FAZ hantiert mit AfD-Begriff für öffentlich-rechtliche Sender

Nur weil es die AfD ist, die das öffentliche Fernsehen mit dem Kampfbegriff „Staatsfunk“ schmäht, muss die Kritik an der Staatsnähe ja nicht falsch sein…

schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung gestern in einem Artikel über mögliche Beitragserhöhungen bei ARD und ZDF.

Das hat eine gewisse Ironie.

Ist es doch die FAS selbst genauso wie die FAZ, die die Sender schon seit Längerem auf diese Weise schmähen. Beweis? Direkt im selben Artikel, in einer dazugehörigen Grafik (hier der Link zu einer Kurzfassung, online findet sich die Grafik nicht):

rundfunk

Diese Schmähung (so die Autoren Rainer Hank und Georg Meck) ist kein Einzelfall oder gar ein Versehen. Die FAZ weiß schließlich, dass es in Deutschland keinen staatlichen Rundfunk, Staatsrundfunk oder „Staatsfunk“ gibt. Trotzdem verwendet sie den Begriff immer wieder, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu diskreditieren – vor allem dann, wenn ihr die eigentlichen Argumente ausgehen.

Am 3. Juli zum Beispiel schreibt sie:

Trotz großer Anstrengungen und jährlich 8 Milliarden (!) Euro wird das Publikum des ersten und des zweiten Staatssenders immer älter.

Und weiter heißt es:

Nicht nur, weil dann die heute schon international einmalig hohen Zwangsabgaben ins Unerträgliche steigen dürften. Sondern vor allem, weil die dann politisch verflochtenen Staatsmedien ihre Unabhängigkeit verlören. Wer entschiede darüber, für welche Inhalte es Geld vom Staat gibt?

Nun kann man zusätzlich darüber streiten, ob die „Zwangsabgaben“ tatsächlich international so einmalig hoch sind, aber dafür hat Holger Steltzner für die Formulierung auch einen Superlativ gewählt, der kaum angreifbar ist.

In einem Kommentar vom 11. Juli nennt der Teaser die ARD indirekt staatlich:

Die ARD würde online gern alles machen, auch das, was die vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften leisten.

Und Michael Hanfeld im Artikel selbst:

Setzen sich die Emmissäre der ARD mit ihrer Haltung durch, brechen für die vom Staat unabhängige Presse noch härtere Zeiten an.

Am 28. Juni 2016 hieß es:

Wie ist das alles mit dem Programm- und Bildungsauftrag der Staatssender zu vereinbaren?

Und das sind nur die Beispiele, die sich im Netz finden lassen; nicht jeder Artikel aus der gedruckten Ausgabe schafft es auch dorthin.

Im Mai leistete sich die Redaktion dann noch einen merkwürdigen Artikel. Eine Woche vor der NRW-Landtagswahl erschien ein Kommentar von Andreas Rossmann. Dort kritisierte Rossmann das Musikprogramm von WDR2 und lieferte dazu zunächst größtenteils sachliche Argumente, aus denen er folgende Schlussfolgerung zog:

Wer WDR 2 einschaltet, kann sich sicher fühlen vor Unbekanntem, Inspirierendem, Fremdem. Hier gibt es Anstiftungen zur Langeweile. Der Hörer wird in dem Eindruck bestärkt, dass es immer so weitergeht, sich nichts verändert, alles wiederkommt.

Dann aber wird es absurd, als er insinuierte, der WDR werde auch in seinem Musikprogramm direkt oder indirekt von der rot-grünen Landesregierung gelenkt:

So reflektiert die „Informationsleitwelle“ des Westdeutschen Rundfunks die Stagnation in Nordrhein-Westfalen, steht für das Land und eine Politik, die nicht vorankommt, die damit ausgelastet ist, den Stau zu verwalten (den auf den Straßen und den in den Strukturen) und sich einzurichten in Verhältnissen, die von maroden Brücken und Bahnhöfen, von Schulden und Reformunfähigkeit blockiert sind. Und dabei alle Bürger – auch darin sind die Mehrheitspartei und der Sender auf einer Welle – mitnehmen möchte: Unter dem Motto „NRWIR“ tritt SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft zur Wahl am 14. Mai an, als wäre die Partei mit dem Bundesland, das sie regiert, verschmolzen, und „Wir sind der Westen“, der Slogan des Senders, gibt das Echo darauf. Auf WDR 2 läuft der Sound, der die rot-grüne Landespolitik nicht nur begleitet, sondern sanktioniert. Ein Programm, das so selbstverständlich und einfältig konform geht, dass sich die Frage der Staatsferne erst gar nicht stellt.

