Die Pressekonferenz als Bühne (11): „Warum macht Ihnen Pressefreiheit so viel Angst?“

Eigentlich war US-Präsident Donald Trump es gewöhnt, bei Pressekonferenzen das Wort selbst zu erteilen – und seine Gunst auch wieder zu entziehen oder Fragen nicht zu beantworten.

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2017 zu ihrem ersten Staatsbesuch nach Washington kam, konnte nicht er bestimmen, wer spricht. Das Wort bekam Kristina Dunz, damals arbeitete sie noch für die Deutsche Presse-Agentur.

Kristina Dunz: „Frau Bundeskanzlerin, mit Ihrer Erfahrung aus der DDR äußern sie immer die Zuversicht, dass Mauern auch wieder fallen können. Für wie gefährlich halten Sie die Abschottungspolitik des US-Präsidenten mit seinen geplanten Importzöllen und auch seiner Geringschätzung für die Europäische Union als Gemeinschaft? Und, Herr Präsident: Ist es nicht auch eine Gefahr für Amerika, wenn ‚America first‘ die Europäische Union schwächen würde? Und was macht es Ihnen eigentlich… warum macht Ihnen eigentlich Pressevielfalt so große Angst, dass Sie so oft von Fake News sprechen und selbst Dinge behaupten, die dann nicht belegt werden können, wie die Äußerung, Obama habe Sie abhören lassen?“

Angela Merkel: „Ja, ähm…“

Donald Trump: „Should I go first? Nice, friendly reporter. First of all, I don’t believe in isolationist policy…”

Für meine Sendung über „Die Pressekonferenz als Bühne“ hat mir Kristina Dunz erzählt, wie sie die Situation damals wahrgenommen hat.

„Was überraschend für mich war, dass er konterte mit der ‚nice, friendly reporter‘, (…) das ist übersetzt, dass das so was heißt wie ‚blöde Kuh‘. Aber er hatte sich da nicht so ganz im Zaume. Im Nachhinein soll er sich sehr geärgert haben über die Frage und die Bundeskanzlerin gefragt haben, warum sie so eine Frau mit so einer Frage aussuche. Und Frau Merkel hatte dann nur geantwortet, sie sucht da weder Frage noch Frau aus. (…) Das ist ja bei diesen Reisen mit der Kanzlerin so, dass der mitreisende Journalistentross – so ungefähr 15 Journalistinnen und Journalisten – unter sich ausmacht, wer eine Frage stellen darf. In der Regel sind internationale Pressekonferenzen so, dass es zwei Fragen pro Nation gibt. Und insofern war ich damals ja für die Deutsche Presse-Agentur auch ausgewählt.“

Dass bei Pressekonferenzen auf Auslandsreisen oft nur zwei mal zwei Fragen gestellt werden dürfen, begründet Regierungssprecher Steffen Seibert mit dem engen Zeitplan, wie er mir erzählt hat.

„Also erstens mal: Zwei Fragen pro Land macht vier Fragen. Aber das stimmt die Mathematik oft nicht, weil natürlich der gewiefte Journalist – und da sind die Ausländer genau wie unsere – irgendwie immer noch eine zweite Frage unterbringen. Und so hast du de facto eigentlich immer fünf oder sechs Fragen. Die müssen oft von beiden beantwortet werden. Also hast du zwölf Antworten, das sprengt oft den vorgesehenen Zeitraum. Regierungs-, Arbeitsbesuche oder auch Staatsbesuche haben ja viele Programmpunkte. Da ist die Pressekonferenz einer, ein wichtiger, aber nicht der einzige. Da muss man schon gucken, dass man irgendwie durchs Programm kommt.“

Hier machen die Journalisten also die Fragesteller unter sich aus. Anders bei Pressekonferenzen etwa im Kanzleramt oder in Ministerien, in denen die Pressesprecher das Wort erteilen. Das war vor allem in der Anfangsphase der Pandemie ein Problem, als Pressekonferenzen nur per Videokonferenz stattfanden, dazu Fragen nur schriftlich eingereicht werden konnten und die Pressestellen auswählten, welche Frage sie weitergaben.

Noch mal zurück zu Donald Trump und der hartnäckigen Journalistin aus Deutschland. Hier sieht man besonders gut, was es bedeutet, wenn Politiker es gewohnt sind, ihre Gunst gezielt zu verteilen. Kristina Dunz‘ erste Frage nach dem Isolationismus verneint er zunächst wortreich, beantwortet die Frage nach Angst vor Pressefreiheit aber nicht und nennt sie selbst einen Beweis für Fake News.

„Ich habe einen sehr, sehr guten Tipp bekommen von dem damaligen ZDF-Korrespondenten Ulf Röller, der gesagt hatte: Stell die Frage auf Deutsch, dann kann er dich nicht unterbrechen, er muss abwarten, bis die Übersetzung zu Ende ist. Und damit kam diese Frage einmal in Ruhe rüber, ohne dass er reinpoltern konnte. Das war tatsächlich in der Zeit, also zwei Monate seit seiner Amtseinführung, die erste Frage dieser Art, die ihm so gestellt wurde. Und deswegen war damals so eine Erleichterung bei den US-Kollegen und Kolleginnen, die so gesagt haben: So, jetzt ist es einmal öffentlich, was hier abläuft.“

In Deutschland genauso wie in den USA wurde Kristina Dunz für ihre eigentlich simple Frage von Kolleginnen und Kollegen gefeiert. Sie selbst hielt die Frage, warum er so viel Angst vor Pressefreiheit habe, für naheliegend. Den Kollegen in den USA lag nach ihrer jahrelangen Auseinandersetzung mit Trump und der Gewöhnung an seine Attacken auf die Presse diese Frage schon wieder sehr fern.

Unter anderem hier hat Kristina Dunz damals über ihre Frage gesprochen.