Im Fall des vorgetäuschten Mordes am russischen Journalisten Arkadi Babtschenko in der Ukraine erkennt Journalismus-Forscher Tanjev Schultz kein Versagen der Medien. Alles habe für eine Ermordung des Journalisten gesprochen, sagte Schultz im Dlf. Wenn sich mehrere Quellen miteinander absprächen, komme man als Journalist nicht dazwischen. Gleichwohl müsse man in einem Konflikt wie dem zwischen Russland und der Ukraine stets vor Propaganda gewappnet sein. Ich habe für @mediasres im Deutschlandfunk mit Schultz gesprochen.
Monat: Mai 2018
Mehr Podcasts wagen
Der Podcast, den Stefan Schulz zusammen mit Thilo Jung anbietet, kann auch mal vier Stunden lang sein. Ich persönlich frage mich ja, wer das hört, aber offenbar ist es für einige ein stundenlanger Tagesbegleiter – ähnlich wie das Radio.
Stefan Schulz reicht das aber noch nicht. Er hat auf der Republica zusammen mit Nicolas Wöhrl, der sich „Science Communication Evangelist and Scienceprenerd-in-Charge“ nennt, einen Appell verfasst, noch mehr Podcasts zu starten.
In der Ankündigung heißt es:
Wir sind auf dem Weg vom Podcast zum Pop-Cast und sprechen über unsere Erfahrungen mit „Methodisch Inkorrekt“ und dem „Aufwachen! Podcast“. Wir reden über den Dialog mit den Hörern. Über die Interaktion der Medienkonsumenten mit den Medienmachern. Dabei interessiert uns die Meinung des Publikums: Wie werden Podcasts wahrgenommen? Welche Rolle spielen diese in der täglichen Mediendiät? Wir diskutieren die gesellschaftlichen Chancen die Podcasts bieten, wenn aus Informationsmonopolen wieder Informationspolypole werden. Wir befreien Informationen! One Podcast at a time!
Gedanken über die „Pegida-Stadt Dresden“
Mich twitterte neulich ein (anonymer) Nutzer an und kritisierte folgendes:
In Dresden? Ausgerechnet in der Stadt, die @stfries im @DLF jüngst als „Pegida-Stadt“ abqualifizierte?
Er bezog sich auf diesen Beitrag über Reconquista Internet, in dem ich die Formulierung tatsächlich so verwendet habe:
Zu Wochenbeginn machte auch eine Offline-Aktion von sich reden. Auf die Frauenkirche in der Pegida-Stadt Dresden wurde ein Text mit dem Logo von Reconquista Internet projiziert. Dort hieß es:
„Durchhalten, freundliches Dresden! Ihr seid nicht alleine! #ReconquistaInternet“
Ich ahne, aus welchem Grund die Kritik geäußert wurde, habe aber unabhängig davon trotzdem darüber nachgedacht, ob ich damit tatsächlich Dresden abqualifiziert habe.
Man kann das so deuten; intendiert war es nicht. An dieser Stelle im Beitrag ging es mir eher um Kürze. Im Radio haben wir nur begrenzt Zeit, anders als in einem Online-Beitrag. Dementsprechend zählt manchmal jedes Wort. An dieser Stelle hatte ich ursprünglich so etwas getextet wie:
Zu Wochenbeginn macht auch eine Offline-Aktion von sich reden. Auf die Frauenkirche in Dresden, wo sich seit Jahren montags die (fremdenfeindliche) Pegida-Bewegung trifft, wurde ein Text mit dem Logo von Reconquista Internet projiziert.
Wie man sieht, ist das aber etwas länger als der später tatsächlich verwendete Text. Auf der Suche nach möglichen Kürzungen ist damit eben aus Dresden die Pegida-Stadt geworden, um in diesem Kontext zu erläutern, warum die Aktion ausgerechnet dort stattgefunden hat.
