Was Aydan Özoğuz wirklich geschrieben hat

Journalismus neigt zur Verkürzung. Das ist notwendig und gewisser Weise auch seine Aufgabe. Würde man bei einer Weiterentwicklung eines Themas immer wieder die komplette Vorgeschichte erzählen, würden die Berichte ausufern.

Die Verkürzung sorgt aber auch gelegentlich dafür, dass wichtiger Kontext verloren geht – und die Kernaussage damit verfälscht wird oder falsch wahrgenommen werden kann.

Passiert ist das gerade wieder bei der Diskussion über die Äußerungen von AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland. So beschreibt etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung (online), wie sich Gauland über folgende Äußerung der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, ereifert. Die FAZ zitiert Özoğuz‘ Äußerung aus dem „Tagesspiegel“ wie folgt:

Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.

Und über die Reaktion Gaulands heißt es in der FAZ:

Gauland kommentierte die Äußerung so: „Das sagt eine Deutsch-Türkin. Ladet sie mal ins Eichsfeld ein, und sagt ihr dann, was spezifisch deutsche Kultur ist. Danach kommt sie hier nie wieder her, und wir werden sie dann auch, Gott sei Dank, in Anatolien entsorgen können.“ Es folgten Applaus und vereinzelte Jubelrufe des Publikums.

Es soll hier nicht darum gehen, wie verachtungswürdig Gaulands Aussage über Özoğuz ist oder wie kritikwürdig Özoğuz‘ Text, sondern um den fehlenden Kontext. Denn Özoğuz hat freilich noch mehr als den zitierten Satz geschrieben, und zwar:

Deutschland ist vielfältig und das ist manchen zu kompliziert. Im Wechsel der Jahreszeiten wird deshalb eine Leitkultur eingefordert, die für Ordnung und Orientierung sorgen soll. Sobald diese Leitkultur aber inhaltlich gefüllt wird, gleitet die Debatte ins Lächerliche und Absurde, die Vorschläge verkommen zum Klischee des Deutschsein. Kein Wunder, denn eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar. Schon historisch haben eher regionale Kulturen, haben Einwanderung und Vielfalt unsere Geschichte geprägt. Globalisierung und Pluralisierung von Lebenswelten führen zu einer weiteren Vervielfältigung von Vielfalt.

Özoğuz behauptet also gar nicht, wie die Verkürzung in Medien und durch Gauland nahelegt, dass es in Deutschland keine Kultur gebe, sondern sie sieht eher regionale Traditionen als entscheidend für die deutsche Kultur an.

Über diese Ansicht kann man streiten. Gauland und in Folge leider auch viele Medien verkürzen Özoğuz‘ Aussage allerdings sinnentstellend.