„Cancel the Apocalypse“ ist ein Ziel der Re:publica. Nach viel Negativem über die digitale Welt wie Überwachung, Datenklau und Internet- Trolle wollte die Republica eine positive Utopie für eine digitale Gesellschaft entwickeln. Für das WDR5-Medienmagazin „Töne, Texte, Bilder“ habe ich mich auf die Suche nach den guten Seiten des Internets begeben. Hier gibt es den Beitrag zum Nachhören – und hier zum Lesen:
Was schlecht läuft, steht in der Regel stärker im Fokus als das, was gut läuft. So ist es auch bei der Digitalisierung, findet Republica-Mitgründer Markus Beckedahl:
Veränderung erzeugt immer in Teilen der Gesellschaft Ängste, und man hat häufig das Gefühl, gesellschaftliche Debatten oder mediale Debatten, die vor allem von älteren Menschen geführt werden, haben immer die Angst als Schwerpunktthema.
Schon in den letzten Jahren sei es auf der größten deutschen Digitalkonferenz Republica immer auch um die positiven Aspekte gegangen, sagt Beckedahl, die habe man diesmal aber besonders in den Fokus gerückt. Zum Beispiel beim Thema Rechtsextremismus im Netz. Während Internetphilosoph Sascha Lobo im vorigen Jahr darüber sprach, wie er versucht hatte, mit Hetzern zu diskutieren, plädierte er dieses Jahr dafür, ihnen aktiv etwas entgegenzusetzen. Er berief sich auf den US-Psychologen John Bargh, demzufolge Angst und körperliche Bedrohungen Menschen rechter werden ließen.
Umgekehrt gibt es auch Bemühungen, Leute liberaler werden zu lassen, indem man versucht, ihnen diese Ängste zu nehmen. Auch das ist übrigens eine Erklärung, warum Rechte und Rechtsextreme in sozialen Medien so erfolgreich sind, denn Angst und Wut sind ganz selbstverstärkende normale Reaktionen auf Bedrohungen.
Lobo plädierte für etwas, das er „offensiven Sozial-Liberalismus“ nannte. Er forderte, in der öffentlichen Diskussion auch Fakten zuzulassen, die einem nicht passten. Er verlangte Leitwerte statt einer Leitkultur und Investitionen für ein soziales Europa. Damit könne man Menschen zurückholen, die sich vom Rest der Gesellschaft verabschiedet hätten.
Auf einer anderen Ebene arbeitet „Funk“, das junge Angebot von ARD und ZDF, mit Jan Böhmermanns „Neo Magazine Royale“ zusammen. Sie hatten vor einer Woche Recherchen zum rechtsextremen Troll-Netzwerk „Reconquista Germanica“ veröffentlicht.
Mit der Gegenaktion „Reconquista Internet“ sollen sich Nutzer in sozialen Netzwerken koordiniert gegen Hass- und Hetzkommentare wenden und bekommen dafür Informationen, wie Böhmermann im Neo Magazin erzählte.
Zum Beispiel eine Liste mit den Pseudonymen, Facebook-Accounts und Twitter-Handles der echten Reconquista-Germanica-Mitglieder, mit denen Ihr dann machen könnt, was Ihr wollt: blocken, melden, mit Liebe überschütten.
Auf der Republica berichtete Böhmermann per Skype zugeschaltet, wie sehr ihn der Rücklauf von Nutzern überrascht habe.
Wir haben tatsächlich, das stimmt schon, aus Versehen eine Bürgerrechtsbewegung ins Leben gerufen. Ich teile auch die Einschätzung der anderen auf dem Podium, dass das natürlich ernst ist und freundlich ist, und ich glaube aber nicht und bin da jetzt nicht so desillusioniert, dass ich denke, dass es nicht die Lösung ist.
Auch auf technischer Ebene sieht Judith Simon positive Entwicklungen im Netz. Simon ist Professorin für Ethik in der Informationstechnologie an der Universität Hamburg. Sie verweist auf die vielen Projekte, in denen sich Leute im Netz positiv unterstützen – etwa mit Solidarisierungskampagnen und Crowdfunding.
Positive Entwicklungen sind sicherlich auch davon zu erwarten, dass die jüngere Generation, die Studierenden, die Programmiererinnen und Programmierer, auch sehr viel sensibler sind in der Entwicklung von neuen Technologien und darüber nachdenken, welche Auswirkungen Technologien haben für Fragen der Gerechtigkeit, der Gleichheit, und dass eben auch schon bei Designfragen mitdenken.
Hoffnung fürs Netz hat auch Republica-Mitgründer Markus Beckedahl, der die Seite Netzpolitik betreibt. Gegen die Massenüberwachung gibt es auch einen Gegentrend auf technischer Seite, sagt er.
„…dass auf einmal überall Verschlüsselung eingebaut wird, dass der Datenschutz von Anfang an immer mehr mitgedacht wird, und dass auf einmal alternative Kommunikationslösungen entstehen, wo man dann durch die Nutzung von zum Beispiel sicheren, verschlüsselten Messengern den Schutz von eigenen Grundrechten selbst in die Hand nehmen kann, wo die Politik leider versagt.“