Die Kunst des guten Interviews (8): Wie die FPÖ zum Großangriff auf den ORF blies

Die rechtspopulistische FPÖ hat den öffentlich-rechtlichen ORF in Österreich schon länger im Visier. Parteipolitiker sind vor allem mit dessen kritischer Berichterstattung nicht einverstanden, was nicht wundert bei einer Partei, die immer wieder mit rechtsextremen Politikern auffällt, gegen die sich die Spitze nur halbherzig wehrt.

Im Frühjahr 2019 hatte sich die FPÖ-Spitze gerade wieder mal von einem rassistischen Politiker in den eigenen Reihen distanziert. Es ging um ein rassistisches Gedicht eines lokalen Funktionärs.

Kurz darauf war FPÖ-Generalsekretär Harald Vilismky zu Gast in der abendlichen Nachrichtensendung ZiB 2. Moderator Armin Wolf wollte Vilimsky daher fragen, wie er zu einem rassistischen Plakat der FPÖ-Jugendorganisation aus der Steiermark steht. Das Plakat ist noch heute, ein Jahr später, auf der Webseite der Organisation zu finden.

Vilimsky distanzierte sich allerdings nicht, sondern ging zum Gegenangriff über.

 

Hier Ausschnitte als Transkription:

Harald Vilimsky: „Diese Geschichte ist in der Steiermark ein Jahr bekannt, niemand in der Steiermark, im Landtag regt das auf. Wir können aber auch heute bei einer Diskussion über europapolitische Fragen mit dieser Gschichten die Zeit verwenden…“

Armin Wolf: „Es steht heute noch…“

Vilimsky: „…genauso wie Sie das letzte Mal Sie nur versuchen, irgendwo dieser Regierung Schaden zuzufügen.“

Wolf: „Herr Vilimsky…“

Vilimsky: „Und ich weiß das auch, dass Sie auf Twitter, in den sozialen Netzwerken permanent Stimmung gegen uns machen. Das sei Ihnen auch unbenommen. Ich sag nur, für einen ORF-Moderator ist das nicht das Beste.“

Wolf bestand darauf, dass Vilimsky die Frage beantwortete. Um das Rassistische des Plakats zu verdeutlichen, ließ er zum Vergleich eine antisemitische Karikatur des NS-Blatts „Der Stürmer“ einblenden, woraufhin Vilimsky neue Vorwürfe erhob.

Harald Vilimsky: „Also hier diese Parallelität zu ziehen, Herr Wolf, ist also allerletzte Schublade. Indem Sie hier vom ‚Stürmer‘ hier ein Bild nehmen, das gegenüber dem Jugendplakat gegenüberstellen und den Eindruck erwecken, dass wir in der Nähe des Nationalsozialismus…“

Armin Wolf: „Nein, ich…“

Vilimsky: „…waren, ist etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann.“

Wolf: „Ich wüsste nur gerne… Für die FPÖ in der… oder für die Jugendorganisation in der Steiermark, nehme ich an, oder?“

Vilimsky: „Es ist seit einem Jahr bekannt, niemand in der Steiermark regt sich auf.“

Wolf: „Sie regen sich auch nicht auf?“

Vilimsky: „Es ist offensichtlich… bei europapolitischen…“

Wolf: „Es stört Sie nicht?“

Vilimsky: „Ich würd’s nicht so machen, aber Sie laden mich hier ein anlässlich der Präsentation unserer Europa-Kampagne und kommen mir mit solchen Sachen, mit einer Gegenüberstellung des Stürmer, das ist überhaupt etwas, das ich noch nicht erlebt hab im ORF. Es hat eine Qualität, die nach unten offen ist. Es ist jenseitig, Herr Wolf, was Sie da machen.“

Wolf: „Ich frag sie deshalb, weil Sie Generalsekretär der FPÖ sind…“

Vilimsky: „Ja.“

Wolf: „…und Sie als Generalsekretär auch der Spitzenkandidat sind.“

Vilimsky: „Ja, was sehen Sie Verwerfliches? Sagen Sie es mir. Was ist für Sie das Verwerfliche daran?“

Wolf: „Ich sehe hier… Ich sehe hier eine Darstellung von offenbar ausländisch gedachten Menschen, die sehr ähnlich aussieht wie die optische Darstellung im Stürmer damals von Juden.“

Vilimsky: „Ja, das halt ich derart geschmacklos, ich halte das für skandalös…“

Wolf: „Ja, ich halte das auch für geschmacklos.“

Vilimsky: „Ja, hier diese Unterstellung zu machen. Das ist ein Jahr alt.“

Wolf: „Macht es das besser?“

Vilimsky: „Sie kommen heute damit, als wäre das irgendeine Geschichte, die jetzt neu gekommen wäre. Die niemand enerviert hat, ja. Die Sie jetzt einen Monat vor der EU-Wahl versuchen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hochzuziehen und zu skandalisieren. Ich halte das für einen Skandal der Sonderklasse.“

Als Harald Vilimskys damit droht, das könne nicht ohne Folgen bleiben, lässt Moderator Armin Wolf den Angriff an sich abperlen und bezieht ihn auf das rassistische Plakat.

In meiner Sendung über „Die Kunst des guten Interviews“ sagt Armin Wolf dazu:

„Also ich wusste natürlich, dass Vilimsky das anders meint und meinte, es könnte nicht ohne Folgen für mich bleiben. Das war mir schon klar, so gut kenne ich Herrn Vilimsky, und ich hab ja nun wirklich oft genug in den letzten 17 Jahren FPÖ-Politiker interviewt.“

Deshalb rechnet Wolf auch immer wieder mit derartigen Angriffen von FPÖ-Politikern, die den ORF grundsätzlich ablehnen und oft nur einen Anlass suchen, dessen Arbeit zu skandalisieren. Die Debatte nach dem Vilimsky-Interview 2019 war allerdings die heftigste zwischen FPÖ und ORF, die wochenlang Österreichs Medien und Politik beschäftigte, bis sie vom Korruptionsskandal um FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit dem Ibiza-Video abgelöst wurde, die Regierung zerbrach und die ORF-Reform zunächst nicht weiter verfolgt wurde.

Wolf hat in seinem Blog ausführlich beschrieben, welches seine Motivation hinter seinen Fragen war:

Wie glaubwürdig ist die Distanzierung vom rassistischen „Ratten“-Pamphlet, wenn eine FPÖ-Organisation gleichzeitig eine derart rassistische „Karikatur“ verwendet? Zum einen war „Braunau“ ganz klar das zentrale politische Thema des Tages. Zum anderen ist Harald Vilimsky nicht nur EU-Spitzenkandidat der FPÖ, sondern seit 13 Jahren auch ihr Generalsekretär, also für die gesamte Parteiarbeit verantwortlich.

Dort hat er auch Reaktionen gesammelt. Anschließend hat er auch in mehreren Interviews zum Thema Stellung genommen, unter anderem bei Phoenix.

Und auch für das ARD-Studio Wien.

Noch vor dem Interview war Armin Wolf im Februar 2019 zu Gast in der ORF1-Sendung „Willkommen in Österreich“, wo er über seine Interviewmethode plaudert.

Ausführlich über seinen Interviewstil gesprochen hat Armin Wolf auch in meiner o.g. Sendung.