Die US-Präsidentschaftswahl ist jetzt eine Woche her – und der Wahlsieg von Donald Trump bereitet auch Journalistinnen und Journalisten Sorgen. Trump hatte sie nicht nur in seiner ersten Amtszeit zu „Feinden des Volkes“ erklärt, er bedroht sie auch jetzt weiter – trotz oder wegen seines Wahlsiegs.
Ich habe im Deutschlandfunk erklärt, um welche Drohungen es geht und ob Trump sie in die Tat umsetzen kann. Außerdem habe ich mir angeschaut, was er im Bereich Medien politisch umsetzen könnte.
Anfang der Woche hat ein Brief deutscher EU-Abgeordneter für Aufmerksamkeit gesorgt. Sie kritisieren in einem Brief an ARD und ZDF, dass in der Woche nach der Europawahl nur ein einziger Abgeordneter in eine der acht Talksendungen eingeladen worden sei. Darin rechnen sie vor, dass insgesamt 43 Gäste eingeladen waren und Manfred Weber (CSU) der Einzige war, der bei der Wahl angetreten bzw. gewählt wurde.
In dem Brief, der mir vorliegt, schreiben Daniel Freund (Grüne), Daniel Caspary (CDU), René Repasi (SPD), Erik Marquardt (Grüne), Moritz Körner (FDP) und Angelika Niebler (CSU):
„Das ist erschreckend, unzureichend und wird ihrem Programmauftrag unserer Ansicht nach nicht gerecht. Politische Talkshows sind einer der zentralen Orte der öffentlichen politischen Auseinandersetzung und es ist äußerst bedauerlich, dass Europapolitikerinnen und Politikern der Zugang zu dieser Arena geradezu systematisch verwehrt bleibt. Europapolitik hat enorme Auswirkungen auf den Lebensalltag der Menschen. Und sie ist zu spannend, als dass sie permanent von der bundespolitischen Seitenlinie kommentiert werden muss.“
Das stimmt. Und mit ihrer Kritik, dass zu wenige EU-Abgeordnete eingeladen worden, haben Sie einen Punkt, finde ich. Aber die verwendeten Zahlen sind fragwürdig. Denn zu behaupten, von 43 Gästen sei nur einer Kandidat oder neuer Europaparlamentarier, verkürzt die Sache, wird damit doch suggeriert, es hätten 42 weitere EU-Abgeordnete eingeladen werden können. Das aber ist mitnichten der Fall. Ich erkläre gleich die Gründe dafür.
Nicht alle Talkshows beschäftigten sich mit der Wahl
Die Abgeordneten beziehen sich auf acht Ausgaben von insgesamt fünf verschiedenen Talkshows:
Fünf der acht Sendungen beschäftigten sich monothematisch mit der Wahl:
Caren Miosga: „Europa hat gewählt – wohin steuert Deutschland“?
hart aber fair: „Ampel-Desaster: Kommen jetzt Neuwahlen?“
Maybrit Illner: „Europa hat gewählt: Kiews Schicksal ungewiss“
Markus Lanz am 12.6.
Markus Lanz am 13.6.
Keine der Sendungen also schaute nur auf das Ergebnis der Wahl, sondern fragen auch nach den Konsequenzen – zum Beispiel für Deutschland oder für die Ukraine. Dass bei diesem Schwerpunkt nicht nur EU-Abgeordnete eingeladen werden, ist zwingend. Ob man das so machen muss oder nicht, natürlich eine andere Frage.
Die Talkshows von Sandra Maischberger und Markus Lanz beschäftigen sich immer mit mehreren Themen; wenn es dort also nicht nur um die EU geht, ist das Fehlen von EU-Abgeordneten auch nicht verwunderlich.
Nicht alle Gäste sind Politikerinnen oder Politiker
So war zwar der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff bei Maischberger zum Ergebnis der Europawahl eingeladen; Janine Wissler (Linke) und Boris Palmer (Tübinger Oberbürgermeister) diskutierten allerdings über das Thema Abschiebungen. In Maischbergers zweiter Sendung in der Woche nach der Europawahl wurde der ehemalige Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zur Europawahl befragt; Sahra Wagenknecht (BSW) und Marina Weisband (Grüne) diskutierten wiederum über die Ukraine. Auch die Auswahl zweier ehemaliger Politiker, um die Wahl zu kommentieren, ist natürlich diskussionswürdig.
Bei Markus Lanz ging es auch um die Europawahl. Anton Hofreiter (Gründe) wurde unter anderem zum Abschneiden seiner Partei befragt. Allerdings wurde auch über die geplante Neuwahl in Frankreich gesprochen und über die Situation in der Ukraine.
Außerdem sind in keiner der acht Sendungen ausschließlich Politiker eingeladen worden – was die Regel ist. Dort saßen auch Journalistinnen und Journalisten, eine Schriftstellerin, ein Musiker, ein ehemaliger Oberst, zwei ehemalige Diplomaten, zwei Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin. Sie machen sogar die Mehrheit aus: Nur 16 der Gäste sind aktive Politiker oder Politikerinnen; Christian Wulff und Klaus Wowereit habe ich hier nicht eingerechnet.
Nur einer von 16 Gästen aus der Politik
Beklagen können die Absender des Briefes also höchstens, dass von den 16 Gästen nur einer ein kandidierender bzw. gewählter EU-Abgeordneter ist. Auch diese Quote ist natürlich verhältnismäßig schlecht, aber eben auch nicht so künstlich niedriggerechnet wie im Brief.
Hinzu kommt: Auch diese 16 waren nicht alle zu einem EU-Thema eingeladen; mindestens vier von ihnen sprachen (auch) zu anderen Themen. Sprich: Es ist wohl eher ein Verhältnis 1 zu 11, aber eben nicht 1 zu 42.
Natürlich kann man beklagen, dass die Europawahl überhaupt so wenig Thema war, und sicherlich hätten da auch mehr EU-Politiker sitzen können/müssen. Auch, dass einige Talkshows nach einer letzten Ausgabe nach der Wahl in die Sommerpause gegangen ist, beklagen die Unterzeichner des Briefes zurecht. Und sie loben auch die Berichterstattung insgesamt. Aber ihre Rechnung ist einfach zu platt.
Morgen wird in Österreich ein neues Parlament gewählt. Seit der Abwahl des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz im Mai war es ruhig um die Regierungspläne zum Österreichischen Rundfunk ORF.
Der steht seit Langem im Fokus der Kritik der Regierungsparteien FPÖ und ÖVP. Das zeigte sich besonders deutlich bei der Auseinandersetzung mit ORF-Journalist Armin Wolf. Reformpläne der FPÖ lägen weiterhin auf dem Tisch, sagte mir Harald Fiedler, Medienjournalist der Zeitung „Der Standard“, im Deutschlandfunk-Interview.