Wie der US-Botschafter im Deutschlandfunk für Aufregung (und Aufwand) sorgt

Als ich hier vor einigen Monaten etwas zum Start des Deutschlandfunk-Podcasts „Der Tag“ geschrieben habe, habe ich auch erwähnt, dass nicht nur über journalistische Inhalte gesprochen wird, sondern auch darüber, wie sie zustandekommen.

Das haben die vier Kollegen seitdem auch konsequent immer wieder gemacht. Mal mit kleineren Pannen, die nicht rausgeschnitten werden, sondern drin bleiben (ab 5:12 Min. vor Schluss), mal mit einem ausfühlicheren Blick hinter die Kulissen, auf den ich heute verweisen will.

Vorige Woche war der neue US-Botschafter in Deutschland im Deutschlandfunk-Studio. Für den Besuch von Richard Grenell war eine ganze Entourage an Sicherheitsleuten der Botschaft und des Landeskriminalamts im Einsatz. Was so ein Interview an Aufwand bedeuten, erzählen in dieser Folge „Der Tag“ Moderatorin Sandra Schulz und Doris Simon aus der Programmdirektion des Deutschlandradios. Sie berichten von einer Sicherheitsbegehung einen Tag vorher, bei der auf gefährliche Ecken geachtet wird, ein Baustellenzugang verschlossen und ein Polizist davor postiert wird und wie mit einem Background-Check auch die Moderatorin überprüft wird.

Das Interview mit Grenell gibt es hier.

„Der Tag“ im Deutschlandfunk: Wie entsteht eine Podcast-Episode?

Was steckt hinter den Nachrichten und Eilmeldungen des Tages? Das versucht der Deutschlandfunk seit September werktäglich im Podcast „Der Tag“ zu beantworten. Wie die Themen ausgewählt werden und wie daraus eine Ausgabe des Podcasts entsteht, stellt Sandro Schroeder in einer Sonderausgabe dar. Ein gutes Beispiel für Transparenz im Journalismus.

Ex-US-Rundfunkregulierer fordert mehr Transparenz von sozialen Netzwerken

Der ehemalige Präsident der obersten Medienregulierungsbehörde der USA, Tom Wheeler, fordert mehr Transparenz von sozialen Netzwerken. Auf der Konferenz „Formate des Politischen“ in Berlin, die vom Deutschlandfunk, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Bundespressekonferenz ausgerichtet wurde, plädierte Wheeler dafür, dass Anbieter ihre Programmierschnittstellen offenlegen sollten. Damit blieben die eigentlichen Algorithmen der Unternehmen weiterhin geschützt, Informationen über Reichweiten, virale Trends oder Löschung von Inhalten wären aber zugänglich. Wheeler befürchtet, dass über die Netzwerke andernfalls weiter Propaganda, Hate Speech und Falschnachrichten verbreitet würden und damit die Demokratie in Gefahr gerät. Darüber habe ich im Deutschlandfunk und in Deutschlandfunk Kultur erzählt.

Wheeler war unter US-Präsident Barack Obama Vorsitzender der FCC, der Federal Communications Commission, die den Rundfunk reguliert. Weil es sich um eine politische Behörde handelt, wurde er mit dem Regierungswechsel von Obamas Nachfolger Donald Trump abgesetzt.

Eine weitere Zusammenfassung von Wheelers Vortrag gibt es hier, seine ganze Rede zum Nachschauen hier:

 

Wie man mit Statistiken Politik macht

Wer in der Öffentlichkeit eine Position begründen will, zieht gerne Daten und Statistiken heran, die die Position untermauern sollen. Manchmal wird auch klar, dass die Zahlen die Schlussfolgerung gar nicht hergeben.

Bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik Anfang der Woche war für jeden was dabei. Bundesinnenminister Thomas de Maizière von der CDU etwa lenkte den Blick auf die Zahl der Zuwanderer unter den Tatverdächtigen, die im vergangenen Jahr um fast 53 Prozent gestiegen sei und sagte:

Da gibt es nichts zu beschönigen, das gilt leider für nahezu alle Deliktbereiche. Und leider – das zeigen die Zahlen – geht der deutliche Anstieg im Bereich der Gewaltdelikte vor allem auf einen Anstieg der durch Zuwanderer verübten Gewaltdelikte zurück.

