Man kann nicht über Jan Böhmermann schreiben, ohne über Jan Böhmermann zu schreiben

Und aus diesem Dilemma kommt man auch nicht heraus, wenn man eigentlich sagen will, dass Jan Böhmermann jetzt genug Öffentlichkeit hatte. In dem Dilemma steckt aber offenbar Tagesspiegel-Redakteur Joachim Huber (@HuberJoachim), der (ausdrücklich) gegen Böhmermann polemisiert, weil der ihm wieder zu stark in die Öffentlichkeit drängt:

Mein Gott, Böhmermann, hast du es nicht eine Nummer kleiner? Halt doch mal die Klappe, schau doch mal über dich hinaus, schau doch mal in die Türkei.

Auch Huber bezieht sich auf das wahrscheinlich bekannteste Zitat aus Böhmermanns Interview in der ZEIT (kostenpflichtig), wenn er schreibt:

Seitdem sieht sich der Mimose als deutscher Ai Weiwei, als Opfer eines bös-doofen Despoten und einer kuschelnden Kanzlerin.

Damit zeigt Huber genauso wie Stern-Reporter Hans-Ulrich Jörges in seiner Videokolumne, dass er wenig Humor hat. Am Ende seiner Kolumne immerhin lässt Jörges zumindest anklingen, dass er erkannt hat, dass auch das Interview satirische Züge hat. Wer etwas mehr Humor und es einigermaßen aufmerksam gelesen hat, hätte das schon früher erkannt und auf den Kommentar verzichtet.

Denn worüber regen sich beide auf? Dass ein Satiriker weiter sein Handwerk betreibt? Wird nach Anschlägen wie in Paris oder nach Polizeieinsätzen gegen Redaktionen nicht immer gefordert, jetzt müsse man erst recht weitermachen? Weiter in Bars und Konzerte gehen, weiter seine Arbeit als Journalist machen, um sich eben nicht einschüchtern zu lassen?

Genau das tut Jan Böhmermann. Er tritt wieder als Satiriker auf. Von diesem Job und seiner inneren Haltung ist er nicht zu trennen. Ihm das vorzuwerfen, finde ich unredlich und inkonsequent.

Wem Böhmermann auf die Nerven geht wie Huber und Jörges, der kann ihn ganz leicht ignorieren. Zum Beispiel, indem er kein Video aufnimmt und keinen Text darüber schreibt. Und indem er eben nicht ausdrücklich Böhmermanns „Medien-Kanäle“ anklickt wie Huber, um sich dann darüber zu beschweren, dass da Böhmermann ist. Man geht ja auch nicht in den Puff und beklagt sich dann, dass da nackte Frauen sind. (Jürgen Becker)

Donald Trumps Erfolg: “Was sollten die Medien tun? Sollten sie seine Statements ignorieren?”

Donald Trump am 19. August 2015 (cropped)

Der Vorwahlkampf zu den Präsidentschaftswahlen ist selbst für US-Verhältnisse ungewöhnlich. Seit Jahrzehnten hat es keine so zerstrittenen Parteien und Kandidaten gegeben. Besonders Donald Trump drängt mit abstrusen Behauptungen und Beleidigungen in die Medien. Welche Rolle spielen diese Medien dabei? Wäre Trump ohne sie so erfolgreich wie er es zu sein scheint?

Darüber habe ich mit dem Politikjournalisten Jeff Mapes (@jeffmapes) vom öffentlichen Radiosender OPB in Portland (Oregon) gesprochen. Er findet, Journalisten kämen an Trump nicht vorbei, auch wenn er wisse, wie er sich ihrer bedienen könne.

Inwiefern unterscheiden sich diese Vorwahlen von anderen?

 Zum ersten insofern, als dass sie länger dauern. Die Republikaner hatten die Regeln für diese Vorwahlen geändert, weil sie gehofft haben, dass sie ihren Kandidaten früher auswählen könnten und mehr Zeit für den eigentlichen Wahlkampf haben würden. Aber es hat nicht funktioniert. Jetzt dauert es nicht nur länger, sondern es ist sogar so außergewöhnlich, dass Donald Trump, diese Figur aus der Unterhaltungs- und Wirtschaftswelt, die Republikanische Partei sozusagen feindlich übernommen hat. Es gibt wenige führende Mitglieder bei den Republikanern, die ihn als ihren Kandidaten ausgewählt hätten.

Das war eine sehr ungewöhnliche Geschichte. Die Kandidaten, von denen erwartet wurde, dass sie starke Kandidaten sind, waren es nicht. Ich glaube nicht, dass jemand davon ausgegangen ist, dass Ted Cruz, John Kasich und Donald Trump die letzten drei Kandidaten im Rennen sein würden. Und es gibt die Möglichkeit, dass keiner von ihnen eine Mehrheit haben wird vor dem Parteitag in Cleveland. Und das hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Und das ist eine Art Schock für das Verfahren.

Haben Sie eine Erklärung für den Erfolg von Donald Trump?