Nun steht es der FAZ natürlich frei, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausdrücklich als staatsnah zu kritisieren – wenn sie das dezidiert tun. Indem sie aber immer wieder die Begriffe „staatlicher Rundfunk“, „Staatsrundfunk“, „Staatssender“ usw. ganz selbstverständlich so verwenden, als sei das eine Beschreibung von Tatsachen, verlassen sie die Ebene der Meinungsäußerung.

Es handelt sich in der Permanenz dieser Zuschreibungen vielmehr um eine Kampagne gegen die öffentlich-rechtlichen Medien. Dass die FAZ diese grundsätzlich kritisch sieht, ist kein Geheimnis. Herausgeber Holger Steltzner äußert diese Kritik im bereits zitierten Kommentar ausdrücklich:

Zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehört der Wettbewerb von Medien, auch zum Schutz vor Manipulation und Desinformation. Wie in anderen Branchen müssen allerdings auch im Medienbereich für die Marktteilnehmer dieselben Regeln gelten, damit der Wettbewerb funktioniert. Das ist nicht der Fall, wenn ARD und ZDF im Internet durch ihre mit Zwangsgebühren finanzierten digitalen Zeitungen privaten Verlagen das Leben schwer machen oder wenn Internetkonzerne mit ihrer Marktdominanz geltendes Recht aushebeln.

Dass diese Meinung nicht nur Verlagspolitik ist, sondern immer wieder auch auf die journalistischen Artikel durchschlägt, zeigt: Die Medienberichterstattung der FAZ ist nicht unabhängig, sondern offenbar vom Interesse des Verlags geleitet. Zumindest ist sie deckungsgleich mit dessen Haltung.

Dass die Redaktion ihre Unabhängigkeit vom Verlag zugunsten einer Kampagne gegen die öffentlich-rechtlichen Sender aufgibt, hat eine gewisse Ironie, wirft sie den Sendern doch gleichermaßen vor, abhängig zu sein – nämlich vom Staat.

Das ist mit der notwendigen inneren Pressefreiheit nicht zu vereinbaren. Die Redaktion macht sich zum Handlanger des Verlags. Journalismus ist das nicht.

Offenlegung: Ich bin freier Mitarbeiter vor allem der beiden öffentlich-rechtlichen Sender WDR und Deutschlandfunk.

Nachtrag, 21. August, 18.25 Uhr:

@mediasres-Kollegin Brigitte Baetz hat den lieben Kollegen von der FAZ einen offenen Liebesbrief geschrieben.

6 Gedanken zu „FAZ hantiert mit AfD-Begriff für öffentlich-rechtliche Sender“

  1. Warum gibt es die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten?
    Weil es ein staatliches Gesetz so will.

    Was ist ihre Finanzierungsgrundlage?
    Ein staatliches Gesetz.

    Wer entscheidet über die konkrete Höhe ihrer Finanzierung?
    Ein staatliches Gremium.

    Was sind die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten also?
    Staatsfunk.

    Da gibt es doch überhaupt keinen Zweifel. Der Begriff ist korrekt. Er sagt ja nicht aus, dass ARD & ZDF unter der Fuchtel der Regierung stehen. Es gibt schon noch einen Unterschied zwischen Staat und Regierung.

    1. Warum gibt es die privaten Rundfunkanstalten?
      Weil es ein staatliches Gesetz so will. Vieles wird in Deutschland durch Gesetze ermöglicht, das sagt erst mal gar nichts.

      Was die Finanzierung angeht, wird sie tatsächlich von Gremien in die Wege geleitet. Aber finanziert wird der Rundfunk schließlich von den Bürgern – das ist schon ein entscheidender Unterschied zu Steuern. Das heißt, es gibt keinen direkten Durchgriff der Politik – und vor allem nicht einzelner Parteien, weil viele Gremien mit Vertretern aller Bundesländer besetzt sind, die sehr vielen Parteien angehören. Das heißt, eine Partei kann nicht konkret Druck ausüben. Der Fall Brender durch Roland Koch war natürlich so einer, da sind die Grundlagen jetzt aber ja geändert worden.

