Homöopathieverband verkürzt Umfrage-Ergebnis so, dass es falsch wird

Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte behauptet, in einer Umfrage hätten sich 61 Prozent „der Deutschen“ dafür ausgesprochen, homöopathische Arzneimittel einzusetzen, um gegen die Lungenkrankheit Covid-19 vorzugehen.

Das ist falsch.

Und der Verband muss das wissen. Denn er hat die Umfrage dazu selbst in Auftrag gegeben. Deren Ergebnisse geben die Darstellung aber gar nicht her.

In der entsprechenden Pressemitteilung schreibt der Verband:

Fast zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland würde den Einsatz homöopathischer Arzneimittel zur Behandlung von Covid-19-Erkrankungen befürworten. (…)

Mehr als die Hälfte aller Befragten hat bereits Erfahrung mit einer homöopathischen Behandlung bei früheren Erkrankungen gemacht. Noch mehr, nämlich fast zwei Drittel aller Befragten, würden unter der Voraussetzung, dass es in der Vergangenheit schon positive Erfahrungen mit diesem Mittel gab, im Fall einer Erkrankung an Covid-19 eine homöopathische Behandlung für sich selbst oder ihnen nahestehenden Personen auf jeden Fall (26 %) oder eher (34 %) befürworten

Danach wurde aber in der Umfrage überhaupt nicht gefragt – zumindest nicht dem Umfragedesign (PDF) zufolge, das der Verband dankenswerterweise – aber irgendwie auch leichtfertig – der Pressemitteilung hinzugefügt hat. Dort steht nämlich die Fragestellung, aus der sich die o.g. Darstellung ableitet. Gefragt wurde nämlich folgendes – und Achtung: Die Fragestellung ist kompliziert, weil sie nämlich völlig hypothetisch ist.

Derzeit gibt es noch kein Mittel zur Behandlung schwerkranker Covid-19-Fälle. (…). Wenn es Hinweise darauf gäbe, dass in der Vergangenheit bei verschiedenen Epidemien in verschiedenen Regionen der Welt ein homöopathisches Mittel positive Wirkung gezeigt hat: Würden Sie dann eine Behandlung mit diesem Mittel für sich und Ihnen nahestehende Personen auf jeden Fall, eher, eher nicht oder auf keinen Fall befürworten?

Übersetzt heißt das: Wenn es ein wirkungsvolles Medikament gäbe, würden Sie es dann haben wollen?

(Mal davon abgesehen, dass sich homöopathisch und wirkungsvoll weitgehend ausschließen, weil Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinausgeht.)

Es gibt aber kein wirkungsvolles Medikament. Die Frage ist also dermaßen hypothetisch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll mit dem Irrsinn der Umfrage. Dass darauf nicht 100 Prozent mit Ja geantwortet haben, sollte eher verwundern – wer hätte etwas gegen ein wirkungsvolles Medikament?

In der Darstellung wird die Fragestellung übrigens so umformuliert:

(Quelle: https://www.presseportal.de/download/document/662513-20200414-forsa-ergebnisgrafiken-hom-opathiebeicovid19.pdf)

Daran schließt Frage 7 an – das ist die, die zu der irreführenden Überschrift der Pressemitteilung geführt hat:

Und würden Sie es auf jeden Fall, eher, eher nicht oder überhaupt nicht befürworten, wenn ein solches homöopathisches Mittel im Rahmen einer
staatlichen Maßnahme bei der Suche nach Maßnahmen gegen eine weitere, auch zukünftige Verbreitung des Corona-Virus testweise eingesetzt würde?

Darauf sollen 26 Prozent gesagt haben „auf jeden Fall“ und 35 Prozent „eher“, woraus sich die genannten 61 Prozent ergeben. Die haben aber mitnichten, wie die Überschrift sehr verkürzt formuliert, den Einsatz homöopathischer Arzneimittel befürwortet. Sie haben lediglich zugestimmt, dass

  1. ein bei anderen Epidemien erfolgreiches homöopathisches Mittel (das es nicht gibt)
  2. bei der Suche nach Maßnahmen gegen eine weitere Verbreitung des Corona-Virus (die im Feld Homöopathie hoffentlich überhaupt nicht betrieben wird)
  3. testweise eingesetzt würde (also höchstens mal ausprobiert).

Diese drei Bedingungen löscht die Überschrift aber komplett aus – mal davon abgesehen, dass es kein wirkungsvolles Medikament gegen Covid-19 gibt, erst recht kein homöopathisches. Hatte ich schon erwähnt, dass es kein wirkungsvolles Medikament gegen Covid-19 gibt, erst recht kein homöopathisches?

(Quelle: https://www.presseportal.de/download/document/662513-20200414-forsa-ergebnisgrafiken-hom-opathiebeicovid19.pdf)

Oder um es mit dem Kollegen Lars Wienand (durch den ich auf die Umfrage gestoßen bin) mal anders zu formulieren:

Aber warum sollte die Umfrage des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte wirkungsvoller sein als die Mittel, die er befürwortet? So gesehen ergibt alles wieder einen Sinn.

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