Wie Journalisten gegen „Fakenews“ als politisches Kampfwort ankommen

Seit kurzem taucht das Wort in neuem Kontext auf. Wurde es bisher vor allem von Journalisten und Social-Media-Nutzern genutzt, um Postings und Artikel zu beschreiben, mit denen Unwahrheiten verbreitet werden, wird es jetzt auch von Politikern verwendet. Und zwar nicht nur, um über den Kampf dagegen zu reden, sondern als Kampfbegriff selbst.

Besonders in den Fokus gerückt hat den Begriff bei seiner ersten Pressekonferenz nach seiner Wahl zum US-Präsidenten Donald Trump. Und nicht nur dort, sondern auch in mehreren Tweets, die er vorher absetzte.

(Ich weiß, neulich habe ich noch geschrieben, man solle darüber nachdenken, über welche von Trumps Tweets man überhaupt berichtet.)

Bei seiner Pressekonferenz, die wenig mit einem geregelten Frage-Antwort-Spiel zu tun hat, das man sonst von ihnen kennt, warf Trump mit dem Wort nur so um sich. Es dient ihm offenbar als Kampfbegriff gegen unliebsame Medienberichterstattung – ganz gleich, wie valide diese ist. Auch einen Tag später legte er noch mal nach.

Fabian Reinbold schreibt dazu bei Spiegel Online:

Fake News ist für manche die unbelastete Variante von „Lügenpresse“ und ein bequemes Schlagwort für alles Neue, was einem nicht in den Kram passt. Auch in Deutschland findet das Nachahmer bei jenen, die die von ihnen sogenannten Mainstream-Medien ins Visier genommen haben.

Er schlägt vor, den Begriff nur noch zu verwenden, wenn das vorgefundene Beispiel der Definition entspricht, die er aufgestellt hat. Es sei wichtig, Klatschzeitschriften, Verschwörungstheorien und urbane Legenden davon auszunehmen, denn sie bezögen „ihre Wirkungsmacht nicht aus der neuen Dynamik der sozialen Netzwerke“.

Im Prinzip ist das richtig. Noch besser fände ich es allerdings, wenn Journalisten den Begriff gar nicht benutzen. Denn im Wort Fakenews steckt immer noch das Wort News. Natürlich macht der Begriff selbst klar, dass es sich um erfundene Geschichten handelt. Trotzdem scheint mir die Abgrenzung von tatsächlichen Nachrichten nicht klar genug. Wir sollten stattdessen genauer benennen, worum es geht: Gerüchte, Vermutungen, Spekulationen, Wahrscheinlichkeiten, Propaganda, Verfälschungen, Instrumentalisierungen, Fehldeutungen, Erfundenes. Es gibt sicher noch mehr Begriffe, die in Einzelfällen beschreiben, was vor sich geht. Wenn wir das klarer benennen – sofern möglich – können wir uns stärker davon absetzen, dass es sich um so etwas wie Nachrichten handelt.

Dennis Horn hat sich dazu schon entschlossen, wie er bei WDR Digitalistan schreibt:

Es ist besser, die Dinge wieder beim Namen zu nennen – was uns auch helfen könnte, die eigentlich wichtigen Debatten zu führen. Lügen sind also Lügen, Propaganda ist Propaganda, und Fehler sind eben Fehler – oder unsauberer Journalismus unsauberer Journalismus. Den Begriff „Fakenews“ dagegen versuche ich in Zukunft – so gut es geht – zu vermeiden.

Horn bezieht sich auch auf Margret Sullivan, Medienredakteurin bei der Washington Post. Noch vor Trumps Pressekonferenz schrieb sie, wie manche Fakenews definieren würden:

Or simply anything in the realm of news that the observer doesn’t like to hear.

Was Trump dann unter Beweis stellte.

Das betrifft das Reden darüber, was im allgemeinen Konsens als falsch angesehen wird. Es löst aber nicht das Problem der falschen Nachrichten. Stefan Niggemeier weist bei Übermedien darauf hin, dass es falsche Nachrichten immer schon gegeben habe, sich Journalisten darum aber lange nicht gekümmert haben. Erst seit sie nicht nur in der journalistischen Sphäre vorkommen, sondern auch außerhalb produziert werden, werden sie offenbar ernst genommen. Niggemeier schreibt:

Wenn die etablierten Medien diesen Kampf nicht als einen Kampf gegen Desinformationen aller Art führen, sondern als einen Kampf Wir gegen Die; wenn sie den Eindruck erwecken, dass sich Kollegen untereinander nicht wehtun, aber keine Hemmungen gegenüber dubiosen amerikanischen Seiten, Anti-Mainstream-Medien und Einzelpersonen im Netz haben; wenn es scheint, als sei das Haupt-Problem von „Fake News“ womöglich gar nicht der Inhalt, sondern der Absender – dann haben sie keine Chance, diesen Kampf zu gewinnen.

Womöglich lag das Problem darin, dass es Journalisten nicht unbedingt als ihre Aufgabe ansahen, die Arbeit von Kollegen zu korrigieren. Sie wollten sich nicht mit der Berichterstattung anderer über dasselbe Thema beschäftigen, sondern lieber selbst Bericht erstatten. Jetzt, wo das Thema selbst Falschinformationen sind, geht ihr Blick vielleicht auch zurück darauf, dass auch in der eigenen Branche Fehler gemacht werden und bewusst Propaganda betrieben wird.

Dass Journalisten sich künftig nicht nur mit Fakten und Meinungsäußerungen im politischen Raum beschäftigen müssen, sondern auch Berichte falsizifieren müssen, habe ich hier schon vor einem Jahr beschrieben:

In Zukunft wird es verstärkt Aufgabe von Journalisten sein, Gerüchten nachzugehen. Diese in die Welt zu setzen ist über soziale Medien sehr leicht geworden; sie finden schnelle Verbreitung, besonders, wenn sie plausibel erscheinen (…) oder Vorurteile bedienen (…).

Den eigentlichen Lösungsansatz gegen Fakenews liefert allerdings Jürgen Kaube in der FAZ, auch wenn er nicht sonderlich explizit wird:

Das Problem ist im Fall der Fake-News nicht ihre Produktion, sondern die Empfänglichkeit für sie. Zu vermuten, sie beruhe darauf, dass den Leuten einfach niemand die richtige, die echt wirkliche, die ganz und gar nachrecherchierte Arbeitslosenziffer mitgeteilt hat, unterschätzt die Situation.

Gegen Fakenews muss man meiner Ansicht nach am ehesten bei denen ansetzen, für die sie gemacht sind. Wer durch ausreichend Medienkompetenz in der Lage sind, die Zuverlässigkeit eines Berichts einzuschätzen, die Quellen zu prüfen und sich selbst beim Weiterleiten solcher Nachrichten nicht nur als ihr Bote, sondern auch ein wenig als ihr Urheber begreift, ist gegen einen Großteil falscher Nachrichten immun. Und macht es damit nicht nur den Urhebern von Fakenews schwer, sondern auch den Journalisten, die fehlerhaft und nicht sauber genug arbeiten. Das kann dem Journalismus nur gut tun.