„Wie läuft bei euch Ausgewogenheit?“ – Was ein Hörer von der Deutschlandfunk-Presseschau erwartet

Sechsmal täglich kann man im Deutschlandfunk Kommentare aus Tageszeitungen hören – nicht nur aus Deutschland, sondern aus der ganzen Welt. Unser Hörer Rainer Grund, der sich als Deutschlandfunk-Stammhörer und „News Junkie“ bezeichnet, fragt sich, nach welchen Kriterien die Ausschnitte aus Kommentaren ausgewählt werden.

Wie stellt die Redaktion ein politisches Gleichgewicht her, wie bildet sie ostdeutsche und westdeutsche Zeitungen ab, wie sorgt sie für Meinungsvielfalt? Und wie ist das überhaupt mit Zeitungen in Diktaturen: „Bei chinesischem Staatsjournalismus kriege ich einen dicken Hals“, sagt Rainer Grund. Sollte der Deutschlandfunk dazusagen, wenn er in seiner Presseschau aus einem Staatsmedium zitiert, oder wenn die SPD an der erwähnten Zeitung beteiligt ist? Und warum gibt es eigentlich nur Kommentare aus der sterbenden Mediengattung Zeitung anstatt aus dem Internet?

Fragen, über die ich mit Rainer Grund und Dlf-Nachrichtenredakteurin Milena Reimann für unseren Podcast „Nach Redaktionsschluss“ diskutiert habe.

Die Pressekonferenz als Bühne (7): Der Stern und die gefälschten Hitler-Tagebücher

Pressekonferenzen dienen auch der Werbung. Für den 25. April 1983 lädt das Magazin „Stern“ in Hamburg zu dem ein, was sie es eine internationale Pressekonferenz nennt, um eine Weltsensation zu verkünden. Chefredakteur Peter Koch sagte:

Ich glaube schon, dass die Behauptung, die Geschichte des Dritten Reiches müsse zum Teil umgeschrieben werden, gerechtfertigt ist.

27 Fernsehteams und 200 weitere Reporter aus aller Welt kommen, um sich von Chefredakteur Peter Koch angebliche Tagebücher von Adolf Hitler vorstellen zu lassen.

Wir haben natürlich Geld investiert in diese Recherchen, viel Geld. Und ich glaube, das geschieht einfach deshalb, weil uns für die Informationen unserer Leser nichts zu teuer ist. Das ist ein Grundsatz unseres Hauses. Ein zweiter Grundsatz unseres Hauses ist, dass wir unsere Quellen nicht preisgeben. Auch auf bohrende Nachfragen werden Sie jetzt von mir nicht hören werden, wer uns die Bücher übergeben hat, und Sie werden auch nicht hören, wie viel Geld wir insgesamt investiert haben. Außerdem, ich kenne die Summe nicht.

Doch schon vor der Veröffentlichung hatte es Hinweise darauf gegeben, dass die Tagebücher gefälscht waren. Auch der Historiker Eberhard Jäckel, der zuvor bereits angeblichen Hitler-Dokumenten desselben Fälschers, nämlich Konrad Kujau, aufgesessen war, bezweifelte öffentlich die Echtheit, so dass sich Stern-Chefredakteur Peter Koch noch auf der Pressekonferenz von ihm distanzierte.

Ich möchte jetzt die Eingangsworte schließen und nur noch sagen, dass ich mich sehr gewundert habe über Fernsehdiagnosen auch so renommierter Leute wie Professor Jäckel. Wir, hätten wir uns als Journalisten die Arbeit so leicht gemacht, in der Tat, man hätte uns leichtfertigen Umgang mit den Materialien vorwerfen können.

Wer von beiden Seiten leichtfertig mit den Materialien umgegangen war, war dann knapp zwei Wochen später offiziell. Dass die Hitler-Tagebücher Fälschungen waren, wurde übrigens auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben.

Über die Pressekonferenz beim „Stern“ hat damals auch die Tagesschau berichtet, der Bericht ist hier zu sehen.

Die Pressekonferenz als Bühne (6): Das Unbehagen der Hauptstadtjournalisten mit dem twitterenden Regierungssprecher

Seit 2011 twittert Regierungssprecher Steffen Seibert. Heute eine Selbstverständlichkeit, aber als er damals sein Konto bei Twitter eröffnete, war das ein kleiner Eklat für die Mitglieder der Bundespressekonferenz. Viele fürchteten, ihren recht exklusiven Zugang zu Seibert und der Kommunikation der Bundesregierung zu bekommen. Damals entspann sich auf der Regierungspressekonferenz ein interessantes Gespräch zwischen den Journalisten und dem stellvertretenden Regierungssprecher Christoph Steegmanns, der in Seelenruhe erklärte, dass er im Twittern kein Problem sieht. An den Fragen bemerkt man auch, wie die Journalisten damit hadern, dass sie ihre Gatekeeper-Funktion jetzt auch in Bezug auf den Regierungssprecher verlieren.

