Lasst uns reden – aber wirklich reden!

Nach den vagen Äußerungen der WDR-Kollegin Claudia Zimmermann, die Politik nehme direkten Einfluss auf die Berichterstattung zum Thema Flüchtlinge, haben freie WDR-Kollegen eine virtuelle Unterschriftenliste im Netz ins Leben gerufen.

Auf einer weiteren Seite kann über das Thema diskutiert werden. Dabei finden sich ganz unterschiedliche Meinungsäußerungen. Die meisten davon sind leider wieder voller Vorwürfe, allerdings ohne (konkrete) Belege oder Hinweise darauf, wieso man das annimmt.

„Niemand gibt Euch politische Vorgaben. Muss die Redaktion doch auch gar nicht, denn viele von Euch wissen was die Redaktion von euch erwartet“

„Wenn es nicht so wäre, dass die Journalisten eine politischen Vorgabe bekommen würden, wieso dann dieser Brief, um die Bestätigung des Gegenteils.Man muss einfach mal zwischen den Zeilen lesen.“

„Bei letzteren müssten wir davon ausgehen, dass beim WDR ausschließlich freie Mitarbeiter beauftragt werden, die nach einer Gesinnungsprüfung aus intrensischen Bedürfnissen Tatsachen verdrehen, Blickwinkel manipulierend ausrichten und häufiger mal die Unwahrheit sagen.“

„es gibt glaube ich einen Druck/Erwartungshaltung so zu berichten wie der Chef (Intendant) es gut findet. Nur so macht man Karriere oder bekommt schöne Aufträge.“

Man müsste dem bei den wenigen, die sich in diesem Forum an der Diskussion beteiligen, vielleicht keine große Aufmerksamkeit schenken, wenn die Kommentare nicht exemplarisch wären für das, was Journalisten immer wieder vorgeworfen wird.

Es wäre schön, wenn man sachlich darüber diskutieren könnte – genau das ist es doch eigentlich, was Leser/Hörer/Zuschauer/Nutzer wollen. Allerdings erschweren zwei Dinge eine sachliche Diskussion:

  1. Die Beleidigungen und Unterstellungen, die statt sachlicher Fragen oder der Schilderung von persönlichen Eindrücken den ernsthaften Willen zur Auseinandersetzung fraglich erscheinen lassen.
  2. Das Fehlen jedeweden Belegs. Es wird selten mal konkret dargelegt, wieso man glaubt, dass in diesem oder jenem Fall Politiker Einfluss auf einen bestimmten Beitrag genommen haben. Was soll man darauf antworten? Journalisten berichten über Fakten und Meinungen und brauchen dafür Belege. Vermutungen sind keine Fakten, mehr liefern auch Nutzer leider nicht – weder zu Sachthemen noch zu diesem Metathema.

Viele Journalisten – definitiv nicht alle – sind dialogbereit. Aber man muss ihnen auch eine Chance für den Dialog geben: nicht mit Vorwürfen beginnen, konkret sein, Fragen stellen, die eigene Position hinterfragen. Ich versuche das auch.

2 Gedanken zu „Lasst uns reden – aber wirklich reden!“

  1. Hallo Stefan Fries,

    vielen Dank für diesen Ansatz, der voraussichtlich viel Zeit und Kraft kostet.

    Ich denke, unkonkrete Vorwürfe werden durch konkrete Beschreibung unserer journalistischer Arbeitsweise am besten begegnet, sowohl auf einer allgemeinen Ebene (wie ich es auch hier http://wdr-dschungelbuch.de/wp/diskussionsseite-zu-wir-bekommen-keine-politischen-vorgaben/ versucht habe), als auch auf der Ebene des Einzelfalls einer journalistischen Berichterstattung.
    Wir sollten darlegen, wie über Ereignisse berichtet wird, nach welchen handwerklichen Kriterien dies geschieht, wie die Abläufe sind. Zu dieser Transparenz bin ich als freier Journalist gerne bereit; und ich sehe durchaus, dass Menschen in einer demokratischen Gesellschaft Anspruch darauf haben. Das heißt nicht, dass wir Quellen preisgeben, denen wir Vertraulichkeit zugesichert haben. Dazu gehört aber zum Beispiel, zu erläutern, dass wir natürlich nicht alle Fakten, die wir recherchieren auch veröffentlichen. Das hat aber nichts mit Verschweigen oder Manipulation zu tun, sondern ist die originäre Aufgabe von Journalisten: Fakten recherchieren, einordnen, überprüfen, die wichtigen von den unwichtigen Fakten trennen – und natürlich begründen können, warum wir so gemacht haben.

    1. Ich bin definitiv für mehr Transparenz. Wir müssen stärker erklären, wie wir arbeiten. Ich begegne oft merkwürdigen Vorstellungen von unserer Arbeit, denen wir entgegentreten müssen.

      Es ist ein wenig wie mit dem Fotografieren: Heute, da jeder eine Kamera in seinem Smartphone hat, denken alle, sie könnten fotografieren. Und da jeder heute Zugriff auf viele der Dokumente hat, auf deren Grundlage wir berichten, denken alle, sie könnten berichten. Oder unsere Arbeit einschätzen.

      Dabei gibt es aber immer noch die Quellenkritik, die uns von den Nicht-Journalisten unterscheidet, und die wir im Großen und Ganzen einfach besser betreiben. Hans Leyendecker sagt dazu sehr treffend: „Wir haben ein Problem damit, dass eine Menge von Leuten mittlerweile meinen, dass wenn sie im Internet irgendetwas nach klicken, würden sie selbst recherchieren. Das ist natürlich nicht so. Zur Recherche gehört Wissen, Sortieren von Dingen und dass man sich intensiv mit einem Gegenstand beschäftigt. Jeder kann, das ist eins der Probleme unserer Zeit, im Internet etwas finden, was seine Meinung oder was bei ihm immer wahr ist, scheinbar bestätigt. Dadurch kommt der Ruf auf, dass es Schweigekartelle, Lügen und Manipulation bei all denen gibt, die das nicht bringen, wie es da steht.“ (http://www.danielfiene.com/archive/2016/01/21/fiene-hans-leyendecker-und-jakob-augstein-im-gesprach-es-ist-vollig-absurd-dass-journalisten-solche-auflagen-bekommen/)

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