Die Erklärungen dafür lagen so oft daneben. Es gab so viele Vorhersagen, dass die Leute eher müde von diesem Zirkusartisten würden und er nicht die ganzen Vorwahlen durchhalten würde. Sein Reiz wurde wirklich verkannt. (…)

Es besteht kein Zweifel, dass er die Sorgen eines bestimmten Teils der Amerikaner aufgenommen hat, ähnlich wie die rechten nationalistischen Parteien, die Sie in Europa haben.

Sehr besorgt über die Einwanderung. Dieses Gefühl, das besonders weiße Amerikaner aus der Arbeiterklasse haben, dass sie in der globalen Wirtschaft sozusagen zurückgelassen wurden, dass sie sich seit der Wirtschaftskrise 2008 nicht erholt haben, dass die politische und wirtschaftliche Klasse sich nicht für sie einsetzt. Und Trump nimmt viele dieser Sorgen ernst.

Jeff Mapes berichtet für OPB in Portland über politische Themen, darunter auch den Präsidentschaftswahlkampf (Foto: Bradley Parks)
Jeff Mapes berichtet für OPB in Portland über politische Themen, darunter auch den Präsidentschaftswahlkampf (Foto: Bradley Parks)

Ist er eine Art Medienphänomen?

Das ist ein großer Faktor dafür, dass er so viele Wähler erreicht. Absolut richtig. Er ist sehr geschickt darin, die Aufmerksamkeit der Medien zu erregen. Er hat viel von seiner Reality-Show gelernt. (…) Das hat ihn zu einer Art nationaler Figur gemacht. Und er hat viel darüber gelernt, wie man Dramen und Konflikte konstruiert. Jahrelang hat er sich beim Wrestling engagiert, das damals sehr populär war. (…) Auch dort hat er viel darüber gelernt, wie man eine Menge fesseln kann. Darin ist er sehr gut. Und ich kann Ihnen nicht sagen, wieviele Leute mir gesagt haben: Ich kann meine Augen nicht von Trump wenden, auch wenn sie ihn nicht leiden. Er fasziniert die Leute.

Wie ein Autounfall.

Von diesem Vergleich habe ich gehört.

Die Leute sagen: Er ist wie ein Autounfall, ich kann nicht wegschauen.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Trumps Erfolg und der Art und Weise, wie Medien über ihn berichten?

Wahrscheinlich kann man sagen, wenn die Medien nicht über ihn berichten würden, würde ihn dann überhaupt jemand kennen? Aber: Wie Wie könnte man darauf verzichten? Sie haben einen, der der Spitzenreiter bei den Republikanern ist.

Aber wäre er das denn, wenn die Medien nicht…

…nicht was?

Das ist die Frage.

Was sollten die Medien tun? Sollten sie seine Statements ignorieren? Viele Medien haben viel Zeit darauf verwendet, zu sagen: Das stimmt nicht, was er sagt. Oder: Das hier stimmt.

Zur gleichen Zeit sind die Medien nicht mehr die Gatekeeper, die sie einmal waren.

Mit dem Internet haben die Menschen heute viele direkte Informationsquellen. Twitter hat Millionen Follower, Facebook auch, es gibt Blogs. Es gibt Menschen, die keine Mainstreammedien sind, aber die gefällige Stories über Donald Trump schreiben. Und wenn sie populär sind, können sie viele Follower bei Facebook oder YouTube bekommen. Trumps Kundgebungen sind gesammelt bei YouTube und werden oft angesehen. Es gibt viele Wege, seine Botschaft zu verbreiten, ohne sich fragen zu müssen: Kümmern sich die Washington Post oder die New York Times um mich?

Es hat viele Diskussionen über die Cable Networks gegeben, besonders über die großen – Fox, CNN und MSNBC – inwiefern sie Trump zu viel Sendezeit widmen. Ihn in Interviews reden und reden und reden zu lassen. Nach mehreren Vorwahlen haben sie Donald Trumps Pressekonferenzen in voller Länge gezeigt, aber nicht die von anderen Kandidaten. Man kann sich also über redaktionelle Entscheidungen beklagen. Das sind Nachrichtensender.

Zu einem großen Teil schreiben und reden sie darüber, was die Leute gerne hören wollen.

 

Das Interview im englischen Original zum Nachhören:

Macht die Lügenpresse Donald Trump groß?

Ich weiß nicht, wie sich diejenigen, die sich in Deutschland mit dem Schlachtruf „Lügenpresse“ jeden Montag oder Mittwoch die Stimme ruinieren, noch steigern könnten, würden sie sich die Situation in den USA anschauen.

Dort kümmert sich zum Beispiel der Sender FoxNews seit Jahren mit einer eigenen Agenda dafür, dass Fakten ignoriert, politische Gegner absichtlich missverstanden und Meinungen falsch gedeutet werden. Seit der US-Milliardär Donald Trump Präsident werden will, steht ihm Fox treu zur Seite. Aber auch vorher schon gefiel den Fernsehmachern dessen Agenda.

