Presserat weist Beschwerden gegen taz-Kolumne ab

Der Presserat hat sich gegen eine Rüge für die umstrittene taz-Kolumne „All cops are berufsunfähig“ ausgesprochen, die im Juni für Aufsehen gesorgt hatte – vor allem deswegen, weil Bundesinnenminister Horst Seehofer angekündigt hatte, Strafanzeige zu stellen. Was er dann doch nicht tat.

Wegen der taz-Kolumne hatte es mehr als 300 Beschwerden beim Deutschen Presserat gegeben. Er wies diese unter anderem mit folgender Begründung ab:

Die Polizei als Teil der Exekutive muss sich gefallen lassen, von der Presse scharf kritisiert zu werden, bewertete der Beschwerdeausschuss. Die Satire bezieht sich im Kern auf die gesellschaftliche Debatte über strukturelle Probleme bei der Polizei wie Rechtsradikalismus, Gewalt und Rassismus.

Über die Entscheidung habe ich (schon am 8. September) in @mediasres im Deutschlandfunk berichtet (Audio-Link).

Haltungsjournalismus: Wie neutral müssen Medien sein?

Müssen Journalistinnen und Journalisten völlig neutral sein in ihren Berichten? Können sie das überhaupt? Oder dürfen sie sich bestimmten Werten verpflichtet fühlen, um Demokratie und Pressefreiheit hochzuhalten? Müssen Journalistinnen und Journalisten das sogar? Wo fängt Haltung an, hört Meinung auf und wo ist die Grenze zu Aktivismus überschritten?

Über diese vielen Fragen und Graubereichen diskutieren wir in der ersten Folge unseres neuen Medienpodcasts „Nach Redaktionsschluss“ mit unserer Hörerin Sophia Hilger und der ARD-„Panorama“-Moderatorin Anja Reschke. Wir, das sind Stefan Fries und Bettina Schmieding aus der Deutschlandfunk-Medienredaktion @mediasres.

Den RSS-Feed dazu gibt es hier. In der Dlf-Audiothek ist er hier zu hören.

@mediasres startet neuen Medienpodcast

Fünfmal die Woche machen wir in @mediasres im Deutschlandfunk nun schon seit mehr als dreieinhalb Jahren eine tägliche Mediensendung. Viele Themen sind von langer Hand vorbereitet, weil sie hintergründig sind oder ohnehin aufwendiger zu recherchieren und produzieren. Aber vieles entsteht auch erst am Tag selbst.

Jeden Vormittag sitzen wir zusammen und diskutieren über Themen, die es wert sind, am Nachmittag und online besprochen zu werden. Diese entwickeln wir dann in Rollenverteilung: Der oder die Moderator*in bereitet sich auf Interviews vor, die Tagesredaktion recherchiert Inhalte, Autor*innen und Gesprächspartner*innen zu unseren Themen. Oft sprechen wir auch zwischendurch noch mal über die Themen, wenn es neue Erkenntnisse oder Perspektiven gibt. Dabei sind wir uns oft uneinig und müssen einen gemeinsamen Nenner finden.

Nachdem wir alle die Sendung teils produziert, teils als externe Zuhörer angehört haben, kommen wir zu einer Feedbackrunde nochmal zusammen. Und oft entstehen dann noch mal ganz neue Gespräche über ein oder mehrere Themen. Uns sind dann neue Gedanken gekommen, vor allem wenn Gesprächspartner*innen neue Aspekte aufgeworfen haben, die es auch wert sind, vertieft zu werden. Oder es ist Post von unserern Hörer*innen, die uns auf Dinge stoßen, die wir bisher nicht auf dem Schirm hatten.

Wir diskutieren also oft noch weiter, wenn unsere Radiosendung längst gelaufen ist. Und daraus haben wir jetzt mehr oder weniger einen Podcast gemacht, der am 4. September gestartet ist. Er heißt „Nach Redaktionsschluss“.

Der Podcast soll Zeit und Raum für diese Diskussionen geben. Aber wir wollen nicht allein und unter uns Journalistinnen und Journalisten diskutieren, sondern vor allem Fragen und Themen unserer Hörer*innen besprechen.

Schicken Sie uns gerne schon jetzt Ihre Fragen, Ihre Themen zum Thema Medien und Journalismus per Mail an: NachRedaktionsschluss@deutschlandfunk.de. Wir werden jede Woche ein Thema auswählen, Hörerinnen und Hörer sowie Journalistinnen und Journalisten einladen – sowohl aus dem Deutschlandradio als auch aus anderen Medien. Wir freuen uns auf die Diskussionen!

Alle Infos dazu gibt es hier. Dort lässt sich der Podcast abonnieren und einzelne Folgen anhören. Wir freuen uns auf Fragen und Diskussionen.

Jeden Freitag erscheint eine neue Folge. In einer gekürzten Fassung läuft diese auch um 15.35 Uhr im Deutschlandfunk.

Nach angekündigtem Rückzug: Roland Tichys Problem ist nicht die Erhard-Stiftung

Roland Tichy will den Vorsitz der Ludwig-Erhard-Stiftung abgeben. Der Publizist war in die Kritik geraten, weil einer seiner Autoren in seinem Magazin „Tichys Einblick“ eine Politikerin beleidigt hatte. Das Problem ist aber nicht die Stiftung, sondern Tichys Arbeit als Journalist, habe ich im Deutschlandfunk kommentiert.

