Im Präsidentschaftswahlkampf in den USA ziehen die Spitzenkandidaten zehntausende Menschen zu ihren Auftritten. Donald Trump, Ted Cruz und John Kasich bei den Republikanern genauso wie Hillary Clinton und Bernie Sanders bei den Demokraten.
Auch Jules Bailey will was werden (hier seine Webseite, hier der Eintrag über ihn bei Wikipedia). Er steht allerdings an diesem Donnerstagnachmittag nur vor sieben Damen mittleren Alters. Eingeladen hat Leslie, gekommen sind Freundinnen und Nachbarn. Leslie will ihnen Jules Bailey vorstellen – und der will Bürgermeister von Portland werden, einer liberalen Großstadt im Nordwesten der USA, im Bundesstaat Oregon.
Bailey ist 36, trägt einen schwarzen Dreitagebart, Anzug und ein gestreiftes Hemd. Die Krawatte, die er noch am Morgen für einen offiziellen Termin trug, hat er nach Rücksprache mit seiner Wahlkampfmanagerin abgelegt. Bailey ist smart und weiß, wie man Menschen für sich einnehmen kann. Mehr als eine Stunde widmet er diesen nur sieben möglichen Wählern, dafür ist er fünf Meilen hinausgefahren zu diesem Landhaus in einem vornehmen Vorort von Portland.
Er erzählt, warum er Bürgermeister werden will, was seine Frau dazu gesagt hat, welche politischen Stationen er hinter sich hat und was ihm für Portland vorschwebt. Damit verfolgt er drei Ziele: Zum einen möchte er die Stimmen der Sieben gewinnen. Wichtiger aber sind Punkt zwei und drei: Diese sieben sollen für ihn werben, aus persönlicher Anschauung und mit Überzeugung, weil sie – anders als bei Wahlen auf Bundesebene – ihn kennengelernt haben und ihm Fragen stellen durften. Und Bailey hofft auf Spenden. Wenn jede der sieben die 250 Dollar gibt, die er pro Spender annimmt, hätte er hier draußen 1.750 Dollar gemacht. Als Stundenlohn nicht schlecht.
Es ist eine ungewöhnliche Art, Wahlkampf zu betreiben. Aber für Bailey könnte sie sich auszahlen. Mehrere Dutzend solcher Hauspartys gibt er im Laufe seines Wahlkampfs, meistens kommen mehr als an diesem Nachmittag, und regulär finden diese Partys am Abend statt, nach Feierabend und bevor die Leute zu sich nach Hause fahren.
Die Radioreporterin Amelia Templeton bekam einen Einblick in diese Arbeit, und ich durfte sie dabei begleiten. Templeton arbeitet für OPB, den öffentlich-rechtlichen Radiosender in Portland im US-Bundesstaat Oregon. OPB steht für Oregon Public Broadcasting. Dort stehen demnächst gleich mehrere Wahlen an. Neben dem Bürgermeister von Portland wird bald auch der Gouverneur von Oregon neu gewählt – und im November freilich auch der neue US-Präsident.
Viel zu tun also für Templeton und ihre Kollegen. Dort ist es üblich, dass Reporter Kandidaten an manchen Tagen auf Schritt und Tritt folgen – „to shadow“, wie es im Englischen mehrdeutig heißt. Besonders die Präsidentschaftskandidaten werden monatelang journalistisch begleitet, wie ABC-News-Reporterin Arlette Saenz erzählte. Mehr dazu bei Korbinian Frenzel.