Die US-Organisation Media matters kümmert sich seit 2004 darum, die Berichterstattung konservativer Medien zu überwachen, zu analysieren und zu korrigieren:

news or commentary that is not accurate, reliable, or credible and that forwards the conservative agenda – every day, in real time.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Media matters tendenziell im gegenüberliegenden politischen Spektrum angesiedelt ist. Wer sich ihre Berichte auf der Webseite und dem dazugehörigen Youtube-Kanal ansieht, stößt auf eine bizarre Aneinanderreihung republikanischer Parteinahme – etwa, dass sechs große Nachrichtenprogramme Donald Trump allein im März 2016 insgesamt mehr als 13 Stunden Sendezeit eingeräumt haben. Und zwar nicht der Berichterstattung über ihn, sondern Interviews mit ihm. Laut New York Times soll diese Sendezeit für Trump den Gegenwert von 2 Milliarden Dollar haben. In einer anderen Untersuchung heißt es, dass Donald Trump von allen Präsidentschaftskandidatenkandidaten die meisten Auftritte in den fünf wichtigen Sonntagstalkshows bekommt.

Ein zweischneidiges Schwert für Journalisten. Einerseits verspricht Donald Trump mit seinen teils kruden Ansichten Aufmerksamkeit der Leser, Hörer und Zuschauer. Andererseits weiß er die Medien damit auch gut für sich zu nutzen, denn abweichende Meinungen und verletzende Äußerungen werden auf diese Weise weit verbreitet. Ohne Medien hätte Trump möglicherweise weniger Erfolg.

Viele Journalisten, mit denen wir in den USA gesprochen haben, halten den Einfluss von Journalisten auf Trumps Erfolg allerdings für überschätzt. Trump habe zum Beispiel durch seinen Twitter-Kanal praktisch unbegrenzt Zugang zur Öffentlichkeit und sei auf die klassischen Medien nicht angewiesen. Außerdem stünden viele seiner Anhänger so fest zu ihm, dass sie sich auch durch die Berichterstattung von Medien nicht beeinflussen ließen.

So schätzt es zum Beispiel der Politikreporter Jeff Mapes vom öffentlichen Radiosender OPB in Portland (Oregon) (@jeffmapes) ein. Er sagte mir im Interview:

At the same time the media is not as much as a gate keeper as it’s used to be. With the internet now people have a lot of direct sources to information. Twitter has millions of followers, Facebook, blogs. If there are people who are not mainstream media sources, they may post favourable stories about Trump. And if they are popular they can get a huge following over Facebook or YouTube.

Mapes hält es aber auch für unvermeidbar, über Trump zu berichten:

Lesetipp: In den USA werden die aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten fortwährend von Journalisten begleitet. Der Kollege Korbinian Frenzel von Deutschlandradio Kultur, der auch bei der RIAS-Reise dabei ist, hat die ABC-Journalistin Arlette Saenz gefragt, wie sie den demokratischen Kandidaten Bernie Sanders einschätzt.

Die amerikanische heute-show mit dem rassistischen Panda

Was die heute-show im ZDF für Deutschland ist, ist „The Daily Show“ für die USA. Oder umgekehrt, denn das ZDF-Format ist in den USA eingekauft worden, vom Sender Comedy Central. Bis 2015 hat Jon Stewart die Show moderiert, seitdem ist es der südafrikanische Comedian Trevor Noah. Am Mittwoch habe ich mir die Show live im Studio angeschaut.


Das Bemerkenswerte an der Show ist Noah selbst. Ein Multitalent, das sieben Sprachen spricht, darunter auch deutsch; sein Vater ist Schweizer. Erst 2011 zog er in die USA, wo er eine bemerkenswerte Karriere hinlegte. In der Show, deren Ausgabe vom Mittwoch man sich hier komplett ansehen kann, spielt er auch mit seiner Herkunft. Wenn einer Witze über seine Hautfarbe machen darf und selbst das Wort „Nigger“ verwendet (das in der ausgestrahlten Fassung überpiepst wurde), dann ein Schwarzer.

Wahlkampf im Wohnzimmer: Wie Kandidaten in den USA dem Wähler ganz nah kommen

Im Präsidentschaftswahlkampf in den USA ziehen die Spitzenkandidaten zehntausende Menschen zu ihren Auftritten. Donald Trump, Ted Cruz und John Kasich bei den Republikanern genauso wie Hillary Clinton und Bernie Sanders bei den Demokraten.

Jules Bailey bei einer "house party" in Portland.
Jules Bailey bei einer „house party“ in Portland.

Auch Jules Bailey will was werden (hier seine Webseite, hier der Eintrag über ihn bei Wikipedia). Er steht allerdings an diesem Donnerstagnachmittag nur vor sieben Damen mittleren Alters. Eingeladen hat Leslie, gekommen sind Freundinnen und Nachbarn. Leslie will ihnen Jules Bailey vorstellen – und der will Bürgermeister von Portland werden, einer liberalen Großstadt im Nordwesten der USA, im Bundesstaat Oregon.

Bailey ist 36, trägt einen schwarzen Dreitagebart, Anzug und ein gestreiftes Hemd. Die Krawatte, die er noch am Morgen für einen offiziellen Termin trug, hat er nach Rücksprache mit seiner Wahlkampfmanagerin abgelegt. Bailey ist smart und weiß, wie man Menschen für sich einnehmen kann. Mehr als eine Stunde widmet er diesen nur sieben möglichen Wählern, dafür ist er fünf Meilen hinausgefahren zu diesem Landhaus in einem vornehmen Vorort von Portland.