Kongressveranstalter veröffentlichen Interview ohne Hinweis darauf, wie alt es ist

Der Virologe Christian Drosten wird heute mit einer Aussage zitiert, die aktuell klingt. Demnach hat er gesagt:

Wir müssen, um die Situation in den kommenden Monaten zu beherrschen, Dinge ändern. Die Pandemie wird jetzt erst richtig losgehen. Auch bei uns.

Das sorgte heute verständlicherweise für einige Schlagzeilen, die Drosten daraufhin richtigstellen musste. Denn seine Aussage sei schon ein paar Wochen alt, wie er unter anderem dem ZDF sagte. Über Details berichtet unter anderem Zeit online:

Das Gespräch wurde am Mittwoch im Vorfeld der im Oktober anstehenden Gesundheitskonferenz World Health Summit in Berlin veröffentlicht. Nach Angaben des World Health Summit vom Donnerstag war das Gespräch am 13. August geführt worden. Der Erscheinungstermin sei mit allen Beteiligten abgestimmt gewesen.

Dennoch ist so eine späte Veröffentlichung natürlich problematisch, wenn es um derartige Aussagen und ihre mediale Verwertung geht. Zwar sagte Drosten im ZDF, er habe das Interview „mit einem sehr weiten Zeitrahmen gespannt“ geführt, wenn man

aus einer Perspektive mitten im Sommer sagt, es wird noch mal kommen. Also hier geht es jetzt nicht darum zu warnen vor der nächsten Woche oder so etwas, sondern es geht um eine weltweite Perspektive. Und weltweit geht es jetzt richtig los.

Wer aber ein Interview führt in einer Situation wie dieser Pandemie, in der sich die Erkenntnisse so schnell ändern, und es erst sechs Wochen später veröffentlicht, der sorgt natürlich für derartige Missverständnisse wie sie heute aufgetreten sind – so dass derjenige, dessen Aussagen im Interview eigentlich für sich sprechen sollten, diese noch mal zurechtrücken muss.

Gerade in so einer Lage kann man Interviewpartnern natürlich nicht auferlegen, dass sie sich so äußern sollen, als würden sie in sechs Wochen sprechen. Problematisch ist es aber durchaus, dass der World Health Summit, der in seiner Pressemitteilung nicht deutlich macht, wer das Interview namentlich geführt hat, so ein Gespräch so lange zurückhält. Und bei der Veröffentlichung gestern auch keinen Hinweis darauf gibt, wie alt dieses Gespräch schon ist.

Dass das Interview heute noch mal viel Presse erhalten hat, mag auch darauf zurückzuführen sein. Denn wahrscheinlich viel weniger Medien wäre es eine Meldung wert gewesen, wie Drosten vor sechs Wochen die mittlerweile hinter uns liegende Zukunft sah – jedenfalls wäre die Meldung abhängig vom Ergebnis womöglich weniger prominent platziert worden.

Wie der Stadt-Anzeiger mit den Erwartungen seiner Leserschaft spielt

Wenn ein Interview im Kölner Stadt-Anzeiger mit dem Philosophen Markus Gabriel mit dieser Überschrift aufwartet:

„Man hätte nicht die Virologen fragen dürfen“

Dann klingt das so, als würde Gabriel deren Wissen und Meinung in der Bekämpfung der Corona-Pandemie ablehnen. Es ist eine Überschrift, die in jedem Fall ihren Zweck erfüllt, Lust auf das Interview zu machen. Sie ist aber auch irreführend, denn natürlich pfeift Gabriel nicht auf die Virologen. Im Wortlaut heißt es da erst gegen Ende des einseitigen Interviews:

„Man hätte von vornherein nicht die Virologen fragen dürfen, ob man die Kitas öffnen soll oder nicht. Nur medizinische Profis können uns über das Virus belehren. Ohne sie bekommen wir die nicht-moralischen Tatsachen nicht sortiert. Aber die Abwägung über das Handeln, das aus diesen Tatsachen folgt, müssen andere vornehmen und das kann auch nicht alleine auf den Schultern der Politik lasten.“

Das Zitat aus der Überschrift bezieht sich also nur auf den Aspekt der Kita-Öffnungen. Und tatsächlich heißt es in der Unterzeile:

Der Philosoph Markus Gabriel über Schieflagen in der Pandemiebekämpfung, „Covidioten“ und die Öffnung der Kitas

Die Kitas, auf die sich das Zitat im Titel bezieht, tauchen also sogar in der Unterzeile auf – aber als letztes. Liest man Überschrift und Unterzeile gemeinsam, kann man aber den Eindruck bekommen, Gabriel lehne es ab, zur Pandemiebekämpfung Virologen zu befragen. Während die Redaktion zurecht sagen kann, dass die Kitas, auf die er sich bezieht, ja direkt oben erwähnt sind.

Es ist also ein interessantes Spiel mit den Erwartungen der Leser*innen. Halten Sie die Überschrift für eine provokante Aussage eines Corona-Leugners und werden am Ende enttäuscht, dass Gabriels Aussage eher harmlos ist?