„Die Wortwahl wird immer radikaler“, sagt Volker Kauder, meint aber nicht sich

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, beklagt sich im Interview mit dem „Spiegel“ über eine zunehmende Verrohung der Sprache. Er sagte unter anderem:

Wir erleben ein erschreckendes Maß von Anfeindungen gegen unsere Demokratie. Mal sind Politiker die Zielscheibe, mal die Medien, aber eben auch zunehmend unser Staat insgesamt. Die Wortwahl wird immer radikaler und schlägt auch in Gewalt um. Das bereitet mir große Sorgen.

Und weiter:

Wir sind noch längst nicht so weit wie in der Weimarer Republik. Aber auch damals haben sich Worte und Taten immer mehr hochgeschaukelt.

Dabei müsste Kauder bei sich selbst anfangen. Der Schriftsteller Roger Willemsen stellt ihm kein gutes Zeugnis aus. Er hat im Jahr 2013 an allen Sitzungen des Bundestags teilgenommen und den Parlamentsbetrieb beobachtet. In einem Interview im Deutschlandradio Kultur erzählte er:

Der schlimmste Flegel ist Volker Kauder, der Dinge reinruft, die nicht mal einen Ordnungsruf bekommen. Und das ist zum Teil schlimm. Der sagt dann: „Führen Sie doch die Blockwarte wieder ein.“ Also, das ist ein übler Assoziationsraum, der auch zum Teil der Ausputzer oder die Blutgrätsche für Merkel macht. Das heißt, der sagt dann auch, „ja, Friedensnobelpreis für Edward Snowden“ und macht sich über einen Mann lustig, den wir alle viel verdanken, weil diese Aufklärung wir niemals ohne ihn bekommen hätten und der sein Leben mehr oder weniger zu einem Teil der Zivilcourage geopfert hat.

Willemsen kritisierte damals nicht nur Kauder als schlimmsten Zwischenrufer des Bundestags, sondern auch die anderen Abgeordneten und vor allem das Präsidium, das nicht gegen solche Ausfälle vorgehe.

Es ist schlimm, dass der Bundestag an bestimmten Stellen, die Inhumanität bestimmter Standpunkte nicht rigider kenntlich macht. Ich finde nicht, dass jemand einen Parlamentarier als einen Blockwart-Rufenden bezeichnen darf, nur weil der sagt, „ich will eine Kontrolle des Abhörens“, und der dann höhnisch reinruft: „Sie sind doch nur böse, weil Gysis Handy nicht abgehört worden ist“ oder so etwas. Also, das ist einfach eine Verachtung gegenüber unseren Bürgerrechten und ich finde das nicht tolerierbar.

Günther H. Oettinger liest die Zeitung bei Google

Wahlweise EU-Digitalkommissar Günther Oettinger himself oder sein Social-Media-Team liefern sich seit gestern auf Twitter eine interessante Auseinandersetzung mit Netzexperten wie Mario Sixtus.

Wenn das tatsächlich so stimmt und ernst gemeint ist, hat Stefan Niggemeier bei uebermedien.de die Sachkompetenz des Kommissars noch überschätzt, als er dessen Aufruf an die Verleger kritisierte, die eigenen Redaktionen mehr oder weniger an neutraler Berichterstattung über das Leistungsschutzrecht zu hindern.

Oettinger bekommt als EU-Kommissar sicherlich jeden Tag einen Pressespiegel vorgelegt. Auf totem Holz – und das selbst dann, wenn der Pressespiegel digital zusammengestellt worden sein dürfte, wovon auszugehen ist. Dass Oettinger tatsächlich nach Nachrichten googelt und dort nur Überschrift und Anreißer liest, wie die Twitter-Meldungen nahelegen, halte ich für unwahrscheinlich. Was also geht im EU-Digitalkommissariat vor sich?

Nachtrag, 1. Oktober: Markus Reuter schreibt bei netzpolitik.org, dass die Verteidigungsstrategie von Günther Oettinger auf unpassenden Zahlen beruht. Inzwischen haben außerdem Die Zeit und die NZZ Zahlen veröffentlicht, die Oettinger widerlegen sollen. Beide Redaktionen mögen es offenbar, dass Google ihnen Nutzer zuleitet.