Mehr als sechs Monate ist es her, dass die ARD einen neuen Moderator für ihr Kulturmagazin „Titel, Thesen, Temperamente“ (ttt) im Ersten angekündigt hatte. Doch am Investigativjournalisten Thilo Mischke gab es gleich Kritik: Er sei kein Kulturjournalist und habe sich in Büchern und Podcastfolgen sexistisch und teils auch rassistisch geäußert.
Die Hintergründe habe ich gestern noch mal in „Fazit“ in Deutschlandfunk Kultur erklärt.
Nach zwei Wochen öffentlichen Drucks trennte sich die ARD von Thilo Mischke – und wollte den Fall danach journalistisch aufarbeiten. Doch daraus wird nichts, weil das aus Sicht der ARD allen Betroffenen nur schaden könnte, sagte MDR-Kulturchefin Jana Cebulla im Deutschlandfunk. Cebulla ist künftig federführend verantwortlich für ttt und die Kommunikation. Ich hatte sie danach gefragt, was denn eigentlich aus der journalistischen Aufarbeitung wird, von der wir sechs Monate nichts mehr gehört haben, darauf sagte sie:
„Wir haben uns gefragt, können wir an dieser Stelle etwas journalistisch aufarbeiten, ohne dass alle Beteiligten am Ende nicht noch mehr wieder im Schussfeld stehen oder vielleicht falsch dargestellt werden? Und deswegen haben wir uns entschieden, an dieser Stelle, heute, erstmal zu sagen, wir arbeiten es nicht weiter journalistisch auf, weil einfach nicht klar ist, wie das ausgehen kann.“
Konkrete Fehler werden nicht benannt
Jana Cebulla will nicht von fehlender Transparenz sprechen, sondern sie nennt es weitsichtig im Hinblick auf die Marke ttt. Eine interne Aufarbeitung habe es durchaus gegeben, auch einen Bericht, um aus den Fehlern Konsequenzen zu ziehen.
Welche Fehler genau gemacht worden sind, wollte Cebulla nicht sagen – auch nicht, von wem. Aber sie räumte ein, dass die ARD zu wenig kommuniziert habe:
„Es gab keinen Austausch von Argumenten und das ist auch ein Fehler, der passiert ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass in der Zeit um Weihnachten und Neujahr wir viel kommuniziert haben in der ARD. Nur am Ende gab es eben diese eine Verantwortung, die gefehlt hat, zu sagen, da gehe ich jetzt raus. Und aus diesen Fehlern hat die ARD gelernt und hat gesagt, das müssen wir künftig besser aufstellen, denn das schadet dem Ansehen aller Beteiligten und das wollen wir nicht.“
Durch die mangelnde Transparenz lässt sich aber nur schwer sagen, ob man die durch die vereinbarten neuen Regeln in Zukunft vermeiden kann.
Komplizierte Struktur hinter ttt-Sendungen
Ein Teil der Probleme lag offenbar an den komplizierten Strukturen hinter ttt. Denn die Sendung tritt zwar unter einer Dachmarke auf, mit denselben Moderatoren jede Woche (im Moment allein Sihal El Maimoudi), aber jede Sendung wird von einer anderen Redaktion in einer anderen ARD-Anstalt gemacht; sechs sind beteiligt. Das erfordert viel Abstimmung, auch bei grundsätzlichen Fragen wie der Auswahl eines neuen Moderators, aber auch bei der Kommunikation nach außen. Das hat man (zurecht) als Fehler erkannt, das soll besser werden. Das heißt, das macht künft der MDR zentral: zu Themen wie der Gestaltung der Marke, Kommunikation, Zielgruppenansprache usw. Das haben die ARD-Intendantinnen und Intendanten am Mittwoch bei einem Treffen beschlossen.
Künftig soll es wieder wichtig sein, dass der Moderator auch fachlich geeignet ist. Erreichen will man das durch neue Regeln fürs Casting von Moderatoren. FAZ-Recherchen zufolge war es damals bei Thilo Mischke so, dass er gar nicht der Favorit der Redaktionen war, da lag ein Konkurrent vorne. Man hat dann noch einen Zuschauertest gemacht, wo Mischke teilweise vorne lag. Am Ende haben offenbar die beteiligten Kulturchefs der ARD-Anstalten die Redaktionen überstimmt und sich für Mischke ausgesprochen, auch wenn er keine Erfahrung im Kulturjournalismus hatte.
Wie genau die Castings künftig aussehen sollen, wissen die Beteiligten aber noch nicht, das soll jetzt erst erarbeitet werden, damit es klare Kriterien für die Auswahl gibt. Einen Zuschauertest wird es dann wohl auch geben, der soll dann aber anders bewertet werden.
Bis Mitte 2026 soll Siham El Maimouni die alleinige Moderatorin bleiben; das hatte die ARD schon bekanntgegeben, als sie sich von Thilo Mischke trennte. Mitte 2026, also erst in einem Jahr, will man dann einen neuen, zweiten Moderator für „Titel, Thesen, Temperamente“ verkünden.