Wer sich über das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender beschweren will, dem wird es nicht leicht gemacht. Das lässt sich schon daran ablesen, dass die Rundfunkräte 2023 (die letzten erhobenen Zahlen) nur fünf Beschwerden stattgegeben haben. Meine ganze Recherche dazu findet sich hier.
Dass sie auch nur 98 der insgesamt 708 eingegangenen Beschwerden überhaupt behandelt haben, liegt an den jeweiligen Regeln, wie die Sender und Rundfunkräte mit Programmbeschwerden umzugehen haben. Denn sie müssen sie immer zuerst der Intendantin bzw. dem Intendanten vorlegen. Räumt dieser die Kritik ab und meldet sich der Beschwerdeführer nicht mehr zurück, kann i.d.R. auch der Rundfunkrat selbst keine Kritik mehr üben.
Beim Norddeutschen Rundfunk soll das in Zukunft anders laufen. Dazu hat der Rundfunkrat seine Geschäftsordnung überarbeitet. Der Vorsitzende Nico Fickinger sagte laut Pressemitteilung:
„Das Gremium kann künftig seine Kritik an einem Angebot auch unabhängig von einer Programmbeschwerde und den darin beanstandeten Punkten deutlich machen und dazu entsprechende Erwartungen, Hinweise und Empfehlungen an den Intendanten oder die Intendantin formulieren. Das erweitert den Handlungsspielraum des Rundfunkrats spürbar, weil er jetzt auch unterhalb der Aufgreifschwelle einer Staatsvertragsverletzung Kritik äußern kann.“
Tatsächlich war es der NDR-Rundfunkrat, bei dem es im vorigen Jahr einen der seltenen Fälle gab, in denen einer Beschwerde stattgegeben wurde. Allerdings wird die Änderungen auf diese Zahl vermutlich keine Auswirkungen haben, denn es geht ja nicht darum, den Nutzern mehr Rechte zu geben. Allerdings wurden dem Rat durch die Regeln bisher auch oft eigene Instrumente aus der Hand genommen, Kritik zu üben.
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hat elf der zwölf förmlichen Programmbeschwerden zurückgewiesen, die ihn im ersten Halbjahr 2024 erreicht haben. Das steht im ersten Halbjahresbericht der Intendantin (PDF) , den der Sender Mitte November veröffentlicht hat.
Vier der Beschwerden richteten sich demnach gegen die rbb24-Sendung „Abendschau“. In einem Fall sei moniert worden, dass für einen Beitrag über eine Demonstration ein Kind zur AfD befragt worden sei, die Berichterstattung sei unsachlich und nicht unabhängig gewesen. Laut rbb wurde das Kind aber nicht zur AfD, sondern zu seinen Gefühlen zu den Plänen zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund befragt worden – mit Zustimmung der Eltern. In einem weiteren Beitrag ging es um die betrügerische Masche durch sogenannte „falsche Väter“ in der Abendschau sowie im rbb-Politmagazin „Kontraste“. Auch hier sah der rbb keinen Grund für die Programmbeschwerde und wies sie ab.
Kritisiert wurde laut dem Bericht auch eine Moderation in der Spätausgabe der Sendung „rbb24 aktuell“ vom März. Dort habe der Moderator gesagt, dass der Frauentag in Berlin ein gesetzlicher Feiertag sei, „in Brandenburg noch nicht“. Diese Formulierung sei eine parteipolitische Stellungnahme und eine indirekte Unterstützung der Position der Partei Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag. Über deren Forderung war in der Spätausgabe aber nicht berichtet worden, so dass der Begriff „noch“ nach einer eigenen Stellungnahme geklungen habe. Im Bericht heißt es:
„Der rbb räumte ein, dass es an dieser Stelle besser gewesen wäre, die Position der Grünen erneut zu erwähnen oder das Wort ‚noch‘ zu streichen. Dennoch stellt dies keine Verletzung der journalistischen Grundsätze dar, da die Berichterstattung insgesamt ausgewogen und neutral war.“
In einem Fall erkannte die Intendantin zwar einen Fehler, weil im rbb-Videotext fälschlich von der „Landtagsverwaltung“ die Rede war, obwohl es um die „Landkreisverwaltung“ ging. Sie wies die Beschwerde aber dennoch zurück – unter Berufung darauf, dass Medien Meldungen von Nachrichtenagenturen ungeprüft übernehmen dürften.
Teilweise anerkannt wurde dagegen eine Beschwerde über eine Falschaussage eines Reporters. Er hatte gesagt, dass die Technische Universität in einem bestimmten Fall bis 17 Uhr kein öffentliches Statement abgegeben habe, dabei sei dieses um 16.58 Uhr gekommen. Der rbb sprach von einer missverständlichen Äußerung.
Wenig Transparenz über Programmbeschwerden
Im Detail nachzuprüfen sind die Vorwürfe von Nutzerinnen und Nutzern gegenüber dem Sender nicht, denn dieser veröffentlicht sie nicht im Wortlaut, sondern paraphrasiert sie nur. Ob sich die Beschwerdeführer also korrekt wiedergegeben fühlen, können wir nicht wissen. Allerdings steht ihnen die Möglichkeit offen, gegen einen Bescheid der Intendantin Beschwerde einzulegen, so dass sich der Rundfunkrat mit der Beschwerde befassen muss.
