Nach abgewiesener Programmbeschwerde: Stadt will gegen SWR klagen

Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang: Der SWR macht Fehler in einem Beitrag, der Bürgermeister der Stadt, um die es geht, beschwert sich über Fehler. Der SWR korrigiert einige davon, bei ein paar Formulierungen lehnt er ab. Daraufhin legt der Bürgermeister eine Programmbeschwerde beim SWR-Rundfunkrat ein – und weil dieser sie ablehnt, will der Bürgermeister zusammen mit der Stadt klagen.

So passiert in Baden-Württemberg. Noch ist die Klage nicht eingereicht, aber es ist offenbar juristisches Neuland, was da betreten wird – mit der Frage: Können Gerichte eine Programmbeschwerde anerkennen, nachdem es Sender und Rundfunkrat nicht getan haben?

Darüber habe ich in @mediasres im Deutschlandfunk berichtet.

Warum Medien den Begriff „Deal“ nur als Zitat nutzen sollten

Wenn Medien den Begriff „Deal“ nutzen, ist klar, dass dieser auf Donald Trump zurückgeht. Im Zeitungskorpus des Digitalen Wörterbuchs der Deutschen Sprache ist eine Korrelation zwischen den Amtszeiten Trumps und der Verwendung in Medien so stark, dass sie kein Zufall sein kann.

Das Problem mit dem Begriff in Medien ist nicht nur das Framing Trumps, das mit übernommen wird. Sondern vor allem, dass der Begriff unpräzise ist. Im Deutschen kann damit zwar auch ein Wirtschaftsabkommen gemeint sein, aber auch ein Friedensvertrag. Oder doch nur eine Einigung, wie es sie heute in Sachen Zoll ist.

Vermutlich das Papier nicht wert, auf dem sie steht.

Trotzdem kann es durch die unbewusste Verwendung in Medien schnell nach einem Vertrag klingen. Deshalb sollten Medien das Wort nicht nutzen. Mehr dazu im heutigen Sprachcheck „Sagen und Meinen“ im Deutschlandfunk.

Erzbistum Köln greift Kölner Stadt-Anzeiger an

Das Erzbistum Köln hat auf ungewöhnliche Weise den Kölner Stadt-Anzeiger angegriffen. Ein Amtsleiter des Erzbistums, der für die nicht-pastoralen Mitarbeiter zuständig ist, hat einen offenen Brief geschrieben, in dem er die Berichterstattung von Chefkorrespondent Joachim Frank mit denkwürdigen Worten kritisiert – er nennt sie „menschenverachtend“. Auslöser ist ein Bericht des Stadt-Anzeigers über die Eröffnung des neuen Erzbischöflichen Bildungscampus in Köln. Das Erzbistum soll Mitarbeitende aufgefordert haben, dabei keine Regenbogensymbole zu tragen, weil die als Zeichen der Toleranz für queere Menschen gelten. An der Kritik ist aber nichts dran. Darüber habe ich im Deutschlandfunk berichtet.

Weitere Links:

Reaktion der Chefredaktion des Kölner Stadt-Anzeigers

Unterstützende Stellungnahme der Gesellschaft katholischer Publizistinnen und Publizisten

Aktivisten stören ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel

Dass die traditionellen ARD-Sommerinterviews draußen stattfinden, hat gestern eine hörbare Protestaktion ins Programm gebracht. Das Gespräch mit Alice Weidel wurde durchgehend von einer Geräuschkulisse von Demonstranten untermalt, die sich auf der anderen Spreeseite versammelt hatten. Erst tröteten und trommelten sie nur, später spielte das „Zentrum für Politische Schönheit“ einen Chorgesang mit dem sich wiederholenden Text „Scheiß AfD“ ein. Was dahinter steckt und wie Alice Weidel, Moderator Markus Preiß und die ARD damit umgegangen sind und umgehen wollen, habe ich heute früh in Deutschlandfunk Kultur erzählt.

Auch wenn Weidel das Interview nicht abbrechen wollte, haben mittlerweile ein AfD-Sprecher und ein AfD-Politiker nun doch eine Wiederholung gefordert. Und Markus Preiß hat noch mal auf Kritik reagiert, wieso die ARD überhaupt AfD-Politiker interviewt. Darüber habe ich etwas ausführlicher am Nachmittag bei @mediasres im Deutschlandfunk gesprochen.

Mehr Programmbeschwerden, genau so vielen stattgegeben

Im Juni habe ich darüber berichtet, dass es im vergangenen Jahr mehr offizielle Programmbeschwerden bei den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland gegeben hat. Insgesamt waren es 1.129 – im Vergleich zu 708 Programmbeschwerden im Jahr 2023.

Dabei war die Zahl der Beschwerden naturgemäß unterschiedlich verteilt. Im Radio (wo Zahlen ja ohnehin schwierig zu vermitteln sind) habe ich die Daten nicht nach Sendern aufgeschlüsselt, das will ich hier nachholen.

Bei den Rundfunkräten der größeren Sender sind tendenziell mehr Beschwerden eingegangen als bei denen der kleineren Sender. Das hat vor allem mit deren Reichweite zu tun, weniger mit der Qualität der Berichterstattung an sich. Kausalitäten lassen sich da kaum feststellen, weil zu viele Faktoren mit hineinspielen: Wie viele Sender und Sendungen gibt es? Wie viele Zuschauer, Hörerinnen und Nutzer verfolgen diese? Wie leicht neigen diese zu Beschwerden? Gibt es überhaupt etwas, über das man sich beschweren kann? Wie leicht ist das Beschwerdeverfahren? Wie reagieren Räte und Sender auf die Kritik? Und viele weitere Faktoren.

