NDR-Rundfunkrat gibt sich mehr Macht bei Beschwerden

Wer sich über das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender beschweren will, dem wird es nicht leicht gemacht. Das lässt sich schon daran ablesen, dass die Rundfunkräte 2023 (die letzten erhobenen Zahlen) nur fünf Beschwerden stattgegeben haben. Meine ganze Recherche dazu findet sich hier.

Dass sie auch nur 98 der insgesamt 708 eingegangenen Beschwerden überhaupt behandelt haben, liegt an den jeweiligen Regeln, wie die Sender und Rundfunkräte mit Programmbeschwerden umzugehen haben. Denn sie müssen sie immer zuerst der Intendantin bzw. dem Intendanten vorlegen. Räumt dieser die Kritik ab und meldet sich der Beschwerdeführer nicht mehr zurück, kann i.d.R. auch der Rundfunkrat selbst keine Kritik mehr üben.

Beim Norddeutschen Rundfunk soll das in Zukunft anders laufen. Dazu hat der Rundfunkrat seine Geschäftsordnung überarbeitet. Der Vorsitzende Nico Fickinger sagte laut Pressemitteilung:

„Das Gremium kann künftig seine Kritik an einem Angebot auch unabhängig von einer Programmbeschwerde und den darin beanstandeten Punkten deutlich machen und dazu entsprechende Erwartungen, Hinweise und Empfehlungen an den Intendanten oder die Intendantin formulieren. Das erweitert den Handlungsspielraum des Rundfunkrats spürbar, weil er jetzt auch unterhalb der Aufgreifschwelle einer Staatsvertragsverletzung Kritik äußern kann.“

Tatsächlich war es der NDR-Rundfunkrat, bei dem es im vorigen Jahr einen der seltenen Fälle gab, in denen einer Beschwerde stattgegeben wurde. Allerdings wird die Änderungen auf diese Zahl vermutlich keine Auswirkungen haben, denn es geht ja nicht darum, den Nutzern mehr Rechte zu geben. Allerdings wurden dem Rat durch die Regeln bisher auch oft eigene Instrumente aus der Hand genommen, Kritik zu üben.

rbb-Intendantin legt Bericht über Beschwerden vor

In der vergangenen Woche hat die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), Ulrike Demmer, dem Rundfunkrat erstmals ihren Bericht über Beschwerden vorgelegt. Mit Inkrafttreten des neuen rbb-Staatsvertrags im Januar ist sie verpflichtet, halbjährlich Bericht zu erstatten über beschiedene Programmbeschwerden und sonstige Kritik und Eingaben an den Sender. Nach Vorstellung im Rundfunkrat soll der Bericht auch veröffentlicht werden.

Nun wurde er vorige Woche vorgestellt, veröffentlicht aber noch nicht. Nach Angaben der rbb-Pressestelle und der Geschäftsstelle des rbb-Rundfunkrats soll das in dieser Woche passieren. Deswegen konnten wir im Medienmagazin von Radio Eins, wo ich am Samstag über Programmbeschwerden berichtet habe, noch nicht über Details sprechen. Ich hoffe, im Bericht steht ein wenig mehr als die paar Worte, die Ulrike Demmer im Rundfunkrat verloren hat.

Jahresbilanz: 708 Beschwerden über ARD, ZDF und Deutschlandradio

Die Rundfunkräte sollen das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender kontrollieren und über Beschwerden entscheiden. Doch nur äußerst selten rügen sie die Anstalten für Verstöße. Meine Recherchen fürs Deutschlandfunk-Medienmagazin @mediasres zeigen: Das hat System.

Bei den Rundfunkräten von ARD, ZDF und Deutschlandradio sind nach Recherchen des Deutschlandfunks im vergangenen Jahr insgesamt 708 förmliche Programmbeschwerden eingegangen.

Eine solche Beschwerde können Nutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einreichen, wenn sie Programmgrundsätze verletzt sehen. Eine Entscheidung darüber treffen die Rundfunkräte. Sie gaben im vergangenen Jahr fünf Beschwerden zu zwei Sendungen statt. Drei davon betrafen als menschenverachtend eingestufte Formulierungen eines SWR-Korrespondenten, zwei eine satirische Darstellung im ZDF Magazin Royale.

Weil nicht alle Rundfunkräte und Sender über Programmbeschwerden Auskunft geben, ist die Datenlage lückenhaft. Soweit feststellbar, gab es die meisten Beschwerden im Jahr 2023 zu einer Folge des ZDF-Podcasts „Lanz & Precht“, in dem die beiden Gesprächspartner antisemitische Stereotype verbreitet hatten. Auf den Plätzen 2 und 3 folgten Angebote der Tagesschau-Redaktion und mehrere Ausgaben des ZDF-Magazin Royale.

93 Beschwerden lehnten die Rundfunkräte ab. Sie bekommen aber nur einen Teil aller Programmbeschwerden vorgelegt. Zunächst dürfen die Intendanten antworten und räumen dabei teils bereits Defizite ein. In wie vielen Fällen, ließ sich mangels Auskunft für die meisten Sender nicht ermitteln. Nur wenn die Beschwerdeführer teils mehrmals widersprechen, beraten auch die Rundfunkräte. Wird einer Programmbeschwerde stattgegeben, wird die Sendung korrigiert oder depubliziert. Doch auch abgelehnte Beschwerden führen oft zu kleineren Änderungen.

Die Ergebnisse meiner Recherche in voller Länge gibt es hier.