Der rbb hatte den Bericht wochenlang zurückgehalten, obwohl er dem neuen Staatsvertrag zufolge zur Veröffentlichung verpflichtet ist. Der nennt zwar keine genaue Frist, allerdings soll der Bericht veröffentlicht werden, nachdem er dem Rundfunkrat zugeleitet und dort von der Intendantin vorgestellt worden ist. Ulrike Demmer hatte den Bericht bereits am 10. Oktober vorgestellt, wenn auch nur in groben Zügen, die Veröffentlichung ließ aber auf sich warten, während es zwischenzeitlich eine weitere Sitzung des Rundfunkrats gegeben hatte.
Dass solch ein Bericht veröffentlicht wird, ist ein Fortschritt. Denn viele öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland verschweigen, über welche Sendungen sich Nutzer bei ihnen beschwert haben. Nicht alle sind per Gesetz oder Staatsvertrag zur Transparenz verpflichtet – wie auch erst seit Anfang des Jahres der rbb.
Nur wenige Beschwerden landen im Rundfunkrat
Auch die Rundfunkräte der meisten Sender sind nicht transparenter. Sie sind der offizielle Adressat für offizielle Programmbeschwerden, die sie aber zunächst in allen Fällen an die Intendanz weiterleiten müssen. Erst wenn die Beschwerdeführer mit deren Antwort nicht zufrieden sind, entscheiden auch die Rundfunkräte inhaltlich über die Beschwerden. Das System führt dazu, dass im Jahr 2023 von den insgesamt 708 gezählten Programmbeschwerden nur 98 von den Mitgliedern der Rundfunkräte geprüft wurden; lediglich fünf wurde stattgegeben, die sich auf zwei Sendungen bezogen. Im rbb-Rundfunkrat wurde im vorigen Jahr nur eine einzige Beschwerde behandelt, die abgewiesen wurde.
In der vergangenen Woche hat die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), Ulrike Demmer, dem Rundfunkrat erstmals ihren Bericht über Beschwerden vorgelegt. Mit Inkrafttreten des neuen rbb-Staatsvertrags im Januar ist sie verpflichtet, halbjährlich Bericht zu erstatten über beschiedene Programmbeschwerden und sonstige Kritik und Eingaben an den Sender. Nach Vorstellung im Rundfunkrat soll der Bericht auch veröffentlicht werden.
Nun wurde er vorige Woche vorgestellt, veröffentlicht aber noch nicht. Nach Angaben der rbb-Pressestelle und der Geschäftsstelle des rbb-Rundfunkrats soll das in dieser Woche passieren. Deswegen konnten wir im Medienmagazin von Radio Eins, wo ich am Samstag über Programmbeschwerden berichtet habe, noch nicht über Details sprechen. Ich hoffe, im Bericht steht ein wenig mehr als die paar Worte, die Ulrike Demmer im Rundfunkrat verloren hat.
Die Rundfunkräte sollen das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender kontrollieren und über Beschwerden entscheiden. Doch nur äußerst selten rügen sie die Anstalten für Verstöße. Meine Recherchen fürs Deutschlandfunk-Medienmagazin @mediasres zeigen: Das hat System.
Bei den Rundfunkräten von ARD, ZDF und Deutschlandradio sind nach Recherchen des Deutschlandfunks im vergangenen Jahr insgesamt 708 förmliche Programmbeschwerden eingegangen.
Eine solche Beschwerde können Nutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einreichen, wenn sie Programmgrundsätze verletzt sehen. Eine Entscheidung darüber treffen die Rundfunkräte. Sie gaben im vergangenen Jahr fünf Beschwerden zu zwei Sendungen statt. Drei davon betrafen als menschenverachtend eingestufte Formulierungen eines SWR-Korrespondenten, zwei eine satirische Darstellung im ZDF Magazin Royale.
Weil nicht alle Rundfunkräte und Sender über Programmbeschwerden Auskunft geben, ist die Datenlage lückenhaft. Soweit feststellbar, gab es die meisten Beschwerden im Jahr 2023 zu einer Folge des ZDF-Podcasts „Lanz & Precht“, in dem die beiden Gesprächspartner antisemitische Stereotype verbreitet hatten. Auf den Plätzen 2 und 3 folgten Angebote der Tagesschau-Redaktion und mehrere Ausgaben des ZDF-Magazin Royale.
93 Beschwerden lehnten die Rundfunkräte ab. Sie bekommen aber nur einen Teil aller Programmbeschwerden vorgelegt. Zunächst dürfen die Intendanten antworten und räumen dabei teils bereits Defizite ein. In wie vielen Fällen, ließ sich mangels Auskunft für die meisten Sender nicht ermitteln. Nur wenn die Beschwerdeführer teils mehrmals widersprechen, beraten auch die Rundfunkräte. Wird einer Programmbeschwerde stattgegeben, wird die Sendung korrigiert oder depubliziert. Doch auch abgelehnte Beschwerden führen oft zu kleineren Änderungen.
Die Ergebnisse meiner Recherche in voller Länge gibt es hier.