Mit dieser Zahl lässt sich prima Politik machen, wie etwa der Berliner AfD-Politiker Karsten Woldeit zeigte, der daraufhin pauschal die Abschiebung verurteilter Migranten forderte. Die Gewalttaten den Tätern aufgrund ihrer Herkunft zuzuordnen, greift allerdings zu kurz, denn der Anstieg dieser Zahl könnte auch auf einen statistischen Effekt zurückzuführen sein, sagte der Kriminologe Thomas Feltes im Deutschlandfunk:

Das liegt ganz schlichtweg daran, dass es sich bei den Zuwanderern primär um junge Männer handelt, und das ist die Gruppe, die am meisten Straftaten begeht. Auch bei den sogenannten Biodeutschen oder bei den Einwohnern in Deutschland ist diese Altersgruppe der jungen Männer am höchsten belastet, vier-, fünf- bis achtmal so viel wie andere Altersgruppen, und auch wie Frauen. Deshalb ist es klar, wenn junge Männer nach Deutschland kommen, wäre alles andere ein Wunder, wenn die hier nicht auch straffällig werden würden.

Mit den nackten Zahlen allein kommt man also nicht weit, man muss sie ins Verhältnis setzen – oder so vage formulieren, dass am Ende mehrere Deutungen möglich sind. Das hatte FDP-Chef Christian Lindner getan, als es um die Kriminalität in Nordrhein-Westfalen ging. Die BILD-Zeitung hatte ihn gefragt:

Leben die Menschen in NRW weniger sicher als in anderen Bundesländern?

Woraufhin Lindner antwortete:

Ganz offensichtlich. Die Einbruchskriminalität ist massiv gestiegen, die Aufklärungsquote aber stagniert.

Ganz so einfach kann man es sich aber nicht machen, denn Lindner lieferte – absichtlich oder unabsichtlich – entscheidende Informationen nicht mit: welchen Zeitraum er für seinen Vergleich heranzog – und was er mit dem Begriff Einbruchskriminalität überhaupt meinte.

Das Recherchezentrum Correctiv machte einen Faktencheck und schrieb, die Einbruchskriminalität sei nicht etwa massiv gestiegen:

Anfang März stellte NRW-Innenminister Ralf Jäger die Polizeiliche Kriminalstatistik 2016 vor – und freute sich über den „deutlichen Rückgang“ bei den Wohnungseinbrüchen. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ging im vergangenen Jahr um 15,7 Prozent zurück. Von gut 62.000 Fällen in 2015 auf gut 52.000 Fälle in 2016. So steht es in einer Pressemitteilung des Innenministeriums in NRW.

Correctiv bezog sich also auf die Entwicklung von 2015 bis 2016, ohne dass Lindner selbst diesen Zeitraum angegeben hätte. Die Journalisten nahmen sich sicherheitshalber auch noch mal einen längeren Zeitraum vor, und zwar die Zeit von 2012 bis 2016, ohne dass sie begründen warum. Ich vermute, sie haben die laufende Legislaturperiode in Nordrhein-Westfalen als Aufhänger genommen, was durchaus Sinn ergibt, geht es doch in Lindners Aussage darum, die Kriminalitätsentwicklung dem SPD-Politiker Jäger in die Schuhe zu schieben. Das Urteil von Correctiv: Lindners Aussage sei „komplett falsch“.

Auf diesen Zeitraum bezogen: ja. Da Lindner allerdings vage blieb, konnte ihn sein Team bei Twitter verteidigen:

Bezogen auf diese Zeit hatte der FDP-Chef wiederum Recht – die Kriminalität stieg tatsächlich, wie das Bildblog in einem Faktencheck des Faktenchecks herausfand. Doch es ging noch ein wenig weiter: Daraufhin meldete sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber aus Bonn bei Twitter und schrieb:

Und vergleicht man diese und nicht nur die Einbruchsversuche für Jägers komplette Amtszeit, so sank ihre Zahl ausweislich der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik für Nordrhein-Westfalen (PDF).

(Screenshot: https://www.polizei-nrw.de/media/Dokumente/PKS/2016/PKS_Jahrbuch_2016_II.pdf, S. 116)
(Screenshot: https://www.polizei-nrw.de/media/Dokumente/PKS/2016/PKS_Jahrbuch_2016_II.pdf, S. 116)

Was sich wiederum die SPD gerne auf ihre Fahnen schreibt.

