Frauke Petry und die Pressefreiheit: Warum Journalisten nicht völlig neutral sein dürfen

In der vergangenen Woche ist ein bizarrer Streit öffentlich geworden: der zwischen der AfD-Chefin Frauke Petry und dem ZDF-Morgenmagazin. Petry war am Montagmorgen nicht beim ZDF aufgetaucht, obwohl sie zugesagt hatte. Auch am Dienstag kam sie nicht. Wieso, hat Michael Coors gut beschrieben.

Ich will auf eine Aussage von Frauke Petry eingehen, die sie als Vorwurf formuliert und gemeint hat. In einem Statement dazu, warum sie nicht gekommen ist, heißt es:

Solange vor allem öffentlich-rechtliche Fernsehsender ihren Auftrag, so neutral wie möglich das pluralistische Meinungsbild darzustellen, dadurch missverstehen, indem sie offensichtlichen Politaktivisten wie Dunja Hayali ein derartig breites öffentliches Forum bieten, ist mein persönliches Interesse, in diesem Rahmen über die aufstrebende Alternative für Deutschland zu berichten, deutlich reduziert.

Die Sache mit der „Politaktivistin“ Dunja Hayali, die eigentlich nur Moderatorin des ZDF-Morgenmagazins ist, präzisiert Petry dann noch:

Liegt es daran, dass die Unterstützerin der Vereine ‚Gesicht zeigen‘ und ‚Respekt! Kein Platz für Rassismus‘ Schwierigkeiten damit hat, ihre journalistische Arbeit in einem aus Steuergeldern finanzierten Sender von ihrer politischen Einstellung zu trennen? (…) Sie erscheint daher zunehmend mehr als politische Aktivistin denn als professionell arbeitende Journalistin.

Mal abgesehen von der Tatsache, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender nicht aus Steuergeldern finanziert werden (Irrtum? Lüge?), irritiert mich die Haltung, die Petrys Aussage zugrunde liegt.

Ich interpretiere Petry so, dass das Eintreten gegen Rassismus nicht mit der Neutralitätspflicht eines Journalisten zu vereinbaren ist. Rassismus soll also als eine legitime Einstellung neben anderen angesehen werden. Führt man das fort, sind auch Haltungen wie Antisemitismus, Homophobie, Sexismus und Islamfeindlichkeit akzeptabel, kurz: alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Das Grundgesetz, auf dessen Grundlage die AfD Petry zufolge steht, verbietet aber genau dies in Artikel 3 Abs. 3:

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Wenn Journalisten wie Dunja Hayali, um die es Petry geht, sich also gegen Rassismus aussprechen, handeln sie im Sinne des Grundgesetzes. Und diesem Grundgesetz gegenüber sollen Journalisten neutral sein?

Das können und dürfen sie nicht. Denn das Grundgesetz und die Demokratie sind Voraussetzung für unabhängigen Journalismus. Im Grundgesetz wird die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert (Art. 5). Man sieht an vielen Diktaturen weltweit, wie selten die wirklich besteht (die Reporter ohne Grenzen haben ihre Einschätzung in einer Weltkarte dargestellt). Sich nicht für Werte des Grundgesetzes einzusetzen, hieße, auch diesen gegenüber neutral zu sein. Wie kann man aber einem Grundrecht gegenüber neutral sein, wenn es die eigene Arbeit garantiert?

Michael Coors formuliert es zugespitzt so:

Wenn Frau Petry ernsthaft das Engagement gegen Rassismus für eine Verletzung journalistischer Neutralität hält und lediglich für eine politische Einstellung neben anderen, zeigt sie, dass sie schlicht gewisse rechtliche und moralische Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaftsordnung entweder nicht verstanden hat oder aber – noch schlimmer – diese aus politischer Überzeugung in Frage stellt.

Spinnen wir das mal fort: Wenn Journalisten auch demokratiefeindliche Meinungen gelten lassen sollen, sollen sie also seelenruhig dabei zusehen, wie eine Regierung ihre eigenen Rechte abschafft, so wie es die AfD in Baden-Württemberg laut Wahlprogramm teilweise vorhat und die AfD auf Bundesebene laut Entwurf (dessen Gültigkeit die AfD bestreitet, allerdings nicht den Entwurf an sich). Das kann nicht im Interesse der Demokratie sein.

Journalisten dürfen nicht nur für Grundwerte eintreten, sie müssen es sogar. Dass Dunja Hayali sich gegen Rassismus ausspricht, ist also nicht nur ihr Recht als Bürgerin, es ist sogar ihre Pflicht als Journalistin; wenn sie es nicht so öffentlich tut wie bei „Gesicht zeigen“ und „Respekt“, so müsste sie mindestens ihre professionelle Rolle so verstehen.

Wenn Journalisten nicht für die Werte des Grundgesetzes eintreten, schaffen sie erst sich selbst und auf Dauer auch die Demokratie in dieser Form ab.