Dabei ist Pegida-Stadt für mich aber keine sprachlich grundsätzlich andere Zusammensetzung als Domstadt oder Oktoberfest-Stadt oder Bankenstadt, die man auch als „Stadt der Banken“ bezeichnen könnte. Das ist sprachlich leicht anders, lässt sich in dieser Form aber für viele andere Städte finden oder konstruieren:
- Köln – Stadt der Silvesterübergriffe
- München – Stadt der Bücherverbrennung
- Mölln – Stadt des fremdenfeindlichen Anschlags
Und so weiter. In dieser Reihe hätte ich eben auch so formulieren können:
- Dresden – Stadt der Pegida-Demonstrationen
Nichts anderes ist die kürzere Form „Pegida-Stadt“. Dass Dresden damit abqualifiziert wird, liegt eher im Auge des Betrachters. Natürlich kann „die Stadt“ – ob jetzt als kommunale Gliederung, als Ort oder als Gesamtheit seiner Bewohner – wenig dazu, wie sie von solchen Begriffen vereinnahmt wird. Gegen solche Zuschreibungen kann sich niemand wirksam wehren; sie geschehen einfach. Entweder aufgrund einer Zuschreibung von Orten oder Eigenschaften oder aufgrund von positiven oder negativen Ereignissen.
Aber natürlich ist mit keinem dieser Begriffe jeweils die Gesamtheit der Bürger beschrieben. Denn in der „Pegida-Stadt“ finden natürlich auch andere Dinge statt als ausschließlich diese Demos. Genauso wie es in Köln nicht nur den Dom gibt und in Frankfurt nicht nur Banken. So viel Souveränität sollten Leser dann schon haben.
Polarisierung ist Pop
„Polarisierung ist Pop“ – das war die These von Thomas Knüwer auf der Republica 2018. Anhand von Beispielen zeigt er auf, dass selbst normalerweise harmlose Menschen heutzutage dazu neigen, sich öffentlich besonders aufsehenerregend zu äußern. Sie neigen zur Polarisierung – die werde damit populär, also Pop. Thomas konstatiert, dass sich viele Leute öffentlich seltener verhältnismäßig äußern, sondern gerne extrem übertreiben. Das sorge für Aufmerksamkeit.
Thomas stellt dar, dass es auch früher schon Polarisierung gegeben habe, und zeigt dazu einen Ausschnitt aus „Ein Herz und eine Seele“. Auch der Stammtisch von früher sei nichts anderes als eine Filterblase gewesen. Heute finde sich dagegen an sehr vielen Stellen eine Polarisierung: in fast jedem Facebook-Kommentar, in Äußerungen von Politikern, in Kommentaren von Journalisten und auch auf der Republica.
Am Ende plädiert er dafür, in der öffentlichen Diskussion etwas zurückzuschalten und weniger zu polarisieren. Damit könne man die öffentliche Debatte verbessern.
Wie der US-Botschafter im Deutschlandfunk für Aufregung (und Aufwand) sorgt
Als ich hier vor einigen Monaten etwas zum Start des Deutschlandfunk-Podcasts „Der Tag“ geschrieben habe, habe ich auch erwähnt, dass nicht nur über journalistische Inhalte gesprochen wird, sondern auch darüber, wie sie zustandekommen.
Das haben die vier Kollegen seitdem auch konsequent immer wieder gemacht. Mal mit kleineren Pannen, die nicht rausgeschnitten werden, sondern drin bleiben (ab 5:12 Min. vor Schluss), mal mit einem ausfühlicheren Blick hinter die Kulissen, auf den ich heute verweisen will.
Vorige Woche war der neue US-Botschafter in Deutschland im Deutschlandfunk-Studio. Für den Besuch von Richard Grenell war eine ganze Entourage an Sicherheitsleuten der Botschaft und des Landeskriminalamts im Einsatz. Was so ein Interview an Aufwand bedeuten, erzählen in dieser Folge „Der Tag“ Moderatorin Sandra Schulz und Doris Simon aus der Programmdirektion des Deutschlandradios. Sie berichten von einer Sicherheitsbegehung einen Tag vorher, bei der auf gefährliche Ecken geachtet wird, ein Baustellenzugang verschlossen und ein Polizist davor postiert wird und wie mit einem Background-Check auch die Moderatorin überprüft wird.
Das Interview mit Grenell gibt es hier.
ZDF zur Royal Wedding: „Eine Mischung aus Sexismus und Rassismus“
Am Samstag haben mehrere Medien Kritik auf sich gezogen, weil sie ausufernd die afroamerikanische Herkunft von Meghan Markle thematisiert haben. Die US-Schauspielerin hatte an dem Tag in England einen britischen Prinzen geheiratet.