Schauen wir zum Schluss noch auf die Aufklärungsquote, die sich ebenfalls in der Grafik findet. Auf diese bezogen hatte Christian Lindner im BILD-Interview ja gesagt, diese stagniere. Die Grafik zeigt, dass er dabei keinesfalls denselben Zeitraum (= Bilanz seit Dienstbeginn Jäger) meinen kann, denn in dieser Zeit ist die Quote von 12,9 auf 16,2 Prozent gestiegen. Legt man das zugrunde, hat Lindner tatsächlich Unrecht. Aber es ist auch nicht auszuschließen, dass er oder sein Team für diese Aussage gerne einen anderen Zeitraum zugrundelegen wollen. Ich habe sicherheitshalber mal nachgefragt:

Eine eventuelle Antwort liefere ich hier nach.

So oder so: Welche Zahlen relevant sind, muss der Wähler entscheiden – aber er muss wissen, woher genau sie kommen. Was die Beteiligten gerne verschweigen oder vernebeln – im eigenen Interesse. So wirkt es, als würde höchstens einer echte Zahlen nutzen und die anderen lügen. Dabei ist die Wahrheit differenzierter.

Wir gehen @mediasres

Funkhaus des Deutschlandfunks in Köln
Funkhaus des Deutschlandfunks in Köln

Medien sind heute für jeden selbstverständlich. Hat man sie vor 30 Jahren selbst lediglich konsumiert – und Zeitungen gelesen, Radio gehört, Fernsehen geguckt – so ist man heute selbst Medienproduzent. Und kann darüber hinaus noch auf eine Vielzahl von Quellen zurückgreifen, die früher Journalisten vorbehalten waren. Das bringt viele Vorteile und einige Nachteile. Vor allem aber hat es sehr viel Neues mit sich gebracht: nicht nur das persönliche Verhältnis zu Medien, sondern auch eine gewisse Überforderung, so ganz nebenbei die Seiten gewechselt zu haben.

Es ist eine ganze Reihe von Technologien, die dazu beigetragen haben: das Internet im Allgemeinen, soziale Netzwerke im Besonderen, mobile Netzwerkverbindungen, immer öfter verfügbares WLAN, die allzeit bereite Kamera im Handy für Fotos und Videos. All das versetzt jeden Nutzer heute in die Lage, nicht nur zu empfangen, sondern auch selbst zu senden. Mit all den Chancen und Schwierigkeiten, die das mit sich bringt.

Nicht nur haben Journalisten zuweilen das Gefühl, unter diesen Entwicklungen zu leiden, anstatt sie als Herausforderung zu begreifen. Auch kommen sie den Herausforderungen nur unzureichend entgegen – schon der Tatsache, wie präsent Medienthemen heute jeden Tag sind.

Lediglich auf den Medienseiten der Tageszeitungen und natürlich bei Mediendiensten im Netz geht es täglich um die Herausforderungen der allumfassenden Medialisierung. Was aber fehlt, ist ein tägliches Magazin im Radio, das sich mit Medienthemen beschäftigt.

Die bestehenden Medienmagazine im Radio – wie die gleichnamigen Sendungen etwa bei Radio Eins oder bei B5 aktuell, „Töne Texte Bilder“ bei WDR5 oder „Markt und Medien“ im Deutschlandfunk – leiden vor allem darunter, dass sie nicht so aktuell sind wie sie sein müssten. Und zum Teil im Ein-Mann-Betrieb arbeiten. Am Wochenende können sie nur noch zurückschauen auf Themen, die längst von verschiedenen Seiten aus betrachtet und durchgesprochen worden sind.

Der Deutschlandfunk schafft Abhilfe: Ab dem 20. März beschäftigt sich täglich eine 25-minütige Sendung mit Medien. Sie trägt den beziehungsreichen Titel @ mediasres. Sie will sich nicht nur mit tagesaktuellen Themen beschäftigen, sondern auch auf Hintergründe schauen und sich mit längerfristigen Entwicklungen beschäftigen – täglich zwischen 15.35 und 16 Uhr im Deutschlandfunk und natürlich im Netz.

Ich freue mich, dass ich als Redakteur und Moderator dabei sein kann.

Jeder ist Reporter

Eine „redaktionelle Gesellschaft“, fordert der Tübinger Kommunikationswissenschaftler Bernhard Pörksen schon seit Längerem. Er meint damit, dass es heute keine klare Trennung mehr zwischen Redaktionen und Nutzern gibt, dass also inzwischen nicht nur Journalisten Informationen und Meinungen verbreiten, sondern das jeder Nutzer tun könne. Im Gegensatz zu Journalisten folgen viele Nutzer aber keinerlei Standards, wenn sie das tun.

