habe ich für @mediasres im Deutschlandfunk berichtet – mit O-Tönen auch von den Tutzinger Radiotagen.

Tutzinger Radiotage: Herausfordernde Zeiten fürs Radio

(Foto: Stefan Fries)

In Tutzing haben Radiomacher aus ganz Deutschland über die Zukunft der Branche diskutiert. Wie umgehen mit Hass, wie mit der AfD und welche sind die Hörgewohnheiten der Zukunft? Ich habe im WDR5-Medienmagazin „Töne, Texte, Bilder“ über die Tagung erzählt.

Tutzinger Radiotage: Ist Podcast das neue Radio?

Radio hatte lange das Monopol aufs Hören. Diese Zeiten sind vorbei. Immer mehr Podcasts erobern den Markt – und zwar ausdrücklich nicht nur von Radiosendern, sondern auch von Verlagen und Streaming-Anbietern.

Im März 2017 ist Spiegel online mit dem Podcast „Stimmenfang“ gestartet – ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl. Bei den Tutzinger Radiotagen hat Reporterin Sandra Sperber davon erzählt. Sie macht den Podcast zusammen mit ihrer Kollegin Yasemin Yüksel.

Sandra Sperber von Spiegel online stellte ihren Podcast „Stimmenfang“ vor. (Foto: Stefan Fries)

Ihre erste Folge beschäftigte sich mit den „Wutwählern“. Die Methode ist spannend: Sandra hat sich für die erste Folge durch die Spiegel-online-Foren gewühlt, 20 Leser angeschrieben und mit fünf von ihnen in der ersten Podcast-Ausgabe gesprochen, um herauszufinden, was sie bewegt. Auch für andere Ausgaben haben sie gezielt Hörer angesprochen, sich bei ihnen zu melden – etwas, was sie gerne immer wieder machen. Dazu eignen sich besonders Themen wie Jungwähler, Lehrermangel, Hebammen, wo betroffene Hörer gesprochen werden. Damit verfolgen sie die Strategie, Politiker wieder von der Perspektive der Bürger her zu erzählen und nicht von der der Politiker.

Christian Lindner ruft an

Sandra ist auch wichtig, mit dem Podcast transparent zu machen, wer die Journalisten hinter den Texten sind: Wer schreibt da eigentlich, wie klingt er, wie schätze ich seinen Charakter ein? Und: Was passiert hinter den Kulissen? Gezeigt hat sich das etwa in der Folge vom 23. November 2017, in der das Handy von Spiegel-Redakteur Severin Weiland klingelte. Es rief an: FDP-Chef Christian Lindner. So könne man zeigen, dass Journalisten auch die Handynummern von Politikern haben, wie sie miteinander reden, so Sandra, die auch eine Zahl verriet: Im Jahr 2007 seien „Stimmenfang“ und die anderen Spiegel-online-Podcasts „Netzteil“, „Hörweite“ und der Debatten-Podcast von Sascha Lobo insgesamt 4,6 Millionen mal gespielt worden.*

Aus ihrer Arbeit erzählten in Tutzing auch Tina Hüttl und Jenni Roth. Sie haben für die Axel-Springer-Akademie die Podcastserie „Alyom“ geleitet. Die Vorgabe sei damals lediglich gewesen, dass die Volontäre gemeinsam etwas über syrische Kinder erzählen. Dabei mussten sich die Volontäre zunächst mit dem Format Audio vertraut machen, haben dann aber tatsächlich ein ordentliches Feature abgeliefert. Im Laufe der zunächst sechs Folgen sind auch die Volontäre selbst aufgetaucht, wollten sie doch ihren Protagonisten, einen zwölfjährigen Jungen, der bei dem weltweit bekannt gewordenen Giftgasangriff auf Chan Scheichun am 4. April 2017 in Syrien fast seine ganze Familie verloren hat. Die Volontäre in Berlin haben mit einem Reporter in Syrien zusammengearbeitet, der ursprünglich Kameramann war, den der Krieg aber zum Reporter gemacht hat.