      Es gibt übrigens einen Staatsrundfunk. In Russland zum Beispiel, in Griechenland, in vielen anderen Ländern. Da hat die Regierung großen Einfluss. Das ist in Deutschland nicht so. Das Konstrukt ist eben kein Staatsrundfunk, und das weiß die FAZ ganz genau, die eine Kampagne gegen die öffentlich-rechtlichen Anstalten führt. Sie nutzt es als Kampfbegriff.

  2. Warum gibt es die privaten Rundfunkanstalten
    Weil es ein staatliches Gesetz so will.

    Nein, natürlich nicht. Keine einzige private Rundfunkanstalt ist entstanden, weil es ein Gesetz befohlen hat. Aber natürlich gibt es Gesetze, die alles Mögliche regulieren, z.B. Bankgeschäfte, Privatradios, Dosenpfand. Das bedeutet nicht, dass z.B. Dosen staatlich sind. Gesetze regeln nun mal unser Leben. Das bedeutet doch nun wirklich nicht, dass alles staatlich ist!

    Aber finanziert wird der Rundfunk schließlich von den Bürgern – das ist schon ein entscheidender Unterschied zu Steuern.

    Machen die Bürger das freiwillig? Nein. Sie werden durch das Gewaltmonopol des Staates dazu gezwungen. Also: Staatsfunk.
    (Übrigens: Der Rundfunk wird keinesfalls nur von Bürgern bezahlt. Auch Unternehmen und andere Einrichtungen zahlen Rundfunkbeitrag.)

    Es bringt doch nichts, gegen eine offensichtliche Tatsache zu argumentieren. Die Existenz von ARD & ZDF ist staatlich gewollt, ihre rechtliche Struktur ist staatlich bestimmt, ihre Finanzierung ist staatlich abgesichert.

  3. Sehr amüsanter Artikel, cui bono? Hat sich die Öffentlich Rundfunkshand für ein bisschen Kleingeld ein bisschen positive Propaganda eingekauft? Billiger als Plakatwerbung und Print- Anzeigen, oder? Weniger verwerflich und im Zweifel ist jede Beteiligung am Inhalt schön leicht abstreitbar.

  4. Ich wollte damit nur sagen, dass Gesetze etwas ermöglichen, ohne dass der Staat anschließend daran beteiligt ist oder Einfluss darauf nimmt. Natürlich sind die öffentlich-rechtlichen Sender keine normalen Wirtschaftsunternehmen, das können sie aufgrund ihrer Natur nicht sein.

    Aber es gibt keinen Einfluss auf die Berichterstattung, wie sich das Klein-Fritzchen von seinem eigenen Unternehmen vorstellt, wo der Chef alles bestimmen kann. Das geht bei den Sendern nicht, da entscheidet jede Redaktion selbst, was sie wie berichtet. Man nennt das innere Pressefreiheit – ein schwer zu vermittelndes Konstrukt, eben weil es ungewöhnlich ist. Es bedeutet aber, dass mir kein Chef vorschreiben kann, worüber ich berichte. Und wenn er es versucht, gehen Personalrat und Redakteursvertretung dagegen vor. Leider reicht die Vorstellungskraft mancher Menschen nicht so weit, von ihren eigenen Erfahrungen in einem nach marktwirtschaftlichen Regeln geführten Unternehmen abstrahieren zu können.

    Im Übrigen würde ich den Begriff Staat schon deshalb nicht verwenden, weil er sehr vage ist. Wer ist denn „der Staat“? Das sind wir alle. Die Gesamtheit der Bürger, vertreten durch Abgeordnete, die Regierungen wählen – und zwar freiwillig. Dass daraus dann verbindliche Entscheidungen hervorgehen, liegt in der Natur der Sache – und der Einzelne muss dann auch mal was machen, was er nicht möchte.

    Staatsfunk ist ein Rundfunk, der vom Staat gelenkt wird. Die öffentlich-rechtlichen Sender wurden von Abgeordneten ins Leben gerufen, aber gelenkt werden sie nicht.

    Lustig übrigens, dass Leute, die glauben, eine eigene ungewöhnliche Meinung zu vertreten, das nur für sich in Anspruch nehmen, aber bei anderen immer glauben, sie seien gekauft. :-)

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