Mehr Beschwerden vor allem bei BR und RBB

Interessant ist ein Vergleich zwischen den Jahren 2023 und 2024, für die ich die Zahlen erhoben habe.

Hier sieht man bei den meisten Sendern nur geringe Unterschiede, die mit einer Vielzahl der oben genannten Faktoren zusammenhängen können. Interessant sind die Veränderungen beim Bayerischen Rundfunk (BR) und beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Für die beim BR habe ich keine Erklärung.

Beim RBB liegt die mehr als Verzehnfachung daran, dass der Rundfunkrat dort eine Vielzahl von Beschwerden als offiziell anerkannt hat, die eigentlich nicht dort, sondern beim Sender eingegangen waren. Viele kamen über die Webseite rundfunkalarm.de, die halb-automatisiert Programmbeschwerden generiert und einreicht – allerdings eben nicht bei den Räten, sondern bei den Sendern. Correctiv hat darüber berichtet.

Räten geben erneut 5 Beschwerden statt

Der Anstiegs macht sich allerdings nicht in der Zahl der stattgegebenen Programmbeschwerden bemerkbar. Auch im vergangenen Jahr erkannten die Rundfunkräte nur fünf der Beschwerden als berechtigt an, die sich auf zwei Programmangebote bezogen. Mehr dazu hier.

Es wird interessant zu beobachten sein, ob über die Webseite rundfunkalarm.de nach der umfassenden Berichterstattung im Jahr 2025 noch mehr Beschwerden eingehen als die 48.000 im vergangenen Jahr und wie die Sender und Rundfunkräte damit umgehen werden.

Kläger gegen Rundfunkbeitrag verweist auf wirkungslose Programmbeschwerden

In dieser Woche ist ein Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, der den Rundfunkbeitrag nicht weiter zahlen wollte. Der Mann monierte, Rundfunk- und Verwaltungsrat des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) seien nicht staatsfern und transparent genug. Oder wie es das Gericht selbst formuliert:

Der Beschwerdeführer machte unter anderem geltend, die Aufsichtsgremien des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) hätten in den Jahren 2014 und 2015 nicht den der Vielfaltsicherung dienenden Geboten der Staatsferne und Transparenz genügt, sodass hierdurch auch der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil gefehlt habe.

Das Gericht hat die Beschwerde allerdings nicht mal abgewiesen, sondern gar nicht erst zur Entscheidung angenommen. Ausschlaggebend waren formale Gründe, weil der Kläger zuvor nicht durch die Instanzen gegangen war. Er hätte sich also über die Verwaltungsgerichtsbarkeit hochklagen müssen, wenn er nicht in einer der Instanzen schon Recht bekommen hätte.

Laut Gericht legte der Kläger dar, warum die verfassungsrechtlichen Anforderung an Transparenz verfehlt worden seien:

Dies werde insbesondere an der Behandlung der Programmbeschwerden deutlich. Anzahl, Gegenstand und Behandlung dieser Beschwerden würden der Öffentlichkeit vorenthalten, obwohl es sich um einen „Marker“ für die Qualität und Ausgewogenheit der Berichterstattung handele. Die Sitzungen der für die Programmbeschwerden zuständigen Ausschüsse seien generell nicht öffentlich; es würden weder Tagesordnungen oder Anwesenheitslisten noch Sitzungsprotokolle veröffentlicht. Förmliche Programmbeschwerden würden unter Ausschluss der Öffentlichkeit in nahezu allen Fällen negativ beschieden.

Basierend auf meinen Recherchen für 2023 und 2024 seit dem vergangenen Jahr ist das eine zutreffende Einschätzung. Hat dem Beschwerdeführer diesmal aber auch nichts genutzt.

Ob er jetzt den Instanzenweg gehen will, ist nicht bekannt.

Sündenbock TikTok: Warum sich in Albanien niemand für das Verbot interessiert

Seit März ist TikTok in Albanien verboten. Ministerpräsident Edi Rama begründete das Verbot vage mit der Tötung eines Jugendlichen; ein Streit, der zuvor bei TikTok eskaliert sein soll. Möglicherweise. Genau weiß man es nicht. Kurios: Der getötete Junge soll überhaupt nicht bei TikTok gewesen sein.

Ist dieser Fall also nur eine vorgeschobene Begründung dafür, TikTok in Albanien zu sperren? Denn die Sperrung wird technisch mit einer Methode umgesetzt, die auch missbraucht werden kann. Und über die kaum gesprochen wird, auch weil sich wenige für die Sperrung interessieren – trotz der Popularität der App.

Der ORF startet dazu morgen den Podcast „Land ohne TikTok“. Ich habe heute im Deutschlandfunk mit Autorin Franziska Tschenderle darüber gesprochen.

Der Fall Abdelhamid: Wie soziale Netzwerke Betrug ermöglichen

In Düsseldorf steht seit gestern eine Internet-Persönlichkeit wegen Betrugs vor Gericht. Der 34-Jährige Abdelhamid war ein salafistischer Prediger und sammelte zum Beispiel über Instagram und TikTok Spenden – angeblich für humanitäre Hilfsprojekte. Aber einen Großteil der Gelder zweigte er für sich selbst ab – laut Anklage 500.000 Euro. Das hat er gestern grundsätzlich auch zugegeben. Mit Abdelhamid ist seine Lebensgefährtin angeklagt.

Wie ihm das gelungen ist, von fremden Leuten so viel Geld einzusammeln, wird wohl der Prozess zeigen. Im Deutschlandfunk habe ich heute mit der Medienpsychologin Anne Leiser über derartige Internetphänomenene gesprochen mit der Frage: Wieso fallen Menschen auf so jemanden rein?