Tina Hüttl und Jenni Roth und ihr Podcast-Projekt „Alyom“. (Foto: Stefan Fries)

Die Strategie von Audible

Auch Tim Kehl von der Amazon-Audiostreamingplattform Audible hat die Podcasts seines Hauses vorgestellt. Audible bietet vor allem Hörbücher und Hörspiele an, die man streamen kann – nicht nur fremde Produktionen, sondern auch selbst in Auftrag Gegebenes. Als der Podcast zu boomen begann, habe sich auch Audible darauf eingestellt, hat Tim in Tutzing erzählt. Ende 2015 sei die Entscheidung für das Podcast-Programm gefallen. Die Podcasts sollten exklusiv bei Audible zu hören sein, im Abo enthalten sein, es sollten mehr als zwanzig neue starten und sie sollten wöchentlich erscheinen.

Per Marktforschung habe Audible versucht herauszufinden, für was es einen Markt gibt. So seien etwa Nachrichten und Reportage genannt worden, aber kein bestimmtes Format. Ob jemand, der sich für Comedy interessiert, eher lustige Gespräche oder eher Sketch-Comedy mag, sei dabei offen geblieben. Aussagekräftig seien erst Tests mit fertigen Dummys gewesen, die Nutzern vorgespielt wurden.

Audible unterscheidet emnach fünf verschiedene Formate: Talk-Show (wie etwa „Fest & Flauschig“), Interview (wie „WTF“), Documentary (wie „Serial“), Instructional (wie „ESL“) und Magazin (wie „The Daily“ von der New York Times). Auf dieser Grundlage seien dann Formate entwickelt worden, etwa „Sagen was ist – der Spiegel-Podcast“, „brandeins. Das Gespräch mit Jörg Thadeusz“ und „Juwelen im Morast der Langeweile“ mit Micky Beisenherz und Oliver Pollack. Im November 2017 wurde das Programm gestartet, inzwischen gibt es etwas mehr als 30 Podcasts bei Audible.

Vom Radio zum Podcast

Marc Krüger ist Audioredakteur bei t-online.de (bzw. Voice-Redakteur) und entwickelt dort Audioformate für das Nachrichtenportal. Nach vielen Jahren bei verschiedenen Radiosendern ist er zu t-online gewechselt, wo er damit anfangen konnte, seine vielen Ideen, für die er im Radio keinen Platz gefunden habe, endlich umzusetzen, erzählt Marc bei den Tutzinger Radiotagen.

Inzwischen arbeiten 75 Redakteure bei t-online.de, Marc ist der einzige für Audio. Entwickelt haben sie einen täglichen Podcast am Morgen, den „Tagesanbruch“, parallel zum gleichnamigen Newsletter von Chefredakteur Florian Harms, allerdings eingesprochen von einem Sprecher.

Mit Harms spricht Marc auch am Samstag in einem längeren Podcast. Dass der Chef dabei mitwirkt, habe Signalwirkung auch innerhalb der Redaktion gehabt, weil jetzt auch vermehrt andere Kollegen mitmachen wollten und Leuchten in den Augen bekomme, so Marc.

Ist Podcast das neue Radio?

Ich würde sagen: Jein. Die Formen, die im Podcast vorkommen, sind nicht grundsätzlich neu: Gespräch, Hörertalk, Feature, Hörspiel. Alles Gattungen, die das Radio seit fast hundert Jahren bietet. Neu ist allerdings, dass die Formate im Podcast möglicherweise nicht so streng vorgegeben sind wie im klassischen Radio – vor allem, was die Länge angeht. Auch die Präsentation kann persönlicher sein, denn die Hörsituation sei eine andere, sagt Radiomacherin Sandra Müller zurecht. Man höre mit Kopfhörern, sei also nah dran – auch in intimen Situationen: im Auto, im Bett, in der Badewanne. Natürlich nicht immer, aber eben auch, anders als etwa mit klassischem Radioprogramm.

Auf eine Definition, was ein Podcast ist, wurde verzichtet. Ich finde, dass de Begriff im Moment ein Hybrid ist: Er beschreibt ursprünglich nur einen Ausspielweg, auf diesem haben sich aber – gerade deswegen – eigene Formen und Eigenheiten entwickelt, die auch dafür sprechen, ihn als Genrebegriff zu benutzen: die Authentizität der Protagonisten, die intime Hörsituation (wie Sandra sagt), der Verzicht auf unbedingte Perfektion, die Darstellung nicht nur von Rechercheergebnissen, sondern auch vom Rechercheverlauf. Und mehr.