Er erzählt, warum er Bürgermeister werden will, was seine Frau dazu gesagt hat, welche politischen Stationen er hinter sich hat und was ihm für Portland vorschwebt. Damit verfolgt er drei Ziele: Zum einen möchte er die Stimmen der Sieben gewinnen. Wichtiger aber sind Punkt zwei und drei: Diese sieben sollen für ihn werben, aus persönlicher Anschauung und mit Überzeugung, weil sie – anders als bei Wahlen auf Bundesebene – ihn kennengelernt haben und ihm Fragen stellen durften. Und Bailey hofft auf Spenden. Wenn jede der sieben die 250 Dollar gibt, die er pro Spender annimmt, hätte er hier draußen 1.750 Dollar gemacht. Als Stundenlohn nicht schlecht.

Logo von Jules Baileys Wahlkampagne
Logo von Jules Baileys Wahlkampagne

Es ist eine ungewöhnliche Art, Wahlkampf zu betreiben. Aber für Bailey könnte sie sich auszahlen. Mehrere Dutzend solcher Hauspartys gibt er im Laufe seines Wahlkampfs, meistens kommen mehr als an diesem Nachmittag, und regulär finden diese Partys am Abend statt, nach Feierabend und bevor die Leute zu sich nach Hause fahren.

Die Radioreporterin Amelia Templeton bekam einen Einblick in diese Arbeit, und ich durfte sie dabei begleiten. Templeton arbeitet für OPB, den öffentlich-rechtlichen Radiosender in Portland im US-Bundesstaat Oregon. OPB steht für Oregon Public Broadcasting. Dort stehen demnächst gleich mehrere Wahlen an. Neben dem Bürgermeister von Portland wird bald auch der Gouverneur von Oregon neu gewählt – und im November freilich auch der neue US-Präsident.

Viel zu tun also für Templeton und ihre Kollegen. Dort ist es üblich, dass Reporter Kandidaten an manchen Tagen auf Schritt und Tritt folgen – „to shadow“, wie es im Englischen mehrdeutig heißt. Besonders die Präsidentschaftskandidaten werden monatelang journalistisch begleitet, wie ABC-News-Reporterin Arlette Saenz erzählte. Mehr dazu bei Korbinian Frenzel.

Der Fall Böhmermann: Wir diskutieren über das Falsche

Als die kritische Ausgabe des „NEO Magazin Royale“ ausgestrahlt wurde, war ich gerade in den USA angekommen. Die Diskussionen über sein sogenanntes Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan habe ich seitdem nicht in allen Details verfolgt – und vor allem nicht in allen Wendungen, Rechtfertigungsversuchen, Kommentierungen und juristischen Details.

Eins scheint mir aber offensichtlich: dass unklar ist, worüber wir eigentlich reden. Das beginnt schon mit dem Begriff: Schmähgedicht. Tatsächlich kann man sich über das Gedicht beklagen. Es ist obszön, beleidigend, verleumderisch, verlogen, vielleicht auch rassistisch und homophob.

Allerdings steht das Gedicht nicht für sich selbst. Die Satire ist nämlich mehr als das Gedicht. Das Gedicht lässt sich nicht so einfach aus ihr herauslösen und separat behandeln, es ist Teil eines größeren Kunstwerks. Der Deutschlandfunk hat die gesamte Satire aus der Sendung transkribiert – hier nachzulesen. Darin weisen Jan Böhmermann und sein Sidekick Ralf Kabelka in einem Dialog ausdrücklich darauf hin, dass es ihnen darum geht, die Grenzen von Satire auszuloten. Verdichtet in diesen Sätzen:

Böhmermann: „Also, das Gedicht. Das, was jetzt kommt, das darf man nicht machen?“
Kabelka: „Darf man NICHT machen.“

Mit dieser Einordnung sagen beide ausdrücklich, dass sie die Grenzen dessen überschreiten werden, was Satire (ihrer Ansicht nach) erlaubt. Paradoxerweise verlassen sie die Ebene der Satire jedoch nicht – im Gegenteil: Sie wollen mit ihren eigenen Mitteln deren Grenzen aufzeigen.

Angesichts dieses Kontextes ist es schwer vorstellbar, dass Jan Böhmermann tatsächlich all das meint, was er damit sagt. Gerade die bewusste Überzeichnung lässt das als unwahrscheinlich bezeichnen. Es ist dabei allerdings durchaus diskussionswürdig, ob er mit der Satire insgesamt gegen Gesetze verstoßen hat. Das Schmähgedicht allein kann jedoch nicht Gegenstand dieser Auseinandersetzung sein.

Würde man so vorgehen, so könnte jedes Kunstwerk mit verschiedenen Ebenen jederzeit auseinandergepflückt werden. Allerdings würde es dann nicht mehr funktionieren. So ist es beispielsweise unmöglich, in Michael Endes Roman „Die unendliche Geschichte“ allein jenen Handlungsstrang zu erzählen, den die Hauptfigur Bastian in einem Buch liest – das geht spätestens dann nicht mehr, wenn diese Ebene mit der Rahmenhandlung zu verschmilzen beginnt. Wer David Mitchells sechs ineinander verschachtelte Geschichten in „Cloud Atlas“ separat erzählt, nimmt dem Buch den Clou, durch die feinen Verknüpfungen zwischen den Geschichten diese zu einer weiteren zusammenzusetzen.