Pressefreiheit bedroht? Nein. Aber eingeschränkt

Die Lage der Pressefreiheit in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr verschlechtert. Die Journalistenorganisation „Reporter ohne Grenzen“ hat heute ihre internationale Rangliste der Pressefreiheit vorgelegt, auf der Deutschland von Platz 11 auf Platz 13 gefallen ist. Das habe ich im Deutschlandfunk kommentiert.

Die Pressekonferenz als Bühne (5): „Es ist Deutschland hier“

2009 gehörte die FDP zu den Gewinnern der Bundestagswahl. Es war klar, dass sie zusammen mit CDU und CSU die nächste Bundesregierung stellen würde. Siegesgewiss trat Guido Westerwelle bei einer Pressekonferenz auf. Er wurde als neuer Außenminister gehandelt – wollte dann aber ausgerechnet eine Frage auf Englisch nicht beantworten.

Dass das ein Fauxpas war, war Westerwelle offenbar schon in dem Moment bewusst. Einen Tag später ging er schon etwas souveräner damit um.

Ist der Klimawandel nicht eher eine Klimakatastrophe?

Wenn Medien darüber berichten, dass sich die Durchschnittstemperatur auf der Erde ständig erhöht, nutzen sie oft den Begriff „Klimawandel“. Der ist nicht falsch, verharmlost aber auch. Mein Beitrag für unseren Dlf-Sprachcheck „Sagen und Meinen“.

Die Pressekonferenz als Bühne (4): „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“

Eine Pressekonferenz eignet sich für diejenigen, die große Aufmerksamkeit suchen, weil sie etwa in einen Skandal geraten sind. Meistens wurde bereits in vielen Medien über sie geschrieben, per Pressekonferenz ziehen sie die Aufmerksamkeit auf ihre eigene Position und am liebsten auch gleich ihren Kopf aus der Schlinge. Je größer die Öffentlichkeit, desto besser für das Anliegen.

Legendär die Pressekonferenz des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel von der CDU am 18. September 1987. Elf Tage zuvor, kurz vor der Landtagswahl, hat das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ über angebliche „schmutzige Tricks“ berichtet, die die CDU im Wahlkampf gegen die SPD angewandt habe. Bei der Wahl verliert die CDU 6 Prozentpunkte. Am Tag danach legt der „Spiegel“ nach und zitiert Staatskanzlei-Mitarbeiter Reiner Pfeiffer: Uwe Barschel stecke selbst hinter den Aktionen gegen die SPD. Weitere vier Tage später versucht Barschel, die Vorwürfe öffentlich auszuräumen und sagte:

Heute nun, meine Damen und Herren, wende ich mich mit dieser Pressekonferenz an die deutsche Öffentlichkeit. Und in dieser Pressekonferenz gedenke ich, alles auf den Tisch zu legen. Alles, was mir bekannt ist.

Im Bemühen, jeden der Vorwürfe zu widerlegen, wiederholt Barschel diese ausführlich und bestreitet sie dann haarklein.

Ich komme nun zum Hauptteil meiner Darstellungen, nämlich der Stellungnahme zu allen mir bekannt gewordenen Vorwürfen des Herrn Pfeiffer beziehungsweise des Spiegel. Hierzu erhalten Sie im Anschluss an diese Pressekonferenz eine umfangreiche eidesstattliche Versicherung meinerseits. Und in der Anlage zu dieser eidesstattlichen Versicherung befinden sich weitere, wie ich bereits erwähnte eidesstattliche Versicherungen von Personen, auf die ich als Zeugen, wenn ich das so sagen darf, Bezug nehme, die meine Aussagen ausdrücklich bestätigen.

Barschels Eingangsstatement dauert über eine Stunde, bis er zum Schluss kommt und eine juristisch wohl unnötige, aber sich als fatal erweisende Ehrenerklärung nachschiebt.

Über diese Ihnen gleich vorzulegenden eidesstattlichen Versicherungen hinaus gebe ich Ihnen, gebe ich den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Schleswig-Holsteins und der gesamten deutschen Öffentlichkeit mein Ehrenwort – ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! – dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind. Ich danke Ihnen.

Die Offensive nutzt ihm höchstens kurzfristig. Später stellt sich heraus, dass Barschel gelogen hat – vor den deutschen Medien, festgehalten für die Ewigkeit. Wer sich auf Pressekonferenzen weit aus dem Fenster lehnt, stellt nicht selten fest, dass der Fall besonders tief ist. Eine Woche später kündigt Barschel seinen Rücktritt als Ministerpräsident an – auf einer Pressekonferenz.

Serientäter: Warum gibt es im Fernsehen so viele Krimis?