 

Korrektur: Zunächst hatte ich versehentlich geschrieben, dass allein „Stimmenfang“ 4,6 Millionen mal gespielt worden sei. Es geht aber um alle vier Spiegel-online-Podcasts.

Mehr Podcasts wagen

Der Podcast, den Stefan Schulz zusammen mit Thilo Jung anbietet, kann auch mal vier Stunden lang sein. Ich persönlich frage mich ja, wer das hört, aber offenbar ist es für einige ein stundenlanger Tagesbegleiter – ähnlich wie das Radio.

Stefan Schulz reicht das aber noch nicht. Er hat auf der Republica zusammen mit Nicolas Wöhrl, der sich „Science Communication Evangelist and Scienceprenerd-in-Charge“ nennt, einen Appell verfasst, noch mehr Podcasts zu starten.

In der Ankündigung heißt es:

Wir sind auf dem Weg vom Podcast zum Pop-Cast und sprechen über unsere Erfahrungen mit „Methodisch Inkorrekt“ und dem „Aufwachen! Podcast“. Wir reden über den Dialog mit den Hörern. Über die Interaktion der Medienkonsumenten mit den Medienmachern. Dabei interessiert uns die Meinung des Publikums: Wie werden Podcasts wahrgenommen? Welche Rolle spielen diese in der täglichen Mediendiät? Wir diskutieren die gesellschaftlichen Chancen die Podcasts bieten, wenn aus Informationsmonopolen wieder Informationspolypole werden. Wir befreien Informationen! One Podcast at a time!

Wie der US-Botschafter im Deutschlandfunk für Aufregung (und Aufwand) sorgt

Als ich hier vor einigen Monaten etwas zum Start des Deutschlandfunk-Podcasts „Der Tag“ geschrieben habe, habe ich auch erwähnt, dass nicht nur über journalistische Inhalte gesprochen wird, sondern auch darüber, wie sie zustandekommen.

Das haben die vier Kollegen seitdem auch konsequent immer wieder gemacht. Mal mit kleineren Pannen, die nicht rausgeschnitten werden, sondern drin bleiben (ab 5:12 Min. vor Schluss), mal mit einem ausfühlicheren Blick hinter die Kulissen, auf den ich heute verweisen will.

Vorige Woche war der neue US-Botschafter in Deutschland im Deutschlandfunk-Studio. Für den Besuch von Richard Grenell war eine ganze Entourage an Sicherheitsleuten der Botschaft und des Landeskriminalamts im Einsatz. Was so ein Interview an Aufwand bedeuten, erzählen in dieser Folge „Der Tag“ Moderatorin Sandra Schulz und Doris Simon aus der Programmdirektion des Deutschlandradios. Sie berichten von einer Sicherheitsbegehung einen Tag vorher, bei der auf gefährliche Ecken geachtet wird, ein Baustellenzugang verschlossen und ein Polizist davor postiert wird und wie mit einem Background-Check auch die Moderatorin überprüft wird.

Das Interview mit Grenell gibt es hier.

Was wirklich nervt an Verlags-Podcasts, ist die Musik

Seit ein paar Monaten machen einige Verlage auch in Audio. Spiegel online, Zeit online, Süddeutsche Zeitung online und viele andere haben eigene Podcasts gestartet. Über die journalistische Inhalte, über die Aufbereitung fürs Hören und die technischen Qualität ist schon an einigen anderen Stellen gesprochen worden, darum geht es mir hier nicht.

Was mich aber auch heute noch nachhaltig verstört, ist die Musik, die dort eingesetzt wird. Wer etwa den „Debatten-Podcast“ von Spiegel online von und mit Sascha Lobo aufruft, wird mit einem elektronischen Loop aus zunächst drei Tönen empfangen, der in seiner Penetranz nervig ist – zumal er in diesem Fall am Anfang sehr lang unter den Zitaten steht. Angenehm anzuhören ist das nicht. So interessant Sascha Lobos Thema auch sein mag, über diese Schwelle muss ich erst mal hinwegkommen. Skippe ich den Teil mit der Musik, muss ich auf die Einleitung zum Thema verzichten.

