Wie das Überspitzen von Interviewaussagen Debatten verdirbt

Zuspitzungen sind seit jeher das Geschäft von Journalisten. Sie sind um Aufmerksamkeit für ihre Arbeit und ihr Medium bemüht – nicht zuletzt, seit das Verkaufen im Netz wichtiger geworden ist als in der Zeit, als man sich noch auf Abos ausruhen konnte.

Die Bedingungen des Netzes sorgen aber für eine ganz besondere Art der Zuspitzung. Denn es muss nicht nur die tägliche Zeitung verkauft werden, sondern jeder einzelne Artikel muss an den Mann und die Frau gebracht werden.

Aus mancher Zuspitzung wird aber auch mal eine Überspitzung. Da wird eine Aussage, ein Zitat nicht nur gedeutet, sondern etwas mehr daraus gemacht als ursprünglich gesagt wurde. In den letzten Wochen und Monaten haben Journalisten dafür mehrere Beispiele geliefert – und immer waren es Aussagen in Interviews. Die Konsequenz war in allen Fällen gleich: Nicht die eigentliche Aussage sorgt für Empörung und Protest, sondern die Überspitzung.

Kramp-Karrenbauer droht mit Parteiausschlussverfahren, ohne mit Parteiausschlussverfahren zu drohen

Jüngstes Beispiel: das Interview der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer für die Funke-Mediengruppe über den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen. Sie „drohe“ mit einem Parteiausschlussverfahren, hieß es in der Zusammenfassung, die die Funke-Redaktionen selbst geschrieben haben.

Diese „Drohung“ liest sich im Zusammenhang des Interviews  folgendermaßen:

Frage: Der entlassene Verfassungsschutzchef, CDU-Mitglied Maaßen, fällt mit rechtskonservativen Sprüchen auf. Denken Sie über einen Parteiausschluss nach?

Kramp-Karrenbauer: Als ehemalige Innenministerin bin ich froh, dass Herr Maaßen keine Verantwortung mehr für den deutschen Verfassungsschutz hat. Die CDU hält es aus, wenn unterschiedliche Meinungen geäußert werden. Aber: Die CDU ist auch eine Partei, die von einer gemeinsamen bürgerlich-konservativen Haltung getragen wird. Eine Politik unter dem Deckmantel der CDU zu machen, die den politischen Gegner vor allem in den eigenen Reihen sieht, wird dieser Haltung nicht gerecht. Es gibt aus gutem Grund hohe Hürden, jemanden aus einer Partei auszuschließen. Aber ich sehe bei Herrn Maaßen keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet.

Von Parteiausschluss unter Bezug auf Maaßen spricht Kramp-Karrenbauer nicht ausdrücklich; sie sagt eher allgemein, dass die Bedingungen dafür hoch seien, spricht sich aber nicht ausdrücklich dafür aus, Maaßen auszuschließen. Eine Drohung ist das nicht, vielleicht nicht mal eine Forderung.

Ist es also unzulässig, ihre Aussage in diese Richtung zu überspitzen? Genauso gut hätte man formulieren können, sie lege ihm einen Parteiaustritt nahe. Zwei mögliche Interpretationen ihrer Aussage – die Funke-Mediengruppe hat sich für erstere entschieden. Im Laufe des Tages dementierte zunächst CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, dass Kramp-Karrenbauer das so gemeint habe.

Später äußerte sich auch Kramp-Karrenbauer entsprechend.

Inzwischen hat auch die Funke-Mediengruppe die Formulierung zurückgenommen. Der Artikel lässt erkennen, dass es mindestens drei Fassungen gab. Dort heißt es in der Überschrift sachlicher als zuvor:

CDU-Chefin AKK: „Wir haben im Moment eine Schwächephase“

Die Webseite ist anders betitelt. Im Reiter des Browsers steht noch der Text:

AKK kritisiert Maaßen – Seine Haltung passe nicht mehr zur CDU

Nur in der URL ist die alte Fassung noch zu finden, demnach hieß es dort:

AKK droht Hans-Georg Maaßen mit CDU-Parteiausschluss

https://www.morgenpost.de/politik/article226803329/AKK-droht-Hans-Georg-Maassen-mit-CDU-Parteiausschluss.html

Von Drohung ist aber inzwischen keine Rede mehr.