Das führt dazu, dass Informationen ungeprüft weiterverbreitet werden, dass das Vertrauen auf den Absender der Nachricht die Prüfung ersetzt, dass Informationen aus ihrem Kontext gelöst werden, dass Hintergründe ausgeblendet werden. Viele Nutzer sorgen auf diese Weise auch dafür, dass bewusste Propaganda weitergegeben wird, mit der Politik gemacht wird.

Ein Abwehrzentrum gegen sogenannte Fakenews wird dagegen meiner Meinung nach wenig helfen, auch wenn es prinzipiell begrüßenswert ist, dass das Recherchebüro Correctiv.org künftig in einem Pilotprojekt für Facebook diese sogenannten Fakenews identifizieren will, wie am Wochenende bekannt wurde. Die Entwicklung von Medienkompetenz halte ich für viel wirksamer – in mehrfacher Hinsicht.

Denn anstatt eine weitere Ebene einzuziehen, die das Misstrauen zwischen den gewohnten Nachrichtenverbreitern und den Nutzern verstärken könnte, indem eine weitere Institution, sei sie nun staatlich oder nicht, beurteilt, welche Nachrichten die Nutzer erreichen dürfen, wird damit die Beurteilung von Informationen an genau die Nutzer gegeben, die sich schon länger die Bevormundung durch Medien verbitten.

Problematisch daran war bisher vor allem, dass viele Nutzer nicht wissen oder wussten, wie Journalisten arbeiten: mit welchem Handwerk, nach welchen Standards, welchen ethischen Gesichtspunkten. Das will die neu gegründete „Reporterfabrik“ (Konzept als PDF) ändern.

Dahinter stecken Spiegel-Redakteur Cordt Schnibben und – wieder mal – Correctiv in Person von David Schraven. Er schreibt dazu:

Nie zuvor war die veröffentlichte Meinung vielfältiger. Nie zuvor war die veröffentlichte Meinung unqualifizierter. Wir möchten einen Wandel einleiten. Den Wandel zur redaktionellen Gesellschaft.

Die Reporterfabrik verfolge vier Ziele:

  • die Grundlagen des journalistischen Handwerks vermitteln,
  • die Funktionsweise von sozialen und klassischen Medien durchschaubar und
  • Versuche von Desinformation erkennbar machen,
  • die Fortbildung und den Erfahrungsaustausch von Journalisten unterstützen.

Unterstützt wird das Projekt von vielen namhaften Journalisten, Wissenschaftlern und Künstlern. Die Reporterfabrik will zunächst mit Journalistenschulen und Volkshochschulen kooperieren und sucht nach weiteren Helfern im journalistischen und pädagogischen Bereich.

Ziel ist es, journalistisches Handwerk zu verbreiten und die Verbreitung von Desinformation und Gerüchten zu reduzieren. Schnibben und Schraven wollen der Gesellschaft ein Angebot zum Erwerb von Medienkompetenz machen, schreibt Meedia.

Ich bin gespannt, ob das funktioniert. Zwar regen sich im Netz viele über Journalisten auf, machen es aber nicht unbedingt besser – einige bewusst, andere aber immerhin nur mangels besseren Wissens. Wenn zumindest einige mehr Medienkompetenz entwickeln würden, wäre das für die Diskussion über politische Themen und für die Demokratie insgesamt hilfreich.

Und es könnte auch den Journalismus voranbringen. Journalisten könnten von Erfahrungen und Erwartungen ihrer Nutzer lernen und (gemeinsam) neue Darstellungsformen entwickeln.

Lob und Kritik für die Reporterfabrik:

Die US-Wahl im Deutschlandfunk: Ein Blick hinter die Kulissen

Die US-Präsidentschaftswahl liegt mittlerweile mehr als eine Woche zurück. Zeit, auch noch mal auf die Berichterstattung im Deutschlandfunk zurückzublicken, die in diesem Jahr nicht nur von der Wahl selbst geprägt war, sondern auch einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht hat.

Ich hatte schon vorige Woche darauf hingewiesen, dass Boris Bittner einen Einblick in die Arbeit des Studios Washington geben wird. So hat er zum Beispiel gezeigt, wie es aussieht, wenn Korrespondent Thilo Kößler bei Deutschlandradio Kultur zum Kollegengespräch zugeschaltet wird.

Er ist selbst auf die Straße gegangen, um Stimmen und Stimmungen einzufangen.

Er hat Korrespondentin Bettina Klein exklusiv fürs Web befragt, wie sie noch während des Wahlvorgangs die aktuelle Lage einschätzt.

Er hat gezeigt, wie hinter den Kulissen gearbeitet wird.