Von „afroamerikanischem Esprit“ und „Exotik“ wurde in der ZDF-Sendung gesprochen (Zusammenschnitt bei Übermedien). Damit seien „ganz alte rassifizierende Bilder“ von schwarzen und weißen Menschen bedient worden, sagte mir die Journalistin Hadija Haruna im Deutschlandfunk. Haruna arbeitet für Fernsehen und Radio und ist Mitglied der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und der Neuen deutschen Medienmacher.
Journalisten sollten nicht ständig wiederholen, was sie eigentlich anprangern wollen
Es hat etwas Widersprüchliches, wie sich manche öffentlich über Rassismus, Sexismus, Homophobie, Menschenfeindlichkeit allgemein aufregen, während sie sie gleichzeitig weiterverbreiten. Wenn die Empörung über die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, jetzt auch berechtigt ist und sie sich dagegen wehrt, so hat sie doch ihr Ziel erreicht. Denn das, was sie im Bundestag gesagt hat, wird in der Öffentlichkeit wieder und wieder erwähnt und damit immer weiter verbreitet.
Damit wiederholt sich, was mich schon bei der Berichterstattung über die rassistischen Äußerungen von AfD-Politiker André Poggenburg bei seiner Aschermittwochsrede gestört hat. Nicht nur bei der ersten Empörung und der Kritik daran wurden die ursprünglichen Äußerungen in einem Großteil der Fälle erneut zitiert. Sie erledigen damit genau das, das die AfD möchte:
Erstens werden die Äußerungen damit viel stärker verbreitet als die AfD das selbst auf ihren Kanälen könnte.
Zweitens weisen die AfD-Politiker auf angebliche Missverständnisse und falsche Auslegungen hin, wie jetzt auch wieder Alice Weidel, während sie selbst Falschinformationen über die Rüge verbreitet.
Drittens kann man sich gleich wieder über eine angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit beschweren.
Natürlich ist es wichtig, solche Äußerungen publik zu machen und sie zu zitieren, um sie zu skandalisieren. Aber müssen wir Journalisten das bei jeder weiteren Erwähnung des Falls tun? Reicht es nicht, wenn wir später paraphrasieren oder einordnen? Etwa so:
„Poggenburg hatte sich beim Politischen Aschermittwoch rassistisch geäußert.“
oder
„Weidel war für eine diskriminierende Äußerung von Bundestagspräsident Schäuble zur Ordnung gerufen worden.“
oder
„Bundestagspräsident Schäuble hatte Weidel wegen einer diskriminierenden Äußerung zur Ordnung gerufen.“
Andernfalls drängen wir jedem Nutzer die Äußerungen immer und immer wieder auf – über Tage hinweg – und bedienen das Narrativ der AfD.
Die taz hat das Problem übrigens zumindest für sich gelöst. Sie schreibt heute:
Was genau die AfD-Fraktionsvorsitzende an Hass und Vorurteilen von sich gegegen hat, entnehmen Sie bitte anderen Medien.
Weiter Kritik an „Reconquista Internet“
Jan Böhmermann und sein Projekt „Reconquista Internet“ haben seit meinem Beitrag neulich weiter für Kritik gesorgt. Für „Studio 9 – Der Tag mit…“ Anke Domscheit-Berg in Deutschlandfunk Kultur habe ich noch mal den aktuellen Stand zusammengefasst (in diesem Audio ab -6:54 Min., also 6:54 Min. vor Ende des gesamten Audios).
Die parteilose Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg hat die Aktion anschließend im Interview verteidigt.
t-online stellt Umfrageergebnisse vorbildlich dar
Vorgestern habe ich hier eine Umfrage zu den öffentlich-rechtlichen Sendern kritisiert, weil die Frage dazu einem Teil der Teilnehmer suggestiv gestellt worden war. Civey hat damals auf dem Twitter-Account reagiert, was ich grundsätzlich gut finde, auch wenn die Antworten nicht ganz zufriedenstellend waren.
Was ich bei Civey auch gerne lobe, ist die Tatsache, dass die Fragestellung immer transparent ist. Während viele Umfragen, wenn sie veröffentlicht werden, eher aus Interpretation bestehen, wird bei Civey auch dort, wo die Ergebnisse vorgestellt werden, fast immer deutlich, welches die Fragestellung war. Warum die so wichtig ist, habe ich ebenfalls hier erläutert. Das ist auch der Grund, warum der Pressekodex fordert, dass die Fragestellung genannt wird, wenn Ergebnisse präsentiert werden:
Bei der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen teilt die Presse die Zahl der Befragten, den Zeitpunkt der Befragung, den Auftraggeber sowie die Fragestellung mit.