Auch im Hamburger Abendblatt, das ebenfalls zur Funke-Mediengruppe gehört, ist die ursprüngliche Überschrift korrigiert worden, auch hier ist die URL aber noch dieselbe und verrät den ursprünglichen Titel des Artikels. Außerdem verweist die Artikelnummer darauf, dass es sich um den identischen Inhalt handeln dürfte.

Wie Bastian Brauns feststellt, seien alle Überschriften intransparent ausgetauscht worden.

Eine Kleinigkeit, könnte man meinen. Aber das Thema hat die politische Berichterstattung des Tages bestimmt – vor allem durch diesen Dreh, den auch die dpa genutzt und damit entscheidend zur Weiterverbreitung in anderen Medien beigetragen hat. Sie schrieb:

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bringt im Fall des umstrittenen Ex-Verfassungsschutzchefs und CDU-Mitglieds Hans-Georg Maaßen ein Parteiausschlussverfahren ins Spiel. «Es gibt aus gutem Grund hohe Hürden, jemanden aus einer Partei auszuschließen. Aber ich sehe bei Herrn Maaßen keine Haltung, die ihn mit der CDU noch wirklich verbindet», sagte Kramp-Karrenbauer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag) auf die Frage, ob sie über einen Parteiausschluss Maaßens nachdenke.

(Ins Spiel gebracht hat sie das Thema auch nicht; sie hat auf eine Frage reagiert.)

Schließlich setzen viele Medien dpa-Meldungen mehr oder weniger unredigiert auf ihre eigenen Seiten – und heizen mit dieser Dutzendfachen Verbreitung dieser einen Interpretation die Debatte weiter an. Auch in Bezug auf einen anderen Tweet von Maaßen hatte sich das wieder gezeigt.

Linnemann redet von Grundschulverbot, ohne von Grundschulverbot zu reden

Ein ähnlicher Mechanismus hat auch bei einem Interview mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Carsten Linnemann gegriffen. Dieses Interview hatte die Rheinische Post geführt. Sie selbst war bei der redaktionellen Auswertung auch nicht gerade zurückhaltend, formulierte sie für die Überschrift der redaktionellen Auswertung (nicht des Interviews selbst) doch einen Satz, den Linnemann im Gespräch selbst gar nicht so gesagt hatte.

Erst später nahm die Redaktion die Anführungszeichen weg, so dass Linnemann nur noch sinngemäß, aber nicht wörtlich zitiert wurde.

Im Text hieß es dann mit Zu-, aber nicht unbedingt Überspitzung:

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende, Carsten Linnemann, hat Konsequenzen für Erstklässler gefordert, die schlechte Deutschkenntnisse haben. „Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen“, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. „Hier muss eine Vorschulpflicht greifen, notfalls muss seine Einschulung auch zurückgestellt werden. Das kostet Geld, aber fehlende Integration und unzureichende Bildung sind am Ende viel teurer.“

Erneut sorgte aber wieder die dpa für die eigentliche Verbreitung des Interviews – und mit ihrer Überspitzung für die besonders starke Wirkung. Eine dpa-Meldung und ein Tweet waren ursprünglich so betitelt:

CDU-Politiker: Grundschulverbot für Kinder, die kein Deutsch können

Dabei hatte Linnemann den Begriff „Grundschulverbot“ selbst nicht verwendet, wie dpa-Textchef Froben Homburger später in einem Thread einräumte.

