Ferda Ataman und der Umgang mit der eigenen Social-Media-Geschichte

Ferda Ataman soll Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes werden. Doch schon bald nach ihrer geplanten Ernennung wurde die Politologin und Publizistin dafür kritisiert, auf Twitter die meisten ihrer Tweets gelöscht zu haben. Eine Strategie, gegen die es und für die es gute Gründe gibt, findet der Netzjournalist Simon Hurtz, mit dem ich heute für @mediasres im Deutschlandfunk gesprochen habe.

„Squid Game“: Erziehungsberechtigte in der Verantwortung

Die Serie Squid Game hat zu einer Debatte über den Jugendmedienschutz geführt. Netflix habe sich an die Jugendschutzregeln gehalten, findet Marc Jan Eumann, Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz. Bei Inhalten auf Streamingplattformen seien vor allem die Erziehungsberechtigten gefragt. Ich habe mit Eumann für @mediasres im Deutschlandfunk gesprochen.

Rezo will die Presse nicht zerstören, sondern verbessern, sagt er

„Die Zerstörung der CDU“ – unter diesem Titel hat der Youtuber Rezo ja kurz vor der Europawahl ein Video veröffentlicht, das in der Union für viel Hektik gesorgt hat. Rezo selbst legte Wert auf die Feststellung, er habe zeigen wollen, wie die CDU sich selbst zerstörte.

Am Pfingstwochenende hat er dann nachgelegt mit dem Video „Die Zerstörung der Presse“.

Der Titel mag für Leute irreführend sein, die sich mit der Szene nicht auskennen. Dass er nicht zerstören will, sagt Rezo relativ am Anfang:

Ich zerstöre in diesem Video gar nix, sondern möchte Missstände herausarbeiten, um diese zu lösen. Missstände, die, wenn wir sie ignorieren würden, nicht darüber reden, genau dazu beitragen, dass das Vertrauen oder der Respekt und eben damit auch die Glaubwürdigkeit gegenüber der Presse abgebaut oder gar ganz zerstört wird. Denn ohne Vertrauen, Respekt und Glaubwürdigkeit bleibt auf Dauer nichts mehr von der seriösen Presse.

Im Deutschlandfunk habe ich heute morgen einen ersten Überblick gegeben (Link zur Dlf-Audiothek): Worum geht es Rezo? Was stört ihn? Wie aussagekräftig ist seine Fehleranalyse?

Vertrauen in Medien in Deutschland ist weiterhin hoch

Etwa jeder fünfte Bürger in Deutschland wirft den Medien vor, die Bevölkerung systematisch zu belügen. Zugleich wächst die Zahl der Menschen, die solche Vorwürfe zurückweisen. Das zeigen neue repräsentative Befunde der Langzeitstudie „Medienvertrauen“, die am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durchgeführt wird.

Demnach sagten bei Befragung Ende vergangenen Jahres 43 Prozent der Befragten, sie würden Medien ganz allgemein eher oder voll und ganz vertrauen, „wenn es um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale“ – so die Fragestellung.

Über die Studie habe ich in @mediasres im Deutschlandfunk (Audio) mit Tanjev Schultz von der Universität Mainz gesprochen.

Interessant: Das Vertrauen ist viel höher, wenn man spezifischer nach journalistischen Medien und nicht nur nach Medien allgemein fragt.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und Tageszeitungen schneiden mit 67 bzw. 66 Prozent viel besser ab. Dass immer noch ein Drittel der Nutzer Medien nicht komplett vertrauen, hält Schultz aber nicht per se für ein schlechtes Signal. Zum einen sei das Vertrauen im internationalen Vergleich relativ hoch, zum anderen sei es sinnvoll, dass Nutzer auch skeptisch mit Medien umgingen.

Für bedenklich hält er eher die Gruppe derjenigen, die sagen, man könne Medien eher oder voll und ganz nicht vertrauen, die mittlerweile auf 28 Prozent angestiegen sei.

Lügenpresse-Vorwürfe seien zwar weiterhin verbreitet, allerdings widersprächen dem immer mehr Bürger.

Wer kontrolliert die Medien?

Kontrolle spielt im Zusammenhang mit Medien eine zentrale Rolle. Einerseits wachen die Medien als „Vierte Gewalt“ über einflussreiche Akteure im öffentlichen Leben, andererseits unterliegen Medien in Deutschland auch einer öffentlichen Kontrolle.