Ich bin kein Musikwissenschaftler, deswegen kann ich keine professionelle Einschätzung abgeben, welche Wirkung die Musikauswahl im Einzelnen hat. Entscheidend ist für mich, mit welcher Stimmung ich in die Podcasts reingehe.

Bei „Stimmenfang“, ebenfalls von Spiegel online, wird – ebenfalls elektronisch – auf die Trommel geklopft. Die Musik vermittelt in ihrer Disharmonie – so wirkt es auf mich – etwas Dramatisches, ganz gleich um welches Thema es geht.

Die Süddeutsche Zeitung verzichtet in ihrem Podcast „Das Thema“ auf derartige Musik. Sie verwendet ein Jingle als Opener, auch wenn dieses als Bauchbinde eingesetzt wird – also zwischen dem Teaser fürs Thema und dem eigentlichen Gespräch. Ansonsten wird mit akustischen Trennelementen gearbeitet, die hier die Hinführung zum Thema strukturieren. Das ist besser gemacht; wem die Elemente nicht gefallen, der wird damit nicht lange behelligt.

Auch Zeit online setzt in ihrem Nachrichtenpodcast „Was jetzt“ auf zurückhaltende Musik. Ähnlich wie bei „Stimmenfang“ beginnt der Podcast allerdings mit einer disharmonischen Klangfolge. Ein ähnliches Motiv  verwendet die Redaktion auch beim Sexpodcast „Ist das normal?“ Auch hier geht es zum Glück schnell vorbei.

Nun setze ich nicht voraus, dass bei Podcasts alles so laufen muss wie im althergebrachten Radio. Vor allem erwarte ich nicht, dass Zeitungen genauso arbeiten wie Radiosender. Sicherlich ist es sinnvoll, mit anderen akustischen Elementen zu arbeiten, um sich von klassischen Audioproduzenten abzugrenzen.

Andererseits aber klingen viele Melodien, die ich gehört habe, nach Sparprogrammen. Nach vorgefertigter rechtefreier Musik oder solcher, die günstig selbst komponiert wurde. Bei mir hat das Rückwirkungen auf die Wahrnehmung der Inhalte. Genauso wie man etwa im Fernsehen in einer Pappkulisse mit schlechter Beleuchtung auch Rückschlüsse auf die Qualität der Nachrichten ziehen würde, führt eine schlechte akustische Aufbereitung dazu, entsprechende Rückschlüsse auf die Qualität der Podcast-Inhalte zu ziehen. Und bei mir hat es auch Auswirkungen auf die Lust, mir die Inhalte anzuhören. Zumal es auch bei der Wort-Präsentation teilweise an der Qualität hapert – man merkt den Zeitungsmachern an, dass ihnen die Routine vor dem Mikrofon fehlt.

Nun besteht die Gefahr, dass meine Kritik wohlfeil daherkommt. Ich hab gut reden, schließlich arbeite ich bei professionellen Radiosendern mit entsprechender Audio-Kompetenz und hab auch selbst mehr als 20 Jahre Erfahrung vor dem Mikrofon. Vielleicht ist es ja diese Haltung zu Audio-Produkten, die es für mich schwierig macht, den Zeitungskollegen zu folgen. Umgekehrt mag aber – dafür spricht ja der Erfolg einiger Produkte – genau diese Andersartigkeit der Grund dafür sein, warum sie so viele Hörer finden.

Weil es eben nicht das perfekte Audio-Produkt ist. Weil man noch Ecken und Kanten hört (im Gesprächs-Podcast gehört das ohnehin dazu). Weil eben alles ein wenig amateurhaft wirkt – aber vielleicht dadurch eine Besonderheit dieser Produkte ausmacht.

Es ist daher unnötig, die Podcasts zu kritisieren, wenn sie doch ihr Publikum finden. Mich selbst aber schreckt eben oft genug die Musik ab. So interessant die Inhalte auch sein mögen, die Musik versetzt mich in eine Stimmung, die mir das Weiterhören oft verleidet. Und das ist schade – für beide Seiten.

 

Anmerkung: In Vorbereitung auf die Datenschutzgrundverordnung habe ich Widgets, die sich ursprünglich im Text befanden, entfernt und sie teilweise durch Links ersetzt.