In Breitband im Deutschlandfunk Kultur ging es heute um Empathie im digitalen Zeitalter.
Politische Kontroversen rufen immer extremere Positionen hervor. Über Flüchtlinge wird inzwischen bis hin zur Empathielosigkeit gegenüber dem Leid der anderen diskutiert. Aber ist Empathie hier überhaupt angemessen? Oder brauchen wir etwas anderes?
Anlass war der Artikel von Mariam Lau in der Wochenzeitung „Die Zeit“, in der sie die private Seenothilfe im Mittelmeer zur Disposition stellte. Die Debatte darüber habe ich für Breitband kurz zusammengefasst. Nachzuhören hier, nachzulesen hier:
Es war eine Debatte, die wie so oft in zwei Phasen verlief. Am Anfang sorgte der Artikel selbst für Aufregung, weil Kritiker die Menschenrechte relativiert sahen. In der öffentlichen Diskussion dominierte die Ablehnung der Contra-These von Mariam Lau. Inzwischen geht es aber um die Rolle des Journalismus und die Frage, ob so ein Text überhaupt veröffentlicht werden darf oder ob Journalisten nicht gewissen Werten verpflichtet seien. In der Debatte darüber twitterte Lau selbst:
Man muss sich mit einer gewissen Kälte über das Thema beugen und sich (die) Frage nach den Folgen des gutgemeinten Handelns vorlegen.
Der Medienberater und Journalist Thomas Knüwer beklagt in seinem Blog „Indiskretion Ehrensache“, dass „Die Zeit“ mit solchen Texten allerdings die Grenzen des Sagbaren verschiebe:
Ich glaube, dass die Zeit unbewusst und ohne darüber nachzudenken rechten Gedanken den Weg ins Bildungsbürgertum öffnet. Und wenn die Zeit erlaubt, dass man darüber nachdenkt, Menschen ersaufen zu lassen im Sinne einer größeren Lösung, dann ist das halt mit einem mal gesellschaftlich legitim.
Tatsächlich hat „Die Zeit“ schon kurz nach der ersten Kritikwelle eingelenkt – und in ihrer Print-Ausgabe diese Woche nachgelegt. Dort schreibt die Chefredaktion, Thema des Pro & Contras sei der Vorwurf gewesen – Zitat:
Die privaten Helfer würden trotz bester Absichten das zynische Geschäft der Schlepper befördern. Dieser Frage wollten auch wir uns annehmen – denn politische Diskussionen und moralische Dilemmata verschwinden nicht dadurch, dass man die Augen vor ihnen verschließt. Wir hatten es also gut gemeint – was aber bekanntlich oft das Gegenteil von gut ist.
Dass der Journalismus sich tatsächlich solcher Fragen annehmen soll, sehen viele Kollegen nicht so. Es gebe unverhandelbare Güter, Rechte und Prinzipien, twitterte etwa die Publizistin Carolin Emcke. Es habe nichts mit Liberalität zu tun, sie auf Pro- und Contra-Fragen zu reduzieren.
Journalismus muss also gewissen Werten verpflichtet sein. Das findet auch der US-Journalismusforscher Jay Rosen, der gerade zu einem Forschungsaufenthalt in Deutschland ist. Im Interview mit „Breitband“ sagte er vor zwei Wochen:
Journalists also have to oppose a political style in which the institutions of democracy and democratic attitudes are eroded or attacked. And I think, that is the problem: How do you oppose anti-democratic practices and forces in society, but not become the political opposition to those leaders?
Journalisten müssen sich einem politischen Stil entgegenstellen, in dem demokratische Institutionen und Haltungen angegriffen werden. Das ist das Problem: Wie stellt man sich antidemokratischen Praktiken und Kräften entgegen, ohne eine politische Opposition zu ihren führenden Köpfen zu werden?
Nicht nur bei der „Zeit“, sondern auch in anderen Medien finden sich immer öfter rechte bis rechtsextreme Begriffe wie etwa „überfremdet“ oder eine solche Herangehensweisen an Themen. Für Medienberater Thomas Knüwer wäre es ein Anfang, wenn Journalisten sich darüber klar werden würden.
Ich glaube, wir brauchen in den Redaktionen eine Debatte über Haltung und darüber, wofür man steht. Ich glaube, wir brauchen noch viel mehr Journalisten, die sich darüber Gedanken machen, wie sich ihr Berufsstand eigentlich entwickelt.