Nachdem das Wahlergebnis tendenziell feststand, wurde vom Studio in Washington aus Peter Sparding nach Köln zugeschaltet, den Boris auch noch mal für ein exklusives Statement für Twitter vor die Kamera gebeten hat.

Korrespondent Thilo Kößler und Techniker Nils Heider haben gemeinsam O-Töne geschnitten. Beste Quelle in diesem Fall für deutsche Korrespondenten: das Fernsehen.

Gleichzeitig haben wir auch im Funkhaus in Köln versucht, zu zeigen, wie Radio wirklich aussieht. So haben wir mit Periscope über Twitter einfach mal in Studio, Regie und Redaktion gefilmt. (Periscope schneidet das Video bei Twitter automatisch zu, deswegen sieht man in diesem Tweet nicht alles; das ganze Bild gibt es direkt bei Periscope.)

Wir haben einen Blick in Nachrichtenredaktion und Studio geworfen.

Wir haben einen Blick ins Studio geworfen, nachdem die Sendung „Radionacht“ im Deutschlandfunk abgelöst worden war von der Sendung „Informationen am Morgen“ und dementsprechend auch die Moderatoren gewechselt hatten.

Und wir haben mit Experten geredet, die in der Nacht im Deutschlandfunk im Einsatz waren. So sorgte Nachrichtenredakteur Harald Gesterkamp dafür, dass zwischen 1 und 6 Uhr morgens stündlich und zusätzlich um 4.30 und 5.30 Uhr auch zur halben Stunde Nachrichten auf Sendung gingen. Ein durchaus schwieriges Unterfangen, wie er bei Facebook live erklärte.

Als der Wahlausgang einigermaßen sicher war, haben wir noch mal unseren außen- und sicherheitspolitischen Korrespondenten Klaus Remme, früher Washington-Korrespondent fürs Deutschlandradio, zu seiner Einschätzung befragt.

Eine intensive und lange Nacht, nicht nur für die USA und die Welt, sondern auch für uns Journalisten.

Nach der Wahl hat Thilo Kößler noch mal in einem Interview bei dbate seine Einschätzungen abgegeben, auch zur Meinungsforschung im Vorfeld der Wahl.

Wie Korrespondenten arbeiten – der DLF mit einem Blick nach Washington

Der Deutschlandfunk beschäftigt sich schon seit Wochen intensiv mit der wahrscheinlich wichtigsten Wahl der Welt, die am Dienstag ansteht. Vor allem in der Nacht selbst geht es zehn Stunden lang nonstop live um Erkenntnisse und Ergebnisse aus den USA.

Um 23.10 Uhr fassen die Kollegen von „Das war der Tag“ noch mal den vorhergehenden Tag zusammen und berichten dabei auch aus den USA. Um 0.05 Uhr übernehmen dann Moderatorin Stephanie Gebert, der frühere USA-Korrespondent Klaus Remme als Experte und Online-Redakteur Tobias Jobke das Studio. Sie schauen noch mal zurück auf den Wahlkampf und berichten über erste Ergebnisse aus einzelnen Bundesstaaten. Die „Informationen am Morgen“ beginnen am Mittwoch eine Stunde früher als sonst und beschäftigen sich fast monothematisch mit den Wahlen. Voraussichtlich in den frühen Morgenstunden wird mit einem Ergebnis der Präsidentschaftswahl gerechnet.

Die wichtigste Leitung in dieser Nacht wird die von Köln nach Washington sein. Dort sitzen die Korrespondenten Thilo Kößler, Marcus Pindur und Bettina Klein. Ihre Arbeit lässt sich nicht nur on air verfolgen. Der Deutschlandfunk ermöglicht auch einen Blick hinter die Kulissen. Für den sorgt Online-Redakteur Boris Bittner, der die Kollegen seit der vergangenen Woche begleitet und im Washington-Blog berichtet.

Dort erzählt etwa Thilo Kößler von seiner täglichen Arbeitsroutine:

Der Tag des Washington-Korrespondenten beginnt heute mit dem Blick aufs Smart-Phone: Eilmeldungen checken, die hier news alert heißen. Mails auswerten. Newsletter aufklicken. Blogs lesen. Tweetdeck: Was kam in der Nacht aus dem Trump-Lager? Was aus dem Clinton-Lager? Erst dann der Blick in die Agenturen. Da läuft schon der längst der Fernseher.

Außerdem geht es auch um die Technik, die in Washington zum Einsatz kommt.

