Das Ende der „Großen Koalition“

(Foto: Stefan Fries)
(Foto: Stefan Fries)

Nach der Bundestagswahl 1990 verfügte die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP im Bundestag über 60,1 Prozent der Sitze.

Im Jahr 2018 werden CDU/CSU und SPD mit ihrer möglichen Koalition über 56,3 Prozent der Sitze verfügen.

Die Preisfrage:

Welche dieser Konstellationen nennt man Große Koalition?

Das Beispiel zeigt, dass der Begriff im Jahr 2018 nicht mehr zutreffend ist.

In Deutschland hatte es sich eingebürgt, ein Zusammengehen der damaligen großen Volksparteien CDU/CSU (als Schwesterparteien) und SPD als Große Koalition zu bezeichnen. Auf Bundesebene sind sie bis heute die mandatsstärksten Parteien. So definiert auch Wikipedia den Begriff – und ergänzt:

Für westeuropäische Staaten wird der Begriff in der Regel verwendet, um eine Koalition zwischen den beiden größten in einem von zwei so genannten Volksparteien dominierten Parteiensystem zu beschreiben, bei dem rechnerisch auch kleinere Koalitionen möglich gewesen wären.

Nun sind zunehmend kleinere Koalitionen nicht mal mehr rechnerisch möglich. Eine Koalition aus CDU/CSU, FDP und den Grünen hätte zwar weniger Sitze gehabt als eine aus CDU/CSU und SPD, wäre aber in gewisse Weise wieder größer gewesen, weil mehr Parteien beteiligt gewesen wären.

Der Begriff „Große Koalition“ jedenfalls passt nicht mehr. Wurde schon bei einer Koalition in der Regel davon ausgegangen, dass sie eine Mehrheit im Parlament besitzt, also mehr als 50 Prozent der Sitze, so suggeriert „Große Koalition“, dass es sich um eine besonders große Mehrheit handelt.

Bis 2017 war das auch der Fall. Damals hielten CDU/CSU und SPD rund 80 Prozent der Sitze. Das war so viel, dass die Opposition aus Grünen und Linkspartei nicht mal all die Rechte ausüben konnte, die eine Opposition sonst eigentlich hat. Das machte die Macht der Koalition noch größer, weswegen der Begriff angemessen war.

Keine #GroKo mehr, bitte

Doch das liegt hinter uns, und es ist an der Zeit, den Begriff „Große Koalition“ für das möglicherweise kommende Bündnis nicht mehr zu verwenden, ebenso wie die nach Kindergarten klingende Abkürzung GroKo, die 2013 Wort des Jahres wurde und die die Jury damals animierte, es mit einem kleinen Krokodil zu bebildern.

Der Begriff verschleiert, wie klein die Koalition tatsächlich ist, obwohl sie aus den ehemals so genannten Volksparteien gebildet wird (die zwischen 1966 und 1969 sogar über knapp 91 Prozent der Sitze im Bundestag verfügte). Auch wenn der Begriff deutlich macht, dass die Koalition eine Mehrheit hat, unterschlägt er, wie groß die Opposition (310 Sitze) im Vergleich zur Koalition (399 Sitze) inzwischen ist.

Es gibt ja durchaus andere Begriffe, die das Bündnis beschreiben: die schwarz-rote Koalition oder die Koalition aus CDU/CSU und SPD etwa. Im Bemühen, die Realität richtig abzubilden, sollten Journalisten wertende Adjektive wie „groß“ nur verwenden, wenn die Sachlage eindeutig dafür spricht. Bei der „Großen Koalition“ tut sie das nicht.