Wichtig ist es also, den gesamten Auftritt von Jan Böhmermann zu betrachten und nicht nur das Gedicht. Damit ist weder etwas über deren Qualität noch über eine mögliche Strafbarkeit gesagt. Aber es sollten eben nicht nur Richter in einem möglichen Prozess den gesamten Kontext berücksichtigen, sondern auch alle, die gerade darüber reden.

„House of Cards“ und die Wirklichkeit

Was ist Fiktion, was ist Wirklichkeit? CNN versucht, vom Erfolg von "House of Cards" zu profitieren.
Was ist Fiktion, was ist Wirklichkeit? CNN versucht, vom Erfolg von „House of Cards“ zu profitieren.

Macht CNN jetzt auch in Fernsehserien? Plakate in Washington D.C. geben das vor: eine weitere Serie der „House of Cards“-Produzenten Kevin Spacey und Dana Brunetti. Titel: „Race for the White House“.

Selbst der Nachrichtensender CNN vermischt Fiktion und Wirklichkeit, wenn er so für seine Sendungen zur Präsidentschaftswahl 2016 wirbt. Auf der Seite tritt Spacey praktisch als Wahlkampfexperte auf, wenn er sich dazu äußert, ob das Jahr 2016 wirklich so außergewöhnlich ist. Wer die vierte Staffel „House of Cards“ sieht, deren deutsche Fassung gerade bei Sky läuft, deren US-Originalfassung aber schon komplett verfügbar ist, stößt immer wieder auf frappierende Vermischungen der Campaigns 2016 und Fiktion – was schon damit beginnt, dass Kevin Spaceys US-Präsident Frank Underwood genau bei jenen Präsidentschaftswahlen 2016 antritt.

Hier in Washington ist der Wahlkampf jedenfalls allgegenwärtig. Zusammen mit zehn anderen Journalisten aus den USA nehme ich am Journalistenaustausch der RIAS-Berlin-Kommission teil. Nachdem der „Rundfunk im amerikanischen Sektor“ sein Programm Anfang der 90er Jahre eingestellt hatte, weil er seine Mission erfüllt hatte, die DDR-Bürger mit unabhängigen Informationen zu versorgen, werden jährlich deutsche Journalisten in die USA geschickt, um mehr über das politische System und die Medien dort zu erfahren, und US-Journalisten lernen die deutsche Seite kennen.

In den nächsten Tagen erscheinen zu Begegnungen und Erfahrungen hier nach und nach einzelne Beiträge. Denn auch wenn Kevin Spacey es bestreitet und auf das Jahr 1968 verweist: Ungewöhnlich ist dieser Wahlkampf allemal. Aber das Ende der USA, wie wir sie kennen, ist diese Wahl nicht – auch nicht mit einem Präsidenten Donald Trump. Davon geben sich hier jedenfalls die meisten unserer Gesprächspartner überzeugt. Die wenigsten glauben allerdings, dass es überhaupt so weit kommen wird.

Die AfD will ARD und ZDF jetzt nicht mehr so sehr abschaffen wie noch neulich

Vorige Woche habe ich aus dem geleakten Entwurf für ein Parteiprogramm der „Alternative für Deutschland“ zitiert, in dem es um das Verhältnis der Partei zu den Medien und zur Pressefreiheit im Allgemeinen ging. Damals hatte die Parteispitze die Richtigkeit des Papiers bestätigt, allerdings betont, dass es ein Entwurf sei.

Mittlerweile liegt der „Leitantrag der Bundesprogrammkommission und des Bundesvorstandes“ vor, das heißt: Was dort drin steht, ist wirklich das, was die Parteispitze als offizielles Programm will. Die Forderungen sind im Gegensatz zum Entwurf abgeschwächt, aber im Kern noch dieselben. So lautet die Überschrift des Kapitels zu Medien jetzt nicht mehr

Vielfältige Medien statt gelenkter Meinung

sondern

Wider die politische Korrektheit: Reform des öffentlichen Rundfunks ist überfällig

Im ersten Absatz fordert die AfD-Spitze wie schon im geleakten Entwurf eine „vielfältige Medienlandschaft“ und dass Meinung und Information „klar erkennbar voneinander getrennt sein“ sollen. Katharina Nocun findet schon diese Unterscheidung schwierig.

Wer definiert, was „Information“ und was „Meinung“ ist? Und was passiert, wenn man dagegen verstößt? Wenn es als Staat möglich ist der Presse vorzuschreiben, unbequeme Berichterstattung als bloße „Meinung“ im Kontrast zu staatlich abgesegneter „Information“ abzustempelt, ist das ein Eingriff in die Pressefreiheit.

Weiter heißt es bei der AfD:

Tatsachen sollen als solche benannt und nicht aus politischen Gründen verschleiert werden. Die AfD fordert: Schluss mit „Politischer Korrektheit“. Was wahr ist, kann nicht „unkorrekt“ sein.