Auch diese Äußerungen haben zu einer breiten Debatte geführt, die ohne die Zuspitzung womöglich nicht so gekommen wäre. Hinzu kam: Der Wortlaut des Interviews mit Linnemann war nur zu lesen, wenn man sich bei der RP registriert. Das ist zwar keine finanzielle, aber eine kleine organisatorische Hürde, die nicht jeder nehmen möchte, der kurz durchs Nachrichtengeschehen scrollt. Wenn ein Interview aber hinter einer harten Paywall steckt, kommt der interviewführenden Redaktion eine ganz besondere Verantwortung zu. Wenn nämlich nicht die komplette Öffentlichkeit Zugriff auf das Originalgespräch hat, sondern nur ein Teil, kann sich die Diskussion notwendigerweise nur auf das beziehen, was öffentlich zugänglich ist – und das ist in der Regel die Zusammenfassung der eigenen Redaktion und das, was andere Medien daraus machen.

Der Digitalberater Thomas Knüwer empfiehlt sogar, dass Politiker Interviews nur noch geben sollten, wenn diese nicht hinter einer Paywall landen. Auch so sei es für Leser schon unnötig aufwendig, sich das Originalzitat anzuschauen, wenn Medien nicht auf andere Medien verlinken – zumal, füge ich hinzu, Leser erst mal keinen Hinweis darauf haben, warum die Zusammenfassung falsch sein sollte.

Wir sehen: die neue Normalität der Medienwelt. Ein Interview wird hinter einer Bezahlwand versteckt, eine zugespitzte Meldung soll das Interesse fördern. Doch es ist die Zuspitzung, die sich verbreitet, nicht das Urstück.

Kühnert fordert Verstaatlichung von BMW, ohne Verstaatlichung von BMW zu fordern

Kommt Ihnen das bekannt vor? Kein Wunder, im Mai erging es dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert so. Plötzlich wurde überall getitelt, Kühnert fordere eine Verstaatlichung von BMW. Aber auch in diesem Fall hatte der Interviewte den Begriff nicht genutzt. Kühnert sprach stattdessen von einer Kollektivierung – und zwar auch nur auf Nachfrage der Interviewer. Zwischen Verstaatlichung und Kollektivierung besteht aber ein Unterschied. Samira El Ouassil hat hier ausführlich dargestellt, wie das passiert ist – und wie wenig danach. Was hängen blieb: Kühnert fordert Verstaatlichung von BMW.

Das Muster

Man könnte noch weitere Beispiele finden. Nicht immer sind es Medien, die zu solchen Überspitzungen neigen. Es sind auch politische Konkurrenten, die das tun. Diese haben aber ihr eigenes Interesse in der politischen Auseinandersetzung, das ich für legitimer halte als das von Journalisten, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlen sollten.

Das Muster bei solchen Überspitzungen ist immer dasselbe. Der Wortlaut des Interviews wird nicht defensiv genug ausgelegt. Die Differenzierung, die von den Interviewten vorgenommen wurde, ihre möglicherweise bewusste Wortwahl wird überdreht. Damit drehen die Journalisten den Interviewten vielleicht ein wenig zu stark im Mund herum.

Wann ist aber eine journalistische Zuspitzung zulässig und wann führt sie zu weit? Selbst unterstellt, dass die Politiker die Tragweite ihrer Äußerungen erst begriffen haben, als die Debatte ausgebrochen war, und versuchten, sie zurückzunehmen – gefallen waren die entscheidenden Begriffe Parteiausschlussverfahren, Grundschulverbot und Verstaatlichung in den jeweiligen Fällen nicht. Sie spielen für die Wirkung für die Debatte aber eine entscheidende Rolle.

Die Rolle der Politiker*innen

Natürlich sind sich Politiker*innen dessen bewusst, was sie sagen. Und bei Interviews für Zeitungen wird in Deutschland in der Regel eine Autorisierung vereinbart, das heißt, sie nehmen den Wortlaut des Gesprächs noch mal ab und verändern ihn ggf., falls sie sich falsch verstanden fühlen oder eine Formulierung im frei gesprochenen Wort nicht ganz saß. Das bedeutet vor allem, dass der Wortlaut in der gedruckten Fassung der Intention der Interviewten entspricht.