Wer wissen will, wie Korrespondenten arbeiten, sollte in den nächsten Tagen auch einen Blick in dieses Blog werfen.

Offenlegung: Ich arbeite als ständiger freier Mitarbeiter für den Deutschlandfunk.

Arbeiten in der Chaosphase – zwei Redaktionen zeigen, wie das läuft

Der mutmaßliche Amoklauf von München hat zum ersten Mal in Deutschland eine Breaking-News-Situation der besonderen Art für hiesige Journalisten hergestellt. Anders als bei den Terroranschlägen von Paris, Brüssel und Nizza waren nicht nur einige wenige deutsche Korrespondenten vor Ort, sondern hunderte, die direkt von den Orten der Ereignisse berichten konnten – nicht nur vom Tatort, sondern auch von anderen Orten in München, die von der Polizei stundenweise für Tatorte gehalten wurden.

Eine Berichterstattung im Ausnahmezustand – oder in der „Chaosphase“, wie Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung schreibt. Der Begriff beschreibe die Anfangsphase, in der erst mal nichts klar sei, in der man keine Hintergründe kenne und auf alles gefasst sein müsse. Eine Woche nach dem mutmaßlichen Amoklauf blickt Ramelsberger auf die Berichterstattung ihrer Zeitung in jener Nacht von München und versucht transparent zu machen, wie die Arbeit von Journalisten in so einer Situation aussieht.

„In diesem Moment muss eine Redaktion entscheiden, was sie berichtet und was nicht. Während eine Zeitungsredaktion zumindest ein paar Stunden zum Nachrecherchieren der Hinweise hat, muss eine Online-Redaktion sofort entscheiden, was sie weitergibt. Innerhalb von Minuten muss dann entschieden werden, ob man den Hinweis auf eine Schießerei am Stachus auf die Homepage nimmt oder nicht. Die Entscheidung muss fallen zwischen der Warnung, dem möglichen Schutz von Menschenleben und dem weiteren Schüren von Hysterie.“

Ramelsberger greift auch die Skepsis von Nutzern auf, die glauben, alle Tatsachen müssten von Anfang an bekannt sein.

„Doch die belastbaren Tatsachen schälen sich erst allmählich aus dem Wust an Informationen heraus, die minütlich auf die Redaktion einprasseln. Vieles lässt sich erst nach mehreren Tagen wirklich klären – das ist keine böse Absicht, das heißt nicht, dass die SZ etwas verschweigen will, sondern: Sie weiß es einfach nicht. Genauso wenig wie die Ermittler.“

Auch der Nachrichtenchef des Deutschlandfunks, Marco Bertolaso, hat mit etwas Abstand aufgeschrieben, unter welchen Bedingungen seine Redaktion während des Amoklaufs arbeitet. Er findet, dass es heutzutage nicht mehr reicht, nur Fakten zu melden und bei Gerüchten abzuwarten, bis sie bestätigt oder widerlegt werden.

„Wir müssen uns auch aktiv daran beteiligen, Gerüchte und Unterstellungen einzufangen, bevor sie politisch-gesellschaftliche oder andere Folgen haben. (…) Wir müssen die Spekulationen offensiv angehen und klar stellen, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt.“

Als reine Redaktion für Radionachrichten hat man früher bis zur jeweils nächsten Sendung, also bis zu einer Stunde lang, abwarten können, wie sich eine unsichere Lage bis dahin darstellt. Heute kann man ständig online informieren – und tue das deshalb auch in unsicheren Informationslagen.

„Wie andere Berufe auch hat sich der Nachrichtenjournalismus rasant verändert. Wir müssen in Echtzeit reagieren und eine Vielzahl an Verbreitungswegen bedienen. Mehr denn je müssen wir schnell sein, mehr denn je müssen wir abwägen. Das ist eine beachtliche Herausforderung.“

Zwei gute Beispiele, wie Redaktionen offenlegen können, wie sie in solchen auch für Journalisten extremen Situationen arbeiten. Wir brauchen mehr davon, um Vertrauen in unsere Arbeit zu bewahren. Ich glaube, dass es irgendwann selbstverständlicher Teil unserer Arbeit sein wird, nicht nur Rechercheergebnisse zu liefern, sondern auch deren Zustandekommen transparent zu machen.

Offenlegung: Ich arbeite als freier Mitarbeiter für die Nachrichten- und Online-Redaktion des Deutschlandfunks.

Nachtrag, 5. August: Auch Tagesschau-Chefredakteur Kai Gniffke hat die Berichterstattung noch mal Revue passieren lassen.