Es bleibt weiter offen, was genau sie den Rundfunkanstalten vorwirft: Was wird angeblich nicht benannt, was aus politischen Gründen verschleiert und von wem? Aus vagen Äußerungen in dieser Hinsicht und wegen des zumindest früher von Parteichefin Frauke Petry gern benutzten Begriffs „Pinocchio-Presse“, der lediglich den Pegida-Schlachtruf „Lügenpresse“ verniedlicht, liegt eine Antwort nahe. Aber auch die gibt die Partei so nicht selbst. Das hat System.

Der öffentlich‐rechtliche Rundfunk muss seinen Informations‐ und Bildungsauftrag parteipolitisch neutral und staatsfern erfüllen. Daher sind Programme, Finanzierung, Organisation und die Kontrolle durch Rundfunk‐ und Fernsehräte grundlegend zu reformieren sowie Entscheidungsprozesse transparent zu machen. Ein erster Schritt zur Reform kann es sein, die Staatsverträge zu kündigen, mit denen die Landesregierungen die Finanzen und die Kontrolle des Rundfunks regeln.

Wie genau so eine Reform aussehen soll, steht nicht im Leitantrag. Zudem ist lediglich von einem „ersten Schritt zur Reform“ die Rede. Wenn der darin besteht, die Staatsverträge zu kündigen, bedeutet das, dass den meisten Anstalten sofort die Existenz- und Arbeitsgrundlage genommen wird. Wie kann man darüber hinaus eine Reform fordern, ohne zu benennen, was im Argen liegt, was deswegen geändert werden soll und wie? Wie soll zudem ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk funktionieren, der nicht gesetzlich ermöglicht wird? Welche Entscheidungsprozesse sind nicht transparent, welche sollen es sein?

In dem Absatz finden sich außerdem mehrere Fehler: Längst nicht jede Anstalt wird auf der Grundlage eines Staatsvertrages betrieben. Der ist nur in Mehrländeranstalten wie zum Beispiel beim NDR nötig, den Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Niedersachsen gemeinsam betreiben. In Nordrhein-Westfalen etwa kann allein der Landtag über Regeln für den WDR bestimmen. Der Landtag. Nicht die Landesregierungen. Und die regeln Finanzen und Kontrolle des Rundfunks nur indirekt. Wieviel Geld die Anstalten bekommen, das empfiehlt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz KEF. Wie hoch der Rundfunkbeitrag schließlich ist, entscheiden auf dieser Grundlage eben nicht die Landesregierungen, sondern – genau: die Landtage. Dass die Besetzung der Rundfunkräte nicht in allen Fällen verfassungsgemäß ist, ist ohnehin schon per Urteil des Bundesverfassungsgerichts entschieden. Wer statt der benannten Gremien über Finanzierung und Kontrolle der Sender bestimmen soll, sagt die AfD nicht. Obwohl da durchaus Reformbedarf herrscht und neue Ideen willkommen sind.

Die Zahl der öffentlich‐rechtlichen Fernseh‐ und Rundfunkprogramme muss deutlich verringert werden, auch deswegen, um die Entwicklung einer leistungsfähigen privaten Medienlandschaft nicht durch unfaire Konkurrenz zu behindern.

Dass die AfD „für eine vielfältige Medienlandschaft“ eintritt, wie es im Leitantrag heißt, kollidierte im Entwurf noch mit der Forderung nach nur noch zwei Radio- und zwei Fernsehsendern. Der Leitantrag ist in dieser Hinsicht nicht mehr so konkret, sondern fordert nur noch eine deutliche Verringerung; ganz aufheben kann er die Widersprüchlichkeit jedoch nicht.

Einige Absurditäten fehlen zum Glück im Leitantrag: etwa die Forderung nach einer Abschaffung der Gebühreneinzugszentrale GEZ (die es in dieser Form ja schon nicht mehr gibt) und die nach einer Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten ab 2018; stattdessen sollte die „staatliche Informationsversorgung“ durch einen steuerfinanzierten Sender besorgt werden.

Frappierend finde ich trotz allem weiterhin, wie unpräzise der Leitantrag in der Medienpolitik ist und wie sehr er von Fehlern strotzt. Auch dass AfD-Chefin Frauke Petry in Interviews und öffentlichen Statements immer und immer wieder von einem steuerfinanzierten Rundfunk spricht (was er nicht ist), zeugt von Unkenntnis. Oder aber von Absicht.

Mir kommt das mittlerweile wie ein System vor. Denn einige der Forderungen der AfD ergeben nur dann Sinn, wenn die Realität etwas zurechtgebogen wird. Wer unterstellt, die Sender seien steuerfinanziert, insinuiert, dann würde auch der Staat über Inhalte bestimmen – also müsse gehandelt werden. Wer behauptet, die Landesregierungen (und nicht die Landtage) würden die Sender kontrollieren, unterstellt, eine Elite von Regierungspolitikern würde die Sender steuern – also müsse gehandelt werden.

Wer auf diese Weise Tatsachen verdreht, um Zustimmung für seine Forderungen zu bekommen, ist nicht weit von dem entfernt, was Frauke Petry selbst wohl eine Pinocchiopartei nennen müsste.