Der Politikberater Johannes Hillje beschreibt es in der Saarbrücker Zeitung so:

Es ist richtig, sie hat explizit kein Parteiausschlussverfahren gefordert, sie hat den Begriff aber quasi in einem Atemzug mit der Kritik an Hans-Georg Maaßen genannt. Daher muss sie davon ausgehen, dass auch eine Diskussion darüber geführt wird. Das Zusammenführen unterschiedlicher Themenkomplexe bedeutet ja schon den Start einer Debatte. Das hätte ihr und ihrem Team auffallen müssen bei der Autorisierung des Interviews.

Deswegen findet Hillje auch nicht, dass Journalisten eine besonders große Mitverantwortung dafür haben, dass Kramp-Karrenbauer so missverständlich rübergekommen ist.

Inzwischen können Politiker allerdings sogar damit rechnen, dass sie selbst nicht die Reizwörter aussprechen müssen, die sie möglicherweise meinen. Wenn Kramp-Karrenbauer ein Parteiausschlussverfahren ins Spiel bringen will, kann sie sich auf eine entsprechende Frage auch zurückhaltender (und etwas verschwurbelt) äußern; dennoch besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass ihr unterstellt wird, was sie nicht eindeutig gesagt hat. Anschließend kann sie dann unter Verweis auf den Wortlaut dementieren. Auch Linnemann kann sich so herausreden.

Allerdings bleibt für mich auch fraglich, was sie durch das Herausreden gewonnen haben, denn die Aufregung über ihre Worte ist da – und das Dementi hilft ihnen in der politischen Debatte nicht unbedingt. Wenn sie darauf spekulieren, vom Wähler richtig verstanden zu werden, haben sie das nur dank der Medien tun können. Auch in dem Fall stehen Journalisten in der Verantwortung.

Die Folgen

Natürlich sind gerade private Medien darauf angewiesen, für ihre Produkte Aufmerksamkeit zu bekommen (öffentlich-rechtliche tun das auch). Diese darf aber nicht darauf beruhen, dass Äußerungen sinnentstellend wiedergegeben werden und damit zu inhaltsleeren Debatten führen. Der Öffentlichkeit nutzt es wenig, wenn über etwas diskutiert wird, das niemand gefordert hat – und auch die anschließende relativierende Berichterstattung über die Äußerungen könnte man sich dann sparen.

Pablo Jost, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik der Universität Mainz, hat schon Ende Juli aus Anlass eines anderen Falls dem Tagesspiegel gesagt:

Die skandalisierte Aufbereitung (vermeintlicher) Normverstöße bringt Aufmerksamkeit und Werbeeinahmen. Allerdings birgt der Fokus auf reißerische und polarisierende Themen die Gefahr, dass auch der gesellschaftliche Diskurs schärfer geführt wird. Auch geraten Themen in den Hintergrund, die weniger spektakulär aufbereitet werden können, aber dennoch von gesellschaftlicher Relevanz sind.

Irrelevante Debatten nutzen aber auch den Medien wenig, die sie ausgelöst haben. In erster Linie kann das dazu führen, dass die Interviewten sich genauer überlegen, unter welchen Bedingungen sie dem Medium noch ein Interview geben, wenn ihre Aussagen überspitzt wiedergegeben werden. In zweiter Linie stärkt es aber auch nicht gerade das Vertrauen der Nutzer in die Redaktionen. Mein Kollege Christoph Sterz hat es in der Medienkolumne in der WDR5-Sendung „Politikum“ so formuliert:

Wenn ich als Mediennutzer ständig Dinge höre oder lese, die wenig später korrigiert werden, dann kann ich doch auf Dauer nur das Vertrauen in die meisten Medien verlieren.