Als Bürger verabscheuen wir Verbrechen, aber als Fernsehzuschauer lieben wir sie – das zeigen die Quoten. Deutschlandfunk-Hörer Otto Elsland kann das nicht verstehen. Er habe im Moment genug Krimi im Alltag, sagt er, er will im Fernsehen auch mal was anderes sehen – zumal er befürchtet, die Gewaltexzesse verrohten die Gesellschaft.

Matthias Pfeifer, der im ZDF („fast ein Krimisender“) als Abteilungsleiter für Krimis mitverantwortlich ist, kennt solche Beschwerden, man rede im Sender oft darüber. Er findet aber, Krimis könnten ein „trojanisches Pferd“ sein, um über sie ganz andere Themen ans Publikum zu bringen, die anhand eines Verbrechens erzählt werden.

Auch die erfolgeiche Drehbuchautorin Dorothee Schön („Charité“, 17 Folgen „Tatort“) schätzt die Möglichkeit, per Krimi jedes andere Thema zu behandeln und in jede Gesellschaftsschicht zu schauen.

Ich hab mit allen drei in unserem Podcast „Nach Redaktionsschluss“ im Deutschlandfunk disktuiert.

Die Pressekonferenz als Bühne (3): Frauke Petry Abgang aus PK und Fraktion

In der Bundespressekonferenz gilt eigentlich: Wer kommt, muss auch Fragen beantworten. Die damalige AfD-Chefin Frauke Petry sah das 2017 gar nicht so.

Nach dem Erfolg bei der Bundestagswahl 2017 trat sie in Berlin auf und sagte:

Eine anarchische Partei, wie es in den vergangenen Wochen das eine oder andere Mal zu hören war, die die AfD sei, die kann in der Opposition erfolgreich sein, aber sie kann eben dem Wähler kein glaubwürdiges Angebot für die Regierungsübernahme machen. Und das ist der Grund, meine Damen und Herren, unter anderem in meinem Anspruch verbunden, dass ich aktiv gestalten möchte und eben Realpolitik im guten Sinne einer konservativen Politik machen werde, für mich nach langer Überlegung zu entscheiden, dass ich der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag nicht angehören werde. Meine Damen und Herren, ich bitte um Verständnis, dass ich dazu jetzt auch keine weiteren Fragen beantworte. Sie haben sicherlich noch viele Fragen. Ich werde im Foyer auch noch für wenige Nachfragen bereitstehen. Ich möchte mich bei meinen Kollegen bedanken, bei Alice Weidel, bei Alexander Gauland und bei Jörg Meuthen und werde jetzt diesen Raum verlassen. Dankeschön.

Der Sprecher der Bundespressekonferenz protestierte:

Also pardon, das halte… Frau Petry, das finde ich kein faires Verhalten hier auch gegenüber den Kollegen…

Petry: Ja, das tut mir leid, aber…

BPK-Sprecher: „Sie nutzen das Forum der Bundespressekonferenz, um ihre Botschaft zu setzen, und verschwinden dann. Also insofern missbilligen wir dieses Verhalten ausdrücklich.“

In dem Moment hat Frauke Petry bereits den Saal verlassen. Die drei zurückgebliebenen AfD-Spitzenpolitiker Alexander Gauland, Alice Weidel und Jörg Meuthen schauen sich lachend an. Unruhe im Saal. Einige Fotografen und Journalisten folgen Petry aus dem Saal. Nach einigen Sekunden äußert sich erneut der Sprecher der BPK:

„So, also noch mal. Ich missbillige als Vorstand der Bundespressekonferenz hier dieses Verhalten ausdrücklich, die Bundespressekonferenz hier als Forum in dieser Form, ich möchte mal sagen, zu missbrauchen.“

Petry sei die einzige, die jemals in dieser Weise gegen die Regeln verstoßen habe, sagt der heutige Vorsitzende der Bundespressekonferenz, Mathis Feldhoff.

Die Pressekonferenz als Bühne (2): Angela Merkels „Wir schaffen das“

Die große Wirkung von Angela Merkels oft verkürztem und dadurch missverstandenem Zitat „Wir schaffen das“ liegt auch darin begründet, dass sie es auf einer Pressekonferenz verkündet hat – und dann noch ausgerechnet im Saal der Bundespressekonferenz in Berlin.

Tatsächlich behauptete Merkel aber gar nicht, dass wir das schaffen würden – gemeint war der Zustrom vieler Flüchtlinge im Jahr 2015. Sie sagte:

Das Motiv, in dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das.

Die Verkürzung legte ihr einen Optimismus in die Aussage, den sie zwar hatte, der aber nicht so in ihren drei Worten kulminiert, wie sie ihn eigentlich gemeint hatte.

An ihrer Aussage hielt sie aber fest, als sie elf Monate später erneut in der Bundespressekonferenz zu Gast war.