Update (30. März, 17.30 Uhr): Oliver Das Gupta hat sich für die Süddeutsche Zeitung das gesamte Parteiprogramm angesehen. Er schreibt unter anderem, die AfD geißele die Presse in ihrem Programm „immer wieder“, etwa dass sie Kampagnen für bestimmte Lebensentwürfe betreibe.

Frauke Petry und die Pressefreiheit: Warum Journalisten nicht völlig neutral sein dürfen

In der vergangenen Woche ist ein bizarrer Streit öffentlich geworden: der zwischen der AfD-Chefin Frauke Petry und dem ZDF-Morgenmagazin. Petry war am Montagmorgen nicht beim ZDF aufgetaucht, obwohl sie zugesagt hatte. Auch am Dienstag kam sie nicht. Wieso, hat Michael Coors gut beschrieben.

Ich will auf eine Aussage von Frauke Petry eingehen, die sie als Vorwurf formuliert und gemeint hat. In einem Statement dazu, warum sie nicht gekommen ist, heißt es:

Solange vor allem öffentlich-rechtliche Fernsehsender ihren Auftrag, so neutral wie möglich das pluralistische Meinungsbild darzustellen, dadurch missverstehen, indem sie offensichtlichen Politaktivisten wie Dunja Hayali ein derartig breites öffentliches Forum bieten, ist mein persönliches Interesse, in diesem Rahmen über die aufstrebende Alternative für Deutschland zu berichten, deutlich reduziert.

Die Sache mit der „Politaktivistin“ Dunja Hayali, die eigentlich nur Moderatorin des ZDF-Morgenmagazins ist, präzisiert Petry dann noch:

Liegt es daran, dass die Unterstützerin der Vereine ‚Gesicht zeigen‘ und ‚Respekt! Kein Platz für Rassismus‘ Schwierigkeiten damit hat, ihre journalistische Arbeit in einem aus Steuergeldern finanzierten Sender von ihrer politischen Einstellung zu trennen? (…) Sie erscheint daher zunehmend mehr als politische Aktivistin denn als professionell arbeitende Journalistin.

Mal abgesehen von der Tatsache, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender nicht aus Steuergeldern finanziert werden (Irrtum? Lüge?), irritiert mich die Haltung, die Petrys Aussage zugrunde liegt.

Ich interpretiere Petry so, dass das Eintreten gegen Rassismus nicht mit der Neutralitätspflicht eines Journalisten zu vereinbaren ist. Rassismus soll also als eine legitime Einstellung neben anderen angesehen werden. Führt man das fort, sind auch Haltungen wie Antisemitismus, Homophobie, Sexismus und Islamfeindlichkeit akzeptabel, kurz: alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Das Grundgesetz, auf dessen Grundlage die AfD Petry zufolge steht, verbietet aber genau dies in Artikel 3 Abs. 3:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Wenn Journalisten wie Dunja Hayali, um die es Petry geht, sich also gegen Rassismus aussprechen, handeln sie im Sinne des Grundgesetzes. Und diesem Grundgesetz gegenüber sollen Journalisten neutral sein?

Das können und dürfen sie nicht. Denn das Grundgesetz und die Demokratie sind Voraussetzung für unabhängigen Journalismus. Im Grundgesetz wird die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert (Art. 5). Man sieht an vielen Diktaturen weltweit, wie selten die wirklich besteht (die Reporter ohne Grenzen haben ihre Einschätzung in einer Weltkarte dargestellt). Sich nicht für Werte des Grundgesetzes einzusetzen, hieße, auch diesen gegenüber neutral zu sein. Wie kann man aber einem Grundrecht gegenüber neutral sein, wenn es die eigene Arbeit garantiert?

Michael Coors formuliert es zugespitzt so:

Wenn Frau Petry ernsthaft das Engagement gegen Rassismus für eine Verletzung journalistischer Neutralität hält und lediglich für eine politische Einstellung neben anderen, zeigt sie, dass sie schlicht gewisse rechtliche und moralische Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaftsordnung entweder nicht verstanden hat oder aber – noch schlimmer – diese aus politischer Überzeugung in Frage stellt.

Spinnen wir das mal fort: Wenn Journalisten auch demokratiefeindliche Meinungen gelten lassen sollen, sollen sie also seelenruhig dabei zusehen, wie eine Regierung ihre eigenen Rechte abschafft, so wie es die AfD in Baden-Württemberg laut Wahlprogramm teilweise vorhat und die AfD auf Bundesebene laut Entwurf (dessen Gültigkeit die AfD bestreitet, allerdings nicht den Entwurf an sich). Das kann nicht im Interesse der Demokratie sein.

Journalisten dürfen nicht nur für Grundwerte eintreten, sie müssen es sogar. Dass Dunja Hayali sich gegen Rassismus ausspricht, ist also nicht nur ihr Recht als Bürgerin, es ist sogar ihre Pflicht als Journalistin; wenn sie es nicht so öffentlich tut wie bei „Gesicht zeigen“ und „Respekt“, so müsste sie mindestens ihre professionelle Rolle so verstehen.