Und damit schaden die Medien in dritter Linie der öffentlichen Debatte.

Was nach solchen Fällen aber auch zwangsläufig folgt: eine Debatte darüber, ob die Politiker das wirklich so gesagt haben und die Kritik an Redaktionen, die für die Überspitzung gesorgt haben. Auch diese Zeit für unnötige Diskussionen und Meta-Debatten könnten wir uns sparen.

Hauptstadt oder Hochburg? Die Sensibilität des Übersetzers

Als Donald Trump noch nicht Präsident war, nannte er Belgien einmal eine „beautiful city“.

Daran fühlte ich mich erinnert, als ich gestern vom Zitat des türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu las. Er soll die Niederlande als „Hauptstadt des Faschismus“ bezeichnet haben, berichten zum Beispiel die Rheinische Post und das ZDF.

Vom Inhalt mal abgesehen – wurde hier richtig übersetzt?

Die Cosmo-Kollegin Evren Zahirovic bestätigt die Übersetzung und sagt, dass dieser Ausdruck im Türkischen geläufig sei. Allerdings erinnert er mich in seiner wortwörtlichen Übersetzung doch zu sehr an Trumps „Belgium is a beautiful city“ und lässt den Urheber etwas schräg dastehen. Statt Übersetzung wäre also eine Übertragung notwendig.

So macht es zum Beispiel der Deutschlandfunk, der „Hochburg des Faschismus“ schreibt. Gerade jetzt, in der Schärfe der Auseinandersetzung, ist es wichtig, auch in der Übersetzung genau zu sein, vor allem bei Beleidigungen und den damit verbundenen Konnotationen, damit der Streit nicht unnötig eskaliert. Auch Medien sollten sich dessen bewusst sein.

Offenlegung: Ich bin freier Mitarbeiter beim Deutschlandfunk.

Dietmar Bartsch und der Kanzlerinnensturz

Ruft Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch zum Sturz der Kanzlerin auf? Die Rheinische Post leitet das aus einem Interview ab, das sie mit ihm geführt hat.

Im Artikelvorspann heißt es:

Der Linke-Fraktionschef ruft im Interview mit unserer Redaktion die SPD zum Sturz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf und findet nun auch an der Agenda 2010 „längst nicht alles schlecht“.

Schaut man in das Interview selbst, spricht Bartsch weder von einem Sturz, der nach Revolution klingt, noch kommt die Anregung zu einem konstruktiven Misstrauensvotum, wie es das Grundgesetz vorsieht, von ihm.

RP: Warum probieren Sie Rot-Rot-Grün nicht schon jetzt, wo Sie die Mehrheit hätten, statt zu warten, bis die nach den Wahlen vielleicht weg ist?

Bartsch: Die Frage stellen Sie bitte Sigmar Gabriel. Es war falsch, dass die SPD zu Beginn dieser Wahlperiode nicht einmal mit uns geredet hat. Die SPD könnte diese Mehrheiten aber jetzt noch nutzen, um die eine oder andere Entscheidung durchzusetzen. Wenn die SPD eine andere Politik will, kann sie mit der Linken immer reden.

RP: Sigmar Gabriel könnte also längst Kanzler sein, wenn er nur wollte?

Bartsch: Herr Gabriel könnte nächste Woche Kanzler sein, wenn er und die SPD wollten und sich vorher mit uns und den Grünen auf die Punkte verständigten, die wir gemeinsam noch vor der Wahl durchsetzen wollen.

Bartsch vertritt damit keine eine andere Position zu Rot-Rot-Grün als bisher. Zum „Sturz“ ruft er nicht auf. Die Rheinische Post spielt mit der Verwendung dieses Begriffs den „Merkel muss weg“-Rufern in die Hände – auch wenn die mit Gabriel als Kanzler sicher auch nicht zufrieden wären.