Bei einer Umfrage, die t-online.de gestern veröffentlichte, fehlte in der ersten Textfassung zu den Ergebnissen genau diese Fragestellung.
Diese hat Chefredakteur Florian Harms jedoch nach einer Nachfrage dankenswerterweise ergänzt. Jetzt heißt es dort:
In der Studie sollten die Befragten angeben, inwiefern sie den politischen gesellschaftlichen und politischen Institutionen „ganz allgemein vertrauen oder nicht vertrauen.“ Dabei konnten sie zwischen den Antwortmöglichkeiten „Sehr großes Vertrauen“, „Eher großes Vertrauen“, „Eher geringes Vertrauen“ und „Überhaupt kein Vertrauen“ wählen.
Womöglich hat das zu einem Sinneswandel in der Redaktion geführt. In einer weiteren Umfrage, die t-online heute veröffentlicht, heißt es jetzt sogar noch ausdrücklicher:
Die gestellte Frage lautete: Wie bewerten Sie, dass sich die deutschen Nationalspieler Özil und Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Erdogan getroffen haben?
Diese Umfrage wurde von Civey durchgeführt, die dabei auch wieder die Antwortmöglichkeiten angeben:
- völlig akzeptabel
- eher akzeptabel
- unentschieden
- eher inakzeptabel
- völlig inakzeptabel
Das ist auch eine vernünftige Skalierung, die nicht zulasten einer Seite ausschlägt. Auch das Ergebnis lässt sich differenziert anzeigen – alternativ zusammenfassend für „akzeptabel“ bzw. „nicht akzeptabel“ (die ersten beiden bzw. letzten beiden Antwortmöglichkeiten).
Unabhängig vom Thema und meiner üblichen Kritik an Umfragen im Allgemeinen kommt die Redaktion hier ihrer Verpflichtung laut Pressekodex nach und geht mit den Antwortmöglichkeiten sogar darüber hinaus. Das ist vorbildlich, weil es ermöglicht, ohne größeren Aufwand über die Plausbilität und die Aussagekraft der Umfrage zu diskutieren. So sollte es sein.
Über Hass und Hetze, die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen und Datenschutz im Netz
Fast zwei Wochen sind Republica und Media Convention Berlin inzwischen her. Zwischen all den Panels, Interviews und der Betreuung von zwei @mediasres-Sendungen bin ich mal wieder längst nicht dazu gekommen, mir alles live anzusehen. Zum Glück kann man die meisten Vorträge und Diskussionsrunden bei YouTube nachsehen. Die @mediasres-Sendungen kann man wiederum hier noch mal nachlesen und nachhören:
Michael Borgers hat zum Auftakt über die Themen der Republica geschrieben.
ZDF-Moderatorin Dunja Hayali hat Sender und Verlage dazu aufgerufen, sich mehr um Hass gegen ihre Mitarbeiter zu kümmern.
rbb-Intendantin Patricia Schlesinger hat die Sparvorschläge von ARD, ZDF und Deutschlandradio verteidigt. Mehr sparen könne man nur, wenn man ans Programm gehe.
Der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink hat erklärt, wie seine Behörde arbeitet – besonders angesichts der Datenschutzgrundverordnung, die in zwei Wochen vollständig gelten wird.
Republica-Mitgründer Markus Beckedahl hat verteidigt, dass die Bundeswehr auf der Messe keinen Stand zur Rekrutierung bekommen hat.
Die österreichische Journalistin Ingrid Brodnig, die sich vor allem mit Hass und Hetze im Netz beschäftigt, hat erklärt, warum die Rechten dort so hip sind. Und Zeit-online-Redakteur Philipp Faigle hat erläutert, warum man nicht nur mit den Leuten reden sollten, die der gleichen Meinung wie man selbst sind.
Die ganze Sendung vom Mittwoch mit Moderator Christoph Sterz kann man hier nachhören, die Sendung vom Donnerstag mit Antje Allroggen hier.
Außerdem habe ich für die Informationen am Morgen im Deutschlandfunk berichtet und für Töne, Texte, Bilder bei WDR5.