Wenn Journalisten nicht für die Werte des Grundgesetzes eintreten, schaffen sie erst sich selbst und auf Dauer auch die Demokratie in dieser Form ab.

Wie die AfD die Medienvielfalt abschaffen will und das Gegenteil behauptet

Was die „Alternative für Deutschland“ wirklich will, ist gar nicht so leicht herauszufinden. Es gibt zwar Wahlprogramme für einzelne Bundesländer, aber kein Grundsatzprogramm. Zwar äußern sich immer wieder einzelne Vertreter der Partei zu Zielen, aber da viele davon wieder von der Parteiführung relativiert werden, herrscht Unklarheit über die Einstellungen und Ziele der Partei.

Dass ein Grundsatzprogramm Abhilfe schaffen soll, ist nur konsequent. Die Recherchegruppe „Correctiv“ hat über einen Entwurf für das Programm berichtet, den man hier abrufen kann. Unabhängig von der Frage, ob diese Fassung tatsächlich von der AfD beschlossen und gültig wird, strotz das Programm nur so von vagen Formulierungen, sehr allgemeinen Aussagen, Unklarheit über Definitionen und vielen Widersprüchlichkeiten.

Dass das auch bei den von AfD-Chefin Frauke Petry so bezeichneten Altparteien auch so ist, macht die Sache nicht besser; allerdings behauptet die AfD ja immer, dass sie es besser kann als diese Parteien. Der Entwurf sieht nicht danach aus.

Ich will hier ausschließlich auf die Vorschläge zur Medienpolitik eingehen. Die Überschrift des entsprechenden Kapitels XVII lautet:

Vielfältige Medien statt gelenkter Meinung

Die AfD-Spitze hält die Presse- und Meinungsfreiheit für gefährdet und schreibt:

Die AfD tritt für eine vielfältige Medienlandschaft ein, die freie Information und kritische Diskussion ermöglicht. Meinung und Information müssen klar erkennbar voneinander getrennt sein. Tatsachen sollen als solche benannt und nicht aus politischen Gründen verschleiert werden. Die AfD fordert: Schluss mit „Politischer Korrektheit“.

Dagegen lässt sich wenig sagen, auch wenn unklar ist, was die AfD unter „politischer Korrektheit“ versteht und welche Tatsachen bisher verschwiegen worden sein sollen? Womöglich bezieht sie sich auf die Diskussion über den umstrittenen Artikel 12.1 des Pressekodex. Genaueres steht nicht im Programm.

In Sachen öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist die Partei dagegen eindeutig. In der Überschrift schreibt sie:

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Privatisieren. GEZ abschaffen.

Was die GEZ angeht, so hat die AfD ihr Ziel schon erreicht. Es gibt sie nicht mehr. Aus der Gebühreneinzugszentrale ist der ARD-ZDF-Deutschlandradio-Beitragsservice geworden. Es ist nur eine Namensänderung, aber wer nicht mal angeben kann, gegen was er kämpft, ist schwer ernstzunehmen. Weiter heißt es:

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten werden privatisiert. Sie finanzieren sich von 2018 an selbst. Der Beitragsservice wird ersatzlos abgeschafft. Die staatliche Informationsversorgung wird durch einen steuerfinanzierten Rundfunk mit zwei Rundfunksendern und zwei Fernsehsendern geleistet.

Rundfunksender? Vermutlich meint die AfD Radiosender. „Rundfunk“ ist der Oberbegriff für Radio und Fernsehen.

Wir rekapitulieren: Die AfD spricht von einer vielfältigen Medienlandschaft und will als erstes 14 von 16 öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern und 60 von 62 öffentlich-rechtlichen Radioprogrammen abschalten. Widersprüchlich.

Selbst wenn man darüber diskutieren kann, dass es so viele Programme nicht braucht – sie so stark zu reduzieren, kann auf keinen Fall im Sinne der Vielfalt sein.

Möglicherweise ist Vielfalt in dieser Hinsicht für die AfD allerdings zu kompliziert zu handhaben. Schließlich will sie Einfluss auf die Sender nehmen. In ihrem Wahlprogramm für Baden-Württemberg schreibt die Landespartei:

Die AfD will auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
einwirken und auch im Bildungsbereich Anstrengungen unternehmen, damit Ehe und Familie positiv dargestellt werden.

Was sie damit meint, bleibt offen. Dürfen damit Konflikte in Ehe und Familie nicht mehr dargestellt werden? Sollen schwule und lesbische Beziehungen nicht mehr erwähnt oder gar negativ dargestellt werden? Und wie ist dazu die Überschrift im Programmentwurf

Vielfältige Medien statt gelenkter Meinung

zu verstehen, wenn hier Meinungen gelenkt werden sollen? Für mich klingt das danach, als habe die AfD nur dann was gegen die „Lügenpresse“, wenn nicht in ihrem Sinne gelogen wird.

Correctiv fasst die Pläne so zusammen:

Die AfD will den Einfluss der Politik auf das Fernsehen und die Nachrichten also stärken, statt schwächen.

Auch in Sachen Medienpolitik, auf die die AfD durch ihre vielen Landtagssitze künftig wird Einfluss nehmen können, sollte man also künfitg auf die Partei aufpassen.