Aber sind die heutigen Aufsichtsgremien überhaupt in der Lage, in einer zunehmend digitalen Welt diese Kontrollfunktion angemessen auszuüben? Oder ist das Mediensystem im frühen 21. Jahrhundert bereits so komplex, dass nur noch Nutzerinnen, Nutzer und die Medien selbst vernünftige Leitplanken setzen können?

Darüber habe ich bei den Südwestdeutschen Medientagen für die SR2-Sendung „Diskurs“ mitdiskutiert – mit Dr. Ilka Desgranges (Saarbrücker Zeitung, ehemaliges Mitglied im Deutschen Presserat) und Prof. Hektor Haarkötter (Initiative Nachrichtenaufklärung), moderiert von Katrin Aue – und anzuhören hier.

Entlarven oder ignorieren – was müssen die Öffentlich-Rechtlichen gegen Fake News tun?

Haben die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland eine besondere Aufgabe, etwas gegen Desinformation und Propaganda im Netz zu tun? Eine Frage, die man kontrovers diskutieren kann. Schließlich sind Medien in erster Linie dazu da, zu berichten, was passiert ist, und nicht, was nicht passiert ist. Ich finde diese Frage pauschal schwierig zu beantworten. Man könnte vermutlich seine ganzen Ressourcen darauf verwenden, um angebliche Nachrichten richtigzustellen.

Aber macht man damit nicht auch auf Meldungen aufmerksam, die besser gar nicht erst verbreitet würden? Patrick Gensing nennt es kontraproduktiv, jede dieser Meldungen in der 20-Uhr-Tagesschau vorzustellen.

Über das Thema haben auf der Republica diskutiert:

  • Ina Ruck, ARD-Korrespondentin in Russland, ehemals in den USA
  • Jan Schulte-Kellinghaus, rbb-Programmdirektor
  • Stefan Niggemeier, Übermedien
  • Patrick Gensing, Leiter Faktenfinder tagesschau.de
  • Anna-Mareike Krause, Head of Social Media, rbb

Moderation: Teresa Sickert

 

Bernard Pörksen nimmt Abschied vom Netzpessimismus

Die Vorträge des Tübinger Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen auf der Republica sind immer sehens- und hörenswert. Man mag seine Thesen nicht teilen, aber an ihnen ist immer was dran, und wie er sie vorstellt, lässt man sich gerne mitnehmen in seiner klugen Argumentation. Zumal er fast völlig frei spricht, sich dabei nicht verzettelt und immer klar ist, worüber er gerade spricht.

In diesem Jahr hat er sich dessen angenommen, was er Netzpessismismus nennt. Er sieht darin die Tendenz, auf bestimmte Entwicklungen im Netz nur noch destruktiv zu reagieren, anstatt die Chancen zu nutzen, die in ihnen stecken, und statt sich den Phänomenen entgegenzustellen. Eine spannende halbe Stunde.

Süchtig nach schneller Belohnung und mehr Selbstwertgefühl

Kinder und Jugendliche seien deutlich häufiger abhängig von Smartphones und Spielen als Erwachsene, sagte der Lübecker Suchtforscher Hans-Jürgen Rumpf im Deutschlandfunk. Im Kampf gegen den Kontrollverlust sei neben den Eltern auch die Industrie gefragt. Für @mediasres habe ich mit Rumpf gesprochen.

Wie wir Journalisten die Hörer manipulieren

Wie erfolgreich kann eine angebliche Manipulation der Leser durch Journalisten sein, wenn diese sie bemerken?

Es ist erstaunlich, wie viele Hörermails mich erreichen, in denen diese Manipulation immer wieder unterstellt wird, weil man sie erkannt zu haben glaubt. Das ist unter anderem deswegen bemerkenswert, weil der jeweilige Hörer glaubt, er sei der einzige, der das bemerken könnte, die große Masse aller anderen Hörer sei dazu aber nicht in der Lage und werde auf diese Weise manipuliert. Das sagt mehr über den Absender als über das Produkt, das er kritisiert.

Außerdem stelle ich ein gewisses Paradox fest: Einerseits wird kritischer Journalismus eingefordert, andererseits lehnen viele aber kritische Fragen gegenüber bestimmten Interviewpartnern ab. Im konkreten Fall wird ein Interview kritisiert, das ich für @mediasres im Deutschlandfunk am 25. Juli mit Florian Jungnikl-Gossy geführt habe, der bei der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ einen Online-Ableger konzipiert hat, der sich speziell an Deutsche richtet.

Der Hörer kritisiert meine Fragestellungen und schreibt, an den „Standard“ gerichtet und uns in CC, der Interviewpartner habe gegenüber meiner „Hörer-Lenkungsabsicht (wie mir auffiel) sehr souverän reagiert“.

Genauer führt der Hörer nicht aus, worin er eine Lenkungsabsicht sah. Ich vermute, dass er die kritischen Untertöne meiner Fragen meinte. Demzugrunde liegt vermutlich die Meinung, dass deutsche Medien nicht objektiv oder jedenfalls nicht in seinem Sinne berichten, ein neues Angebot von außerhalb deshalb nur begrüßenswert und dessen Vertretern deswegen offen und unkritisch begegnet werden müsse. Das ist freilich genauso eine Vermutung wie der Hörer mir gegenüber vermutet, aber mehr weiß ich nicht. So kritisch wie er gegenüber deutschen Medien eingestellt ist, wie die restliche Mail deutlich macht, wünscht er sich keine Kritik an ausländischen Medien.

Dieses Paradox beobachte ich schon seit Längerem. Meine einzige Erklärung dafür ist, dass die entsprechenden Kritiker eine Berichterstattung fordern, die ihre eigene Meinung stützt. Sie verlangen eigentlich gar keine objektive Berichterstattung, auch wenn sie das behaupten, sondern halten ebenjene Berichte dafür, die ihre Meinung stützen – auch wenn sie nicht diesen Qualitätskriterien entsprechen.

Und sie verkennen, dass ich als Interviewer den Interviewpartner nicht mit meiner eigenen Meinung konfrontiere, sondern mit kritischen Gegenpositionen, die keineswegs meiner Meinung entsprechen müssen. Wie würde dann im konkreten Fall eine Einstiegsfrage aussehen?

Tatsächlich habe ich Jungnikl-Gossy zum Einstieg gefragt:

Fries: Warum eine österreichische Zeitung für Deutschland? Informieren die deutschen Medien nicht gut genug?

Jungnikl-Gossy: (lacht) Doch, natürlich. Aber schon jetzt kommt auf derstandard.at, unserem Mutterschiff gewissermaßen, ein sehr großer Teil der Zugriffe aus Deutschland. Bevor wir derstandard.de gestartet haben, haben wir auch diese Userschicht gefragt, und ganz oft haben wir da zwei Sachen gehört: Das eine ist, dass unser Blick von außen geschätzt wird mit unserem Qualitätsjournalismus, und das andere ist unsere Community.

Was wäre eine alternative Einstiegsfrage gewesen? Zu sagen: „Endlich eine österreichische Zeitung für Deutschland – es war aber auch höchste Zeit?“ Kommt man nicht weiter mit der Warum-Frage, woraufhin der Interviewpartner die Möglichkeit bekommt, auszuführen, warum er sein Angebot für gut und wichtig hält? Das tut er nämlich.

Die übrigen Fragen waren übrigens:

2. Was unterscheidet denn den Blick eines österreichischen Journalisten von dem eines deutschen auf deutsche Themen?

3. Aber wie sieht dieser Blickwinkel denn aus?

4. Ist es auch so, dass sie weniger als die deutschen Journalisten in diesen Strukturen gefangen sind?

5. Wo haben deutsche Medien denn Lücken, die Sie schließen könnten?

6. Diskutiert der Österreicher denn gesitteter als der Deutsche, wenn Sie jetzt so stolz auf Ihr Community-Management verweisen?

7. In Österreich selbst war so ein Versuch eines ausländischen Mediums zuletzt nicht erfolgreich. Die Neue Zürcher Zeitung aus der Schweiz hat im April ihren österreichischen Ableger nzz.at wieder eingestellt. Was machen Sie denn anders, damit Ihnen so was nicht passiert?

8. Warum machen Sie das im Moment noch nicht mit einer eigenen Redaktion?

9. derstandard.de trägt den kleinen Zusatz „Concept“. Sie sind erst mal in einer Testphase. Was muss passieren, dass Sie sagen, der Test ist erfolgreich verlaufen?

Wenn man so will, greifen die vierte und fünfte Frage sogar die Kritik des Hörers an deutschen Medien auf. Ich ermögliche dem Interviewpartner, eine solche Kritik aus seiner Position zu formulieren.

Die Frage nach einem möglichen Scheitern in Frage 7 könnte dem Hörer womöglich als versteckter Wunsch meinerseits erscheinen, das Projekt scheitern zu sehen. Dabei zielt die Frage darauf ab, mögliche Risiken offenzulegen. Der Interviewpartner bekommt die Möglichkeit, darzulegen, was er dagegen tut.

Interessant, wie so ein Gespräch beim Hörer ankommt, wenn er sie mit seinen eigenen Einstellungen, Meinungen und womöglich auch Vorurteilen hört. Man kann an meiner Gesprächsführung sicherlich Dinge kritisieren, aber eine Hörer-Lenkungsabsicht dahingehend, eine bestimmte Meinung bei ihm zu bilden, kann ich darin beim besten Willen nicht erkennen.

Ich setze mich deshalb so lange mit dieser Einzelmeinung auseinander, die man eigentlich als unbegründet abtun könnte, weil ich sie für exemplarisch halte für ein verbreitetes Missverständnis bei manchen Hörern. Als Journalisten sind wir nicht dafür da, den Interviewpartnern rhetorisch einen roten Teppich auszurollen, auf dem sie ihre Meinungen präsentieren können. Es ist vielmehr meine Aufgabe, den Interviewpartner mit Meinungen und Fakten zu konfrontieren, die den seinen widersprechen. Auf diese Weise erhält er Gelegenheit, seine Position demgegenüber noch deutlicher darzustellen. Er kann jeder Fragestellung widersprechen. Er hat viel mehr Sendezeit als ich. Am Ende bildet sich jeder Hörer seine eigene Meinung – wie ebenjener, der uns geschrieben hat.

Es ist freilich sein gutes Recht, die Meinung zu vertreten, ich habe versucht, etwas zu lenken. Wenngleich mich schon interessieren würde, woran konkret er das festmacht. Ich glaube nur, dass das viel mehr über ihn selbst verrät als sich aus dem eigentlichen Interview herauslesen lässt.

Wir gehen @mediasres

Funkhaus des Deutschlandfunks in Köln
Funkhaus des Deutschlandfunks in Köln

Medien sind heute für jeden selbstverständlich. Hat man sie vor 30 Jahren selbst lediglich konsumiert – und Zeitungen gelesen, Radio gehört, Fernsehen geguckt – so ist man heute selbst Medienproduzent. Und kann darüber hinaus noch auf eine Vielzahl von Quellen zurückgreifen, die früher Journalisten vorbehalten waren. Das bringt viele Vorteile und einige Nachteile. Vor allem aber hat es sehr viel Neues mit sich gebracht: nicht nur das persönliche Verhältnis zu Medien, sondern auch eine gewisse Überforderung, so ganz nebenbei die Seiten gewechselt zu haben.

Es ist eine ganze Reihe von Technologien, die dazu beigetragen haben: das Internet im Allgemeinen, soziale Netzwerke im Besonderen, mobile Netzwerkverbindungen, immer öfter verfügbares WLAN, die allzeit bereite Kamera im Handy für Fotos und Videos. All das versetzt jeden Nutzer heute in die Lage, nicht nur zu empfangen, sondern auch selbst zu senden. Mit all den Chancen und Schwierigkeiten, die das mit sich bringt.

Nicht nur haben Journalisten zuweilen das Gefühl, unter diesen Entwicklungen zu leiden, anstatt sie als Herausforderung zu begreifen. Auch kommen sie den Herausforderungen nur unzureichend entgegen – schon der Tatsache, wie präsent Medienthemen heute jeden Tag sind.

Lediglich auf den Medienseiten der Tageszeitungen und natürlich bei Mediendiensten im Netz geht es täglich um die Herausforderungen der allumfassenden Medialisierung. Was aber fehlt, ist ein tägliches Magazin im Radio, das sich mit Medienthemen beschäftigt.

Die bestehenden Medienmagazine im Radio – wie die gleichnamigen Sendungen etwa bei Radio Eins oder bei B5 aktuell, „Töne Texte Bilder“ bei WDR5 oder „Markt und Medien“ im Deutschlandfunk – leiden vor allem darunter, dass sie nicht so aktuell sind wie sie sein müssten. Und zum Teil im Ein-Mann-Betrieb arbeiten. Am Wochenende können sie nur noch zurückschauen auf Themen, die längst von verschiedenen Seiten aus betrachtet und durchgesprochen worden sind.

Der Deutschlandfunk schafft Abhilfe: Ab dem 20. März beschäftigt sich täglich eine 25-minütige Sendung mit Medien. Sie trägt den beziehungsreichen Titel @ mediasres. Sie will sich nicht nur mit tagesaktuellen Themen beschäftigen, sondern auch auf Hintergründe schauen und sich mit längerfristigen Entwicklungen beschäftigen – täglich zwischen 15.35 und 16 Uhr im Deutschlandfunk und natürlich im Netz.

Ich freue mich, dass ich als Redakteur und Moderator dabei sein kann.