Der Quatsch mit Umfragen hält an. Heute war es das Handelsblatt auf Twitter, das eine Umfrage als seriösen Inhalt angepriesen hat. Gestern hatte die Redaktion diese Abstimmung gestartet:
Heute retweetete sie diesen Tweet mit dem Ergebnis.
Ich habe dann in einem Thread bei Twitter kritisiert, was das Problematische an dieser Umfrage ist.
Es begint damit, dass die Auswahl der Befragten nicht repräsentativ ist. Der Handelsblatt-Leser bzw. dessen Twitter-Follower entspricht in keiner Weise dem Durchschnitt der Bevölkerung. Dass sich Handelsblatt-Follower besonders für einen wirtschaftsfreundlichen Kandidaten wie Friedrich Merz einsetzen, verwundert auch nicht.
Außerdem nimmt nur teil, wer will. Die Zufallsauswahl ist also nicht gegeben. In der Regel engagieren sich vor allem ausdrückliche Gegner oder Befürworter einer Position.
Dass die Zahl der Nutzer exakt angegeben wird (1.061) soll offenbar Repräsentativität vortäuschen, für die ja i.d.R. rund tausend Leute befragt werden. Das heißt in diesem Zusammenhang aber auch nichts.
Außerdem weist das Handelsblatt nicht darauf hin, dass diese Umfrage nicht repräsentativ ist. Der Pressekodex schreibt in Ziffer 2.1 aber vor, welche Metadaten dazu geliefert werden müssen:
Bei der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen teilt die Presse die Zahl der Befragten, den Zeitpunkt der Befragung, den Auftraggeber sowie die Fragestellung mit. Zugleich muss mitgeteilt werden, ob die Ergebnisse repräsentativ sind.
Sofern es keinen Auftraggeber gibt, soll vermerkt werden, dass die Umfragedaten auf die eigene Initiative des Meinungsbefragungsinstituts zurückgehen.
Das gilt ausdrücklich auch für Online-Umfragen, hat der Presserat im März entschieden (Pressemitteilung vom 22. März 2018):
Nicht-repräsentative Online-Umfragen müssen als solche gekennzeichnet sein. Das Plenum des Deutschen Presserats hat entschieden, dass derartige Votings ohne entsprechende Kennzeichnung die im Pressekodex definierte journalistische Sorgfaltspflicht verletzen.
Das Handelsblatt hat auf meine Kritik reagiert.
Die ursprüngliche Umfrage ist allerdings weiterhin online. Und das eigentliche Problem bleibt. Schon die Umfrage ist unseriös, sie würde nicht seriöser, würde die Redaktion dazuschreiben, dass sie nicht repräsentativ ist. Denn eine nicht repräsentative Umfrage hat